Weil Behördendeutsch als schwer verständlich gilt, gibt es entsprechende Texte immer öfter auch in leichter Sprache. Nicht nur Gehörlose und fremdsprachige Menschen tun sich schwer. Das größte Problem sind über sieben Millionen Bürgerinnen und Bürger, die nur einzelne Worte oder Sätze entziffern können. Das nennt sich funktioneller Analphabetismus. Für diese Menschen ist eine barrierefreie Sprache wichtig.

Das könnte Sie auch interessieren

Nun verlangt der CDU-Ortsverein Rielasingen-Worblingen genau aus diesen Gründen ein Verbot des Genderns in Schulen und Behörden. Offenbar hat er gute Argumente auf seiner Seite. Aber wie sieht es konkret aus? Für Schulen macht der deutsche Rechtschreibrat klare Vorgaben: Gender*Sternchen und Binnen-I dürfen als Rechtschreibfehler gewertet werden. Wohlgemerkt: dürfen, nicht müssen. Es gibt also Handlungsspielräume.

Handlungsspielräume für Lehrer und Lehrerinnen

Der Landesschülerbeirat kritisiert, dass immer noch etwa 15 Prozent aller Lehrerinnen und Lehrer das Gendern als Fehler werten. Das sei nicht mehr zeitgemäß. Die Sache ist also im Fluss, aber offenbar wird in Schulen darauf geachtet, dass Texte lesbar bleiben und auch Menschen, die Deutsch als Fremdsprache lernen, nicht überfordert werden. Hier scheint der Ruf nach einem Verbot übertrieben.

Der CDU Ortsverband Rielasingen-Worblingen stellt den Antrag, das Gendern zu verbieten.
Der CDU Ortsverband Rielasingen-Worblingen stellt den Antrag, das Gendern zu verbieten. | Bild: Jonas Kiefer

Und bei den Behörden? Seit 1972 der unsägliche Begriff „Fräulein“ offiziell abgeschafft wurde, hat sich einiges getan. Baden-Württemberg gehörte mit Bremen und Berlin zu den ersten Bundesländern, die Regeln für eine geschlechtergerechte Sprache in Gesetzestexten erarbeiteten.

Ist also die Forderung aus Rielasingen-Worblingen eine wohlfeile Luftnummer? Jein. Tatsache ist, dass wir eine Sprache brauchen, die allen zugänglich ist. Andererseits muss Sprache sichtbar machen. Frauen und Männer ebenso wie alles, was dazwischen liegt.

Gestritten wird um die richtige Schreibweise.
Gestritten wird um die richtige Schreibweise. | Bild: Erik de Graaf/stock.adobe.com

Als ich Kind war, lebte in unserer Nachbarschaft ein Mensch, von dem ich nicht wusste, ob er Mann oder Frau war. Das sei eine gebrochene Seele, hieß es. Die Nazis hätten diesen „verkehrten Mann“ ins Lager gesteckt. Wir müssen uns solche Schicksale vor Augen führen, wenn wir im Alltag einer stolzen Frau begegnen, die vielleicht ein Y-Chromosom in ihren Zellen hat. Vielleicht auch nicht. Das geht nur die betroffenen Menschen etwas an. Das Pendel wird auch wieder zurückschwingen in Richtung Lesbarkeit, davon bin ich überzeugt.

Die Suche nach dem eleganten Gendern

Kürzlich habe ich eine Liste für „elegantes Gendern“ gesehen, die ganz ohne Sternchen und andere Zumutungen auskommt. Wie gesagt, Sprache ist kreativ. Man muss sich nur etwas Mühe geben. Aber sobald der CDU-Ortsverein in Rielasingen und Worblingen mehr Frauen in seinen Reihen hat, wird‘s vermutlich leichter.