In einem Land, in dem Menschenrechte mit Füßen getreten werden als wären sie ein Fußball, beginnt mit dem Eröffnungsspiel Katar gegen Ecuador am 20. November die viel diskutierte Fußball-Weltmeisterschaft im Wüstenstaat. Hashtags wie #KeinKatarInMeinerKneipe und der Boykott der WM von Traditionsklubs aus dem ganzen Land wie dem Karlsruher SC oder dem 1. FC Sankt Pauli sprechen Bände. Eine weitere Besonderheit dieser WM ist der Zeitpunkt: Sie findet nicht wie sonst im Sommer, sondern in der kalten Jahreszeit statt.

Wird man die Spiele dennoch im Hegau gemeinsam in der Kneipe oder auf der Großleinwand sehen können? Kommt trotz schlechter Vorzeichen WM-Stimmung auf? Wir haben bei Gastronomen und Vereinen nachgefragt.

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Die Stadt Singen wird aufgrund der Temperaturen und der derzeit horrenden Energiekosten kein Public Viewing anbieten, wie der Pressesprecher der Stadt Stefan Mohr erklärt. Public Viewing bezeichnet das gemeinsame Schauen auf Großleinwand an einem öffentlichen Ort. Das gemeinsame Fußball schauen im Freien ist in Singen also nicht möglich. Bleiben Gastronomen, die ihre Kneipen, Clubhäuser oder Bars dafür öffnen können.

Zusammenfinden nach Corona

Cemil Yegin ist seit 17 Jahren Gastronom in der Stadt und betreibt unter anderem Willy‘s Sportsbar. Dort werden sämtliche Spiele zu sehen sein. „Die Entscheidung, dass die WM in Katar stattfindet, liegt über zehn Jahre zurück“, sagt Yegin. „Ich will einfach, dass die Leute wieder zusammenfinden. Schon Corona hat die Leute auseinandergetrieben. Wir brauchen nach der langen Zeit mal wieder Normalität.“

Der Betreiber von Willy‘s Sportsbar fährt fort: „Ich werde denen, die die Spiele sehen wollen, auf jeden Fall eine Plattform bieten und die deutsche Community unterstützen.“ Für die deutschen Spiele wird früher geöffnet sein. Sogar die Speisekarte will Yegin hin und wieder den Spielen anpassen und zum Beispiel Currywurst anbieten.

Clubheime haben Herz für Fußballfans

Verschlossen hingegen bleibt das Zelt des 1. FC Rielasingen-Arlen, das für öffentliche Veranstaltungen da ist. Doch die Spiele der Weltmeisterschaft werden darin nicht zu sehen. Anders ist das im Clubheim: Ähnlich wie im Clubheim des FC Singen 04 „Zum Elfer“ werden auch in Rielasingen die Spiele mit deutscher Beteiligung gezeigt. „Die deutschen Spiele werde ich auf jeden Fall zeigen, bei den anderen bin ich noch nicht sicher“, sagt Andreas Piller, der Betreiber des Clubheims „Pilles Treff“.

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Im „Move“-Gesundheitsstudio in Singen, wo bisher WM- und EM-Spiele gezeigt wurden, ist man sich noch uneins, wie man mit der WM in Katar umgehen will. Nicht nur die Belegschaft, auch die Mitglieder werden darüber noch entscheiden, sagt Geschäftsführer Stefan Burkart.

Ebenfalls Unsicherheit herrscht noch beim Hegauer FV in Engen. Hier gilt sie jedoch eher der Technik: „Wir sind nicht sicher, ob die Fernseher rechtzeitig kommen. Wenn sie kommen, zeigen wir die Spiele“, so Michael Rösch aus der Vorstandschaft des Vereins. Er fügt hinzu, dass es für das neu bezogene Clubhaus ein guter Probelauf wäre für die Einweihung im nächsten Jahr.

„Bei der WM geht es nur ums Geld“

Der SC Gottmadingen-Bietingen verzichtet ganz auf die Übertragung der Spiele. Wer die Spiele nicht vor dem heimischen Fernseher erleben will, kann dafür ins „Alibi“ ausweichen, unweit des Gottmadinger Bahnhofs. Hier werden nahezu alle Spiele gezeigt, und für Spiele mit deutscher Beteiligung auch die Öffnungszeiten angepasst.

Noch sind die Bildschirme im Gottmadinger „Alibi“ schwarz. Doch wenn die WM beginnt, rollt der Ball auch dort.
Noch sind die Bildschirme im Gottmadinger „Alibi“ schwarz. Doch wenn die WM beginnt, rollt der Ball auch dort. | Bild: Rasmus Peters

Dass die Cocktailbar trotzdem unter dem Hashtag #KeinKatarInMeinerKneipe gelistet wird, ist für Inhaber Ali Demir „Schwachsinn“. Er wundert sich, wie seine Bar überhaupt auf einer Liste der Kneipen gelandet ist, die sich klar gegen die Übertragung der Spiele aus Katar stellen.

Zur sportlichen Einschätzung sagt Demir: „Am liebsten würde ich die WM wirklich boykottieren. Es geht nur ums Geld. Die sollen sich erstmal richtig qualifizieren.“ Dass die WM in November und Dezember stattfindet, kommentiert er mit den Worten: „Im Winter habe ich auch so genug Kundschaft.“

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Ob das Fußball-Muffel an die Bildschirme lockt?

Im Vergleich zu Sommer-Weltmeisterschaften fällt die Fußball-Begeisterung in diesem Jahr bedeckt aus. Die kalten Temperaturen und die weit auseinanderliegenden Anstoßzeiten der Spiele zwischen 11 Uhr und 20 Uhr hemmen die befragten Gastronomen, ihren Betrieb auf das Ereignis umzustellen. Denn das wäre mit zusätzlichen Energie- und Personalkosten verbunden.

Bei Weltmeisterschaften trotzen normalerweise selbst Fußball-Muffeln dem Sport etwas Begeisterung ab. Dieses Mal ist es fast umgekehrt: „Es wird nicht eine WM werden wie bisher. Normal freue ich mich auf die WM, diesmal muss ich mich fast selber daran erinnern“, fasst es Andreas Piller zusammen.