Mehrere Beamte haben sich am Freitagabend um 20 Uhr um Thomas Krebs geschafft. Der Polizeichef leitet an diesem Abend den Einsatz zur Kontrolle der wiederaufkeimenden Tuningszene. 15 Beamte und zwei Polizeihunde werden sich diese Nacht um die Ohren schlagen.

Einsatzkräfte der Singener Polizei besprechen die Lage auf dem Aral-Tankstellengelände.
Einsatzkräfte der Singener Polizei besprechen die Lage auf dem Aral-Tankstellengelände. | Bild: Trautmann, Gudrun

Während die Einsatzkräfte sich verteilen, beginnen Harald Seeberger und Michael Weckenmann von den Technischen Diensten im Eiltempo, die Zufahrten zum Obi-Kreisel in der Südstadt abzusperren. Die Barrieren sollen verhindern, dass sich die Tuningszene hier wieder etabliert. Es gleicht einem Katz- und Maus-Spiel, das sich die Liebhaber aufgemotzter Autos regelmäßig freitags an schönen Sommerabenden liefern.

Die Szene kehrt wie aus dem Nichts zurück

Zuletzt war es ruhig geworden, nachdem die Stadt, die Polizei und auch die Schaffhauser Kantonspolizei gemeinsam gegen Raser und Poser vorgegangen waren. Warum die Szene Ende Juni wie aus dem Nichts zurückgekehrt ist, kann sich kaum jemand richtig erklären.

„Es gab in der Corona-Zeit nicht viele Möglichkeiten für junge Leute im Grenzgebiet, sich zu treffen“, sagt der Leiter des Singener Ordnungsamtes Marcus Berger. „Das wird jetzt nachgeholt.“

Was vor Jahren mit harmlosen Treffen junger Hobby-Schrauber auf dem Parkplatz eines Baumarktes begann, entwickelte sich zu einem Schaulauf PS-starker Boliden. Ferrari, Lamborghini, Porsche & Co sind dabei keine Seltenheit. Deren Fahrer sind oft junge Erwachsene, die ihre gesamte Aufmerksamkeit und häufig ihren kompletten Lohn in ihr Hobby stecken. Dabei spielen vor allem der starke Motor und der röhrende Auspuff eine Rolle.

Aus dem Staunen und Fachsimpeln der Tuner auf den Parkplätzen wurden waghalsige Drifts und Wettrennen der Poser und Raser in der Südstadt. Singen war plötzlich Kult in der Tuning-Szene. Fahrer aus ganz Baden-Württemberg und besonders aus der Schweiz verstopften die Straßen rund um die Kreisverkehre.

Zentrum war der Obi-Kreisel, auch weil er von beliebten Schnellrestaurants umgeben ist. Zuschauer verfolgten das Geschehen vom Campingstuhl aus. Die Sache lief aus dem Ruder. Die Anwohner fanden keine Ruhe mehr. Die Beschwerden im Singener Rathaus häuften sich.

2015 gab es erstmals Sperrungen

Die Stadt reagierte. „2015 war es zum ersten Mal so heftig, dass wir den Kreisel sperren mussten“, erinnert sich Marcus Berger. Es war auch die Zeit der ersten großen Einsätze zusammen mit der Schaffhauser Kantonspolizei.

Die Stadt hatte versucht, die Szene mit Tempolimits von 30 Stundenkilometer ab 20 Uhr am Freitag abzuschrecken; doch das reichte nicht aus. Die gefährlichen Rennen gingen weiter. „Wir mussten handeln“, sagt Oberbürgermeister Bernd Häusler.

„Erst die Null-Toleranz-Politik führte zum Erfolg.“ Massive Kontrollen, Absperrungen und hohe Bußen führten 2016 schließlich zu einer Beruhigung der Szene. Bis jetzt.

Die Aral-Großtankstelle wurde vor gut zwei Wochen so mit Fahrzeugen zugeparkt, dass dort nichts mehr ging.

21 Absperrschranken – ein Knochenjob

Um eine Wiederholung zu verhindern, griff die Stadt zusammen mit der Polizei wieder zum drastischen Mittel der Straßensperrung. Ein Knochenjob für Harald Seeberger und Michael Weckenmann von den Technischen Diensten. 21 Absperrschranken mit Bodenplatten zu je 50 Kilogramm stellen die Männer innerhalb kürzester Zeit auf.

Echte Knochenarbeit: Harald Seeberger und Michael Weckenmann (von links) platzieren insgesamt 21 Barrieren.
Echte Knochenarbeit: Harald Seeberger und Michael Weckenmann (von links) platzieren insgesamt 21 Barrieren. | Bild: Trautmann, Gudrun

Der Erfolg stellt sich am Freitagabend sofort ein. Zwar gibt es kurzfristig wilde Wendemanöver, aber nach und nach leert sich der neuralgische Kreisel. Und offenbar hatte es sich in der Szene schon rumgesprochen, dass der Obi-Kreisel unter starker Polizeipräsenz abgeriegelt wird.

Nur wenige Tuningfreunde sind gekommen. Eine Gruppe junger Schaffhauser ist nach eigenen Aussagen nur wegen des Hähnchenbraters vor Ort. Bereits um 21 Uhr herrscht eine ungewöhnliche Ruhe.

Vereinzelt haben sich Vertreter der Tuningszene noch in die Georg-Fischer-Straße verirrt. Doch am Obi-Kreisel hieß es: wenden.
Vereinzelt haben sich Vertreter der Tuningszene noch in die Georg-Fischer-Straße verirrt. Doch am Obi-Kreisel hieß es: wenden. | Bild: Trautmann, Gudrun

Für den Singener Polizeichef Thomas Krebs ist bereits um 23 Uhr klar: „Der Einsatz ist ein voller Erfolg.“ Trotzdem können er und seine Kollegen die Zelte erst weit nach Mitternacht abbrechen. „Wenn wir jetzt einpacken, spricht sich das sofort rum.“ Das würde bedeuten, dass die Szene gleich zurückkehren würde.

Am Ende dieser Nacht haben die Beamten nur zwei Ordnungswidrigkeiten aus der Tuningszene wegen abgefahrener Reifen zu vermelden.

Erneute Sperrung am kommenden Freitag

In die Radarfallen der Stadt sind mehr als 100 Autofahrer getappt. „Das waren aber alles Normalbürger, die nicht an das 30-er Tempolimit gedacht haben“, so Marcus Berger. „Wir werden die Szene weiter ganz genau beobachten und jeweils entsprechend reagieren“, sagt Bernd Häusler. Am kommenden Freitag will er den Kreisel noch einmal sperren lassen: „Danach sehen wir weiter.“