Die Kommunalwahl steht vor der Türe und für viele Jugendliche in ganz Baden-Württemberg – und damit auch im Hegau – bedeutet dies eine Premiere: Denn zum ersten Mal dürfen sie wählen. Jugendliche im Alter von 16 Jahren können im Juni bei den Europa- und Kommunalwahlen ihre Stimme abgeben. Doch warum sollte man überhaupt wählen gehen? Und was sind die Vorstellungen der Jugendlichen, wenn es um die Kandidaten geht? Der SÜDKURIER hat sich mal unter den jungen Erstwählern umgehört.

Viele Jugendliche sind der Meinung, wählen zu gehen, sei eine gute Lösung, um repräsentiert zu werden und mitbestimmen zu können. Felix Jäckle wird am 9. Juni zum ersten Mal seinen Stimmzettel an einer Wahlurne abgeben. Er ist 16 Jahre alt und besucht die neunte Klasse des Friedrich-Wöhler-Gymnasiums (FriWö). Er sehe es als Möglichkeit, etwas zu verändern, sagt Felix im persönlichen Gespräch.

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Die befragten Jugendlichen schätzen ihren persönlichen Einfluss zwar nicht sehr hoch ein, sind sich jedoch sicher, dass sie als größere Gruppe viel bewegen könnten. Niklas Hugenschmidt, 16 Jahre alt und ebenfalls Schüler des FriWö, ist der Überzeugung, dass für eine bessere Vertretung der Jugendlichen ihre Wahlbeteiligung steigen müsse. Auch für Meike Rieger ist es das erste Mal, dass sie wählen geht. Sie ist 16 Jahre alt und besucht die zehnte Klasse des FriWö. Für sie ist es wichtig, die Möglichkeit zu haben, ihre Stimme abzugeben und möglicherweise eine jugendfreundliche Kommunalpolitik zu ermöglichen.

Erstwähler Niklas Hugenschmidt, 16 Jahre alt
Erstwähler Niklas Hugenschmidt, 16 Jahre alt | Bild: Saskia Deiringer

Was sagen die Schulleiter dazu

Auch die Schulleiter vertreten den Standpunkt, dass es sehr wichtig sei, dass die Jugendlichen wählen und ihre Meinung zum Ausdruck bringen. Sabine Beck, Schulleiterin des FriWö in Singen, sagt, dass der Einfluss der Jugendlichen noch zu gering sei und ihnen zu wenig zugetraut werde. „Deshalb sollten alle Jugendlichen, die alt genug sind, von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, um am Aufbau ihrer eigenen Zukunft mitzuwirken.“

Bedenken wegen des jungen Alters der Erstwähler hat Thomas Umbscheiden, Schulleiter des Gymnasiums Engens, nicht. „Jugendliche sollen nach meiner Meinung nicht nur wählen dürfen, sondern auf kommunaler Ebene mehr Verantwortung bekommen und das durchaus schon im jugendlichen Alter“, so der Schulleiter.

Karin Schoch-Kugler, Schulleiterin der Robert-Gerwig-Schule Singen, schließt sich der Meinung von Umbscheiden an. „Erwachsene neigen dazu, die politische Kompetenz der jüngeren Menschen zu unterschätzen“, sagt Schoch-Kugler. Sie sieht die Schulen hier in der Pflicht, die Schüler zu befähigen, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden, die mit dem Einfluss bei den Wahlen, den sie sehr hoch einschätze, verbunden sei.

Wählen-aber wen denn?

Wenn es zur Wahl geht, sind Authentizität, Bevölkerungsnähe, Vertretung der Jugend und Vertrauen den Jugendlichen bei Kandidaten sehr wichtig. Sie sollten ihre Wahlkampfversprechen halten und Projekte für etwa den Umweltschutz umsetzen. Meike Riegers Aussage, die Jugendlichen sollten den Politikern nicht egal sein, fasst treffend das Hauptanliegen aller befragten Erstwähler zusammen: Der Wunsch, gehört und in die Kommunalpolitik eingebunden zu werden.

