Wenn die Fahrbahn der Hauptstraße zur Freiluftbühne wird und auch noch die Abendsonne die Häuser anleuchtet, schafft dies eine besondere Atmosphäre. Das bewegte am Freitag, 5. Juli, auch die rund 140 Gäste, die trotz Fußball-Europameisterschaft lieber bei einer Premiere für Stadtmusik und die städtische Kultur dabei sein und das erste Konzert dieser Art erleben wollten. Manche kamen zwar fußballbedingt etwas später, aber die Klänge, die über das eingezäunte Konzertareal hinaus hallten, zogen immer wieder Neugierige an, die durch die Ritzen schauten, sodass die Zahl der Zuhörer durch diese wortwörtlichen Zaungäste eigentlich noch viel größer war. Hier und da gingen auch Fenster auf.
Obwohl einige hundert Meter weiter am Marktplatz ein Public Viewing stattfand und das Jubeln oder Aufstöhnen der Zuschauer immer wieder herüberklang, ließen sich die Musiker nicht beirren. Sie spielten routiniert und nahmen nach einer Einleitung von Museumsleiter Julian Windmöller die Zuhörer unter dem Titel „Traumklänge – Dalí in Concert“ in die Welt des Künstlers mit.

Wie klingt Dalís Kunst?
Windmöller sagte, die Besucher erwarte ein Abend, der „bewegend, herausfordernd und besonders“ sein werde und wies auf die Neuartigkeit des Konzerts hin, das die Stadtmusik unter Leitung von Musikdirektor Helmut Hubov und das Stadtmuseum konzipiert hatten. „Wie klingt Dalís Kunst, wie klingt sein Leben? Das sind die Leitfragen für dieses Konzert“, sagte Windmöller.
Er erklärte die fünf Bilder, auf die sich die fünf Sätze des Stücks „Dalí“ von Aldo Rafael Forte beziehen. Sie sind Fortes Interpretation, wie die Werke als Musik klingen würden: The Unicorn (Das Einhorn), Don Quijote, Elephant Spatial, The Persistence of Memory (Die Beständigkeit der Erinnerung) und Inferno. Das vierte dieser Bilder sei mit seinen zerfließenden Uhren das wohl bekannteste Bild von Dalí.
Stücke und Atmosphäre faszinieren
Der Abend war rundum ungewöhnlich. Das begann mit dem Ort und zog sich auch durch die Musikstücke, die teilