Mein Jahresrückblick fällt gemischt aus. Nach zwei anstrengenden Corona-Jahren schien sich die Situation zu stabilisieren. So plante ich persönliche Freiräume und wollte mich endlich meinem neuen Roman widmen. Es sollte beim Wunsch bleiben.

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Neben Krieg und Energiekrise, implodierten alle Betreuungsmodelle für meine Eltern und aus dem kreativen Jahr wurde eines mit Brüchen und Abschieden. Es wurde klar, dass meine Eltern immer weniger zurechtkamen. Leider wollten sie kaum Hilfe annehmen. Als die Demenz meines Vaters nach einem Sturz rasend schnell fortschritt, zerbrach das fragile Lebensmodell. Es war unvorstellbar für mich, dass meine Eltern an verschiedenen Orten leben würden. Aber genau das geschah. Die Kurzzeitpflege in Mecklenburg war als Provisorium gedacht, aber meine Mutter entschied, dort zu bleiben. Vernünftig, da mein Bruder und ich nun die Pflege gemeinsam schultern, aber trotzdem belastend.

Roman-Projekt bleibt in der Schublade

So stemmte ich ein zweites Mal in 13 Monaten den Umzug samt Entrümpelung. Im Stress ging unter, dass ich innerhalb eines Monats meine Eltern „verloren“ hatte – zumindest die Eltern, die ich vorher kannte. Aber zum Verarbeiten blieb keine Zeit. Mein Romanprojekt lag in der Schublade. Aber wenigstens widmete ich mich der Recherche – bis mich im Sommer doch noch Corona erwischte und mir endgültig die Puste ausging. So vieles, was ich vor einem Jahr wohlgemut plante, hat nicht funktioniert.

Aber ist nicht jeder Abschied auch ein Neuanfang? Monatelang hätte ich das als leeren Spruch abgetan, aber jetzt möchte ich es doch wieder wagen. Nur wie? Dass ich die kreative Kraft zum Schreiben verlor, war für mich das Allerschlimmste. „Wenn du schreibst, bist du ein ganz anderer Mensch“, sagte mir mein Mann kürzlich. Aber es funktionierte nicht mehr.

Ein Text pro Woche stand fest

Aber halt! Habe ich nicht jede Woche diese Kolumne geschrieben? Das ist doch nichts Besonderes, sagt mein innerer Zensor. Aber das stimmt nicht. Diese Zeilen, die ich zuverlässig zu Papier brachte, haben mich in diesem wirren und schmerzhaften Jahr durchhalten lassen. Und die Rückmeldungen meiner Leserinnen und Leser. Manche rufen an und machen Themenvorschläge. Manche sammeln meine Kolumnen – was mir ein bisschen peinlich ist, denn bringe ich die Dinge immer auf den Punkt? Manchmal verbringe ich nämlich mehr Zeit mit Kürzen als mit Schreiben.

Wer weiß, was 2023 bringen wird

Mache Leserinnen erzählen mir ihre Lebensgeschichte – und wie durch ein Wunder haben diese Geschichten viel mit dem Thema meines nächsten Romans zu tun. Wer weiß, was 2023 bringen wird. Aber dieses Gefühl der Verbundenheit, das wir uns durch schreiben und darüber sprechen erschaffen haben, das bleibt. Ein tiefempfundenes Danke dafür – lassen Sie uns zuversichtlich starten!