Erstwählerin Meike Rieger, 16 Jahre alt
Erstwählerin Meike Rieger, 16 Jahre alt | Bild: Saskia Deiringer

Niklas Hugenschmidt geht im Gespräch noch genauer auf die Bevölkerungsnähe ein. Er sagt, es sei wichtig, dass keine Grenze zwischen Bevölkerung und Politikern entstehe.

Informationsquelle Internet

Um herauszufinden, welche Kandidaten am besten zu ihren Vorstellungen passen, dient neben der Tageszeitung, dem Fernsehen, dem Politikunterricht und dem persönlichen Umfeld vor allem auch Social Media als Informationsquelle für Jugendliche. Auf Social Media sei ins Besondere die Tagesschau eine hilfreiche Anlaufstelle, wenn es um Politikthemen gehe, so Kathryn Relling, Schülerin des Friedrich-Wöhler-Gymnasiums. Durch die Möglichkeit, auf schnelle Art und Weise wichtige Themen zu verbreiten, könnten viele Menschen, vorwiegend Jugendliche, effizient durchs Internet erreicht werden.

Schülerinnen des FriWös in Singen (links) Donjeta Brisa und (rechts) Kathryn Relling erklären, weshalb es wichtig ist, dass Jugendliche ...
Schülerinnen des FriWös in Singen (links) Donjeta Brisa und (rechts) Kathryn Relling erklären, weshalb es wichtig ist, dass Jugendliche von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. | Bild: Saskia Deiringer

Jedoch gibt es wie bei vielen Thematiken auch eine Kehrseite der Medaille. Eine große Reichweite kann schließlich auch genutzt werden, um Unwahrheiten zu verbreiten oder Menschen zu manipulieren. „Die Gefahr besteht darin, dass vor allem extreme Gruppen Jugendliche hier sehr stark und einseitig beeinflussen“, drückt es Thomas Umbescheiden aus.

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Sabine Beck sieht neben den wichtigen Informationen auch den „Müll, der daneben liegt“ im Internet. Diesen Schrotthaufen müsse man erst einmal durchwühlen, um fündig zu werden. Eben weil Fake News sehr präsent seien, sieht Karin Schoch-Kugler es als Aufgabe der Schule, ihre Schülerinnen und Schüler hinsichtlich ihrer Medienkompetenz zu schulen. Die Schule sei außerdem der wichtigste gesellschaftliche Ort, an dem Demokratie vermittelt werden könne. Sowohl Schüler als auch Schulleiter sind zudem der Meinung, dass alle Medien manipulierbar seien und Fehlinterpretationen zulassen würden.

Wie Schulen die Jugendlichen zum Wählen motivieren

In Hinsicht auf die Art und Weise, die Schüler zum Wählen zu motivieren, unterscheiden sich die drei Schulen in einigen Aspekten. So hat das Gymnasium Engen Kooperationen mit dem Jugendgemeinderat und der Verwaltung der Stadt Engen. Das FriWö organisiert Besuche von Abgeordneten, die den Schülern in einem persönlichen Gespräch Fragen beantworten und laut der Schulwebsite des FriWö ihnen einen Einblick „in die reale Welt“ von politischen Prozessen geben. Die Robert-Gerwig-Schule hingegen hat einen Demokratiebeauftragten, der diesbezüglich sowohl die Lehrer schult als auch die Schüler sensibilisiert.

Schulleiterin Sabine Beck vom Friedrich-Wöhler-Gymnasium in Singen
Schulleiterin Sabine Beck vom Friedrich-Wöhler-Gymnasium in Singen | Bild: Freißmann, Stephan

Was alle Schulen gemein haben, ist die Aufklärung durch den Politikunterricht über aktuelle Themen oder geschichtliche Hintergründe. Ein häufig genutztes Mittel der Schulen sind außerdem die Jugend- oder Juniorwahlen. Bei diesen Wahlen können Kinder und Jugendliche ihre politischen Prioritäten angeben, sowie ihre Fragen und Wünsche kundtun, so schreibt es die Homepage der U18 Jugendwahl.