Während in Berlin wieder einmal Bund und Ländern um Lösungen in der Flüchtlingsfrage rangen, lud der Singener CDU-Stadtverband zur Diskussion unter dem Motto „Migration – überfordert sie unsere Kommune?“ ins Singener Bildungszentrum ein. Schon die Formulierung dieser Frage wurde zum Diskussionsthema an diesem Abend. Und es sollte nicht der einzige kontroverse Punkt bleiben. Gleich zu Beginn des Abends zeigte sich anhand einer Umfrage unter den Gästen, dass das Publikum die Eingangsfrage mit großer Mehrheit für die Stadt Singen bejaht.
Publikum befürchtete eine Überforderung
Auf dem Podium haben mit Klaus Danner, Marcel Da Rin und Bernhard Grunewald drei ausgewiesene Experten, die aus ihrer täglichen Erfahrung berichten konnten, neben Moderator Tobias Herrmann Platz genommen. Danner war lange Jahre im Polizeidienst tätig und ist nach seinem Eintritt in den Ruhestand seit sechs Jahren als ehrenamtlicher Ombudsmann für die Flüchtlingserstaufnahme in Baden-Württemberg beratend tätig. Bei Fragen zur Unterbringung, Versorgung und Betreuung von Flüchtlingen in den zwölf Landeserstaufnahmeeinrichtungen kann sich jeder Betroffene, ob Flüchtling, Mitarbeiter, Ehrenamtlicher oder Anwohner, an ihn wenden.
Danner sieht beim Thema Migration in erster Linie die Politik gefordert, die ein Maßnahmenbündel schaffen und das Problem an der Wurzel anpacke müsse, um die Bevölkerung nicht zu überfordern. Vielerorts würde die Situation ähnlich wie in Singen angesehen. Wichtig sei es, künftig schnell und unbürokratisch über das Bleiberecht der Geflüchteten zu entscheiden und jenen, die Hilfe verdienten, diese auch zukommen zu lassen.
Gleichzeitig wünschte er sich, dass die willigen europäischen Länder gemeinsam an Lösungen arbeiteten, damit diejenigen aufgenommen würden, die berechtigt seien und auch den Rückhalt in der Bevölkerung hätten.
Zahlen zeigen zunehmende Sicherheit
Marcel DaRin, der seit 13 Jahren die Stabstelle Kriminalprävention der Stadt Singen leitet, erklärte es als eines der vorrangigen Ziele seiner Stelle, das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung in Singen zu erhöhen. Hier gebe es eine deutliche Diskrepanz zwischen der effektiven Zahl an Delikten und dem Eindruck, den die Bevölkerung habe.
Die Fallzahlen gingen entgegen der Meinung vieler nicht hoch und die Chance, in Singen einem Raubdelikt zum Opfer zu fallen, sei sehr gering. Er wies auch auf die Situation der in erster Linie arabischstämmigen Geflüchteten hin, die durch den Konflikt zwischen zwei syrischen Großfamilien unberechtigterweise unter Generalverdacht gestellt würden.
Stadt mit langer Zuwanderungstradition
Respekt sei der Dreh- und Angelpunkt der Flüchtlingsarbeit, erklärte Bernhard Grunewald an diesem Abend und erinnerte gleichzeitig an die Tradition der Stadt Singen als Zuwanderungsstadt aufgrund der Ansiedlung der großen Industriebetriebe im 19. Jahrhundert. Mittlerweile habe jeder zweite Singener Einwohner einen Migrationshintergrund.
Der 71-Jährige begann sein Engagement für Geflüchtete 2015 während der ersten Flüchtlingswelle im Verein Integration in Singen (Insi) und übernahm 2020 dessen Vorsitz. Er wünsche sich mehr Mit- und Füreinander in der Begegnung mit Flüchtlingen.
Der eine will unterstützen, der andere fürchtet die Belastung
An den Wortmeldungen aus dem Publikum ließ sich die große Bandbreite an Meinungen zum Thema erkennen. Vom Anwalt für Migrationsrecht, der seit Jahren im Verein Insi mitarbeitet und dazu aufrief, den direkten Kontakt mit den Geflüchteten zu suchen und sich ihre Lebensumstände vor Ort anzusehen, bis zum Singener, der sich um die Staatsverschuldung aufgrund der Belastung durch Migration sorgte und sich in seiner Heimatstadt nicht mehr wohl fühle. Er stellte auch die Frage, wie es sein könne, dass in Gottmadingen ein Flüchtlingsheim für mehr als 2 Millionen Euro gebaut werde, während es in die Schule seiner Tochter rein regnete.
Klimaflüchtlinge kommen noch dazu
Einig waren sich alle Beteiligten in dem Punkt, dass die Eingliederung in den Arbeitsmarkt der Schlüssel zur Integration sei. Hierfür sei der Erwerb von Sprachkenntnissen zwingend notwendig. Auch in der Forderung nach Bürokratieabbau und einer Änderung der Gesetzeslage, um Geflüchtete schneller dem Arbeitsmarkt zuzuführen, war sich die Runde einig.
Dass solche Diskussionen in Zukunft noch härter werden könnten, darauf wies Bernhard Grunewald abschließend hin. Denn zukünftig müsse Deutschland neben den Flüchtlingen und Migranten, die jetzt schon kämen, mit einem weiteren Zustrom rechnen: den Klimaflüchtlingen, deren Heimat aufgrund des Klimawandels nicht mehr bewohnbar sein werde.
Die Stadt Singen bietet Bürgern die Möglichkeit, unkompliziert und digital unter www.buergermeldungen.com/Singen über Probleme im öffentlichen Raum zu berichten.