Die Grundsteuerreform wird für Immobilienbesitzer einiges verändern. Was genau, zeigt sich nicht zuletzt beim Finanzamt. Zumindest ansatzweise, denn noch lassen sich nicht alle Fragen beantworten. Aber das Ziel ist klar definiert: „Zum 30. Juni 2024 alles abgearbeitet zu haben, damit die Kommunen rechnen können“, das wünscht sich Solveig Elze, die Leiterin des Singener Finanzamtes. Denn zum 1. Januar 2025 soll in ganz Deutschland die neue Grundsteuer in Kraft treten. Diese Aufgabe sorgt für Mehrarbeit in den Amtsstuben.

Verfassungsgericht hat Neuordnung angestoßen

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Grundsteuer in der bisherigen Form mit dem Einheitswert als Berechnungsgrundlage im April 2018 für verfassungswidrig erklärt. Maßgebend für den Grundstückswert und in Folge für die Grundsteuermesszahl ist in Baden-Württemberg die Größe des Grundstückes und der von den Gutachterausschüssen festgelegte Bodenrichtwert. Die Bebauung des Grundstückes spielt künftig keine Rolle mehr.

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Das war bisher anders, denn da war es egal, ob auf einem großen Grundstück ein kleines Einfamilienhaus steht oder ein Mehrfamilienhaus, das vielen Menschen ein Zuhause bietet. Die Grundsteuerreform wird von der Politik auch als Signal zur Nachverdichtung genutzt.

Eigentümer müssen Erklärung abgeben

Damit die Finanzämter die für die Neuberechnung des Grundstückswertes erforderlichen Angaben bekommen, wurden die Grundstückseigentümer aufgefordert, eine sogenannte Feststellungserklärung abzugeben. Somit hatte das Finanzamt Singen im vergangenen Jahr für 103.000 wirtschaftliche Einheiten in seinem Einzugsbereich, 87.000 entfallen auf Grundvermögen (Grundsteuer B) und 16.000 auf Land- und Forstwirtschaft (Grundsteuer A) bei den Eigentümern diese Erklärungen anzufordern.

„Insbesondere die Tatsache, dass die Erklärung, wenn irgend möglich, digital abgegeben werden sollte, ließ unsere Telefone heiß laufen“, berichtet Elze: „Aber unsere Mitarbeiter konnten in den Telefonaten mit den Bürgern vieles vernünftig und ruhig besprechen“.

Rund 83 Prozent der Erklärungen sind bearbeitet

Überrascht sind sie und der Abteilungsleiter der Grundstückswertstelle, Andreas Bernhart, vom bisherigen Rücklauf. „Wir haben einen Eingang bei den Erklärungen von insgesamt 92.000, was rund 90 Prozent entspricht. Davon entfallen auf die Grundsteuer B 77.000“, so Bernhart. 72.000 Fälle hätten die 24 Mitarbeiter bereits bearbeitet und die neuen Grundsteuerwert- und Messbescheide verschickt. Das entspricht rund 83 Prozent.

„Die Mitarbeiter sind alle sehr motiviert und haben gute Arbeit gemacht“, so Bernhart. Dabei werde der Grundsteuer B momentan Vorrang eingeräumt. „Die Einnahmen aus der Grundsteuer A sind für die Kommunen eher unbedeutend“, erklärt Bernhart.

Da die Grundsteuermessbescheide den Gemeinden künftig nur digital zugehen, werden die Grundsteuerakten hinter Nicole Glombik, ...
Da die Grundsteuermessbescheide den Gemeinden künftig nur digital zugehen, werden die Grundsteuerakten hinter Nicole Glombik, Sachbearbeiterin bei der Gemeinde Hilzingen, bald nicht mehr gebraucht. | Bild: Elisabeth Stauder

Alle noch offenen Steuererklärungen für die Grundsteuer B wurden bis Ende Juli angemahnt. Zwangsgelder wurden bisher landesweit noch keine verhängt – also auch nicht im Hegau. Allerdings ist ab Anfang Oktober mit Schätzungsankündigungen zu rechnen. „Die Ergebnisse von Schätzungen sind für den Steuerpflichtigen sicherlich von Nachteil“, deutet Solveig Elze an.

Neben den Steuererklärungen sind nun auch die mittlerweile eingegangenen Einsprüche zu bearbeiten. Gegen ein Drittel aller Bescheide wurde bisher Einspruch eingelegt, im Wesentlichen wegen der angeblich fehlenden Verfassungsmäßigkeit des Grundsteuergesetzes und der Höhe der Bodenrichtwerte. Da beim Finanzgericht im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit bereits eine Klage anhängig ist, verweist das Finanzamt auf diese Klage und ein Einspruch führt zum Ruhen des Verfahrens. Die Höhe der Bodenrichtwerte kann nur durch den zuständigen Gutachterausschuss korrigiert werden.

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Kommunen warten auf die Ergebnisse der Finanzämter

Eine zügige Bearbeitung liegt auch im Interesse der Kommunen, wie auf Nachfrage bestätigt wird, denn sie müssen dann noch die künftigen Hebesätze festsetzen. „Wir wollen unser bisheriges Steuervolumen beibehalten, aber eine Auswertung mit den neuen Messbeträgen ist erst sinnvoll, wenn mehr als 90 Prozent der Fälle vorliegen“, verrät Verena Manuth, Kämmerin der Gemeinde Rielasingen-Worblingen.

Auch Regina Winkert von der Gemeinde Gottmadingen erklärt: „Für die Hebesatzdiskussion müssen wir die Auswirkungen der Verschiebungen kennen. Ich bezweifle, ob die Neubewertung der Grundstücke die Ausfälle beispielsweise bei den Eigentumswohnungen und Gewerbehallen auffängt.“ Hilzingens Bürgermeister Holger Mayer, Mühlhausen-Ehingens Kämmerer Kurt Fürst und die Pressestelle der Stadtverwaltung Singen bestätigen, dass die Beratung im Gemeinderat über die künftigen Hebesätze erst Sinn macht, wenn nahezu 100 Prozent der künftigen Messbeträge vorliegen und sie dies vor dem dritten Quartal 2024 nicht für möglich halten.

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Wenn der Hebesatz feststeht, weiß der Steuerpflichtige, was künftig zu zahlen ist. Trotz der vom Bundes- und Landesgesetzgeber ausgesprochenen Erwartung, dass die Reform aufkommensneutral sein soll, wird es zu Verschiebungen bei der Belastung der Steuerpflichtigen kommen. Darüber sind sich die Kommunen einig.