Supergirl: Kaum jemand in einem bestimmten Alter kennt diesen Song nicht. Und die Geschichte der Band, die damit im Jahr 2000 berühmt wurde, begann in Stockach. An Silvester 1998, vor fast genau 20 Jahren, hatten Reamonn ihren ersten größeren Auftritt im Bürgerhaus Adler Post – ein Auftritt, der einige Folgen hatte, wie sich Uli Kuppel erinnert. Er selbst, der in Orsingen aufgewachsen ist, wurde der erste Manager von Reamonn. Gleichzeitig gründete er seine Firma B612, die bis heute besteht. Und für die Musiker begann eine ungeahnte Erfolgsgeschichte.

Angefangen hatte das alles damit, dass ein irischer Sänger, Rea Garvey, auf der Suche nach einer Band war – per Kleinanzeige. Diese Kleinanzeige habe er gesehen und sei sofort darauf angesprungen, erzählt Mike „Gomezz“ Gommeringer heute: „Ich habe geahnt, wer es ist.“ Nämlich ein Sänger, den er mit der Gruppe Reckless Pedestrians zuvor schon in Radolfzell gehört hatte. Die beiden probten zusammen, und irgendwie kannte einer den anderen.

Uli Kuppel, der spätere Manager, hat mit Gommeringer als Schüler in einer Band gespielt, Ende der 1990er-Jahre veranstalteten beide unter dem Namen B612 Jugendpartys im Bürgerhaus Adler Post. Gommeringer, der aus Eigeltingen stammt, kannte von seiner Schulzeit am Nellenburg-Gymnasium den Stockacher Saxofonisten Sebastian „Sebi“ Padotzke, der damals in Freiburg an der Musikhochschule studierte.

"Plötzlich hängt ein Haufen Jobs davon ab, ob dir ein schönes Liedchen einfällt." Der Stockacher Sebastian "Sebi" Padotzke ist ...
"Plötzlich hängt ein Haufen Jobs davon ab, ob dir ein schönes Liedchen einfällt." Der Stockacher Sebastian "Sebi" Padotzke ist eigentlich Saxofonist, spielte bei Reamonn aber meistens die Tasteninstrumente – weil er eine Hammond-Orgel hatte, die gut zur Musik passte. Das Foto stammt aus dem Jahr 2009. | Bild: Oliver Look

Und weil ein Gitarrist für eine künftige Band gefragt war, rief Gommeringer Padotzke an – der kannte ja eine Menge Musiker. Padotzke empfahl, so erzählt er heute, Uwe Bossert, der damals an der Freiburger Jazz- und Rockschule studiert habe. Und eigentlich wäre die Sache damit für ihn erledigt gewesen. Denn während sich die anderen zur ersten Probe in Stockach trafen, hätte er eigentlich bei einer Hochzeit spielen sollen, erinnert sich Padotzke. Doch: Die Braut sei nicht vor dem Altar erschienen, er habe frei gehabt und sei einfach mit zur Probe gegangen.

Die fand in einem Raum in einem Stockacher Gewerbegebiet statt – unter einer Testanlage für Kegelbahnen. Gommeringer und Padotzke erinnern sich noch lebhaft an das Geräusch der ständig rollenden Kugeln. Am Ende gab eins das andere, aus Garvey, Padotzke, Gommeringer, Bossert und Bassist Philipp Rauenbusch wurde die Band Reamonn – wobei Padotzke, eigentlich Saxofonist, an der Hammond-Orgel saß, die er spaßeshalber mal mitgebracht hatte. „Es treffen sich fünf Leute, die Chemie stimmt und es kommt was Kreatives dabei heraus“, so formuliert es Mike Gommeringer.

Und es kam, über die Freundschaft mit Gommeringer, Uli Kuppel ins Spiel, wie sich Padotzke erinnert. Der hat Ende der 1990er-Jahre in Hamburg bei Motor Music gearbeitet, dem jungen Label des Musikgiganten Universal. „Ich habe ein Demo von Rea in die Hand bekommen“, erzählt Kuppel heute – und er sei sofort überzeugt gewesen. Bei einem ersten Treffen mit ihm hätte er die Zusammenarbeit vereinbart.

Für die Musiker wurde es immer ernster. Kuppel habe ihnen geraten, viel mehr zu proben und sich auf dieses Projekt zu konzentrieren, erzählt Padotzke: „Er war sehr überzeugend.“ Viel kreative Arbeit später sei der erste größere Auftritt in der Adler Post gekommen – an Silvester 1998. „Dann ging alles mega schnell“, erinnert sich der damalige Manager Kuppel. 1999 habe Reamonn einen Plattenvertrag mit Virgin bekommen, einer der großen Adressen im Musikmarkt. Und 2000 startete die Gruppe dann mit dem „Überhit“ (Kuppel) „Supergirl“ durch. „Für mich war das das erste große Ding als Manager“, sagt er – das habe ihm schließlich erlaubt, bei Universal aufzuhören.

Konzertplakat von Reamonn für einen Auftritt in Moskau im Jahr 2004.
Konzertplakat von Reamonn für einen Auftritt in Moskau im Jahr 2004. | Bild: Archiv Sebastian Padotzke

Für die Musiker bedeutete das aber nicht, dass sie sofort Geld verdienten. Padotzke erinnert sich an eine Begebenheit, als sie auf dem Weg zu einem Auftritt ihr Auto tanken wollten: „’Supergirl’ war da schon in den Charts, aber keiner von uns hatte genug Geld in der Tasche.“ Ein Mitarbeiter der Plattenfirma sei dann ins Auto gestiegen, um Tankgeld zu bringen. Und das Musikgeschäft hat seine Spuren hinterlassen, erzählt Padotzke: „Plötzlich hängt ein Haufen Jobs davon ab, ob dir ein schönes Liedchen einfällt.“ Bei Tourneen sei der Mitarbeitertross immer größer geworden, Plattenfirmen hätten den nächsten Hit für ihre Quartalszahlen eingeplant.

Doch das Geschäft mit der Musik habe damals noch ganz anders funktioniert, erzählt Gommeringer. Während heute alle mit Playlisten hantieren, hätten damals die Hörer sich stärker mit der Musik auseinandergesetzt. Und die Gruppe habe 1999 einen kleinen Club in Hamburg gemietet und Mitarbeiter von Plattenfirmen zu einem Konzert eingeladen – praktisch als Vorstellungsgespräch für einen Vertrag. Eigentlich eine verrückte Idee für die fünf Männer aus der südbadischen Provinz, so ist heute mitunter sein Eindruck: „Die Landeier fahren nach Hamburg und laden die Plattenleute ein.“ Funktioniert hat es trotzdem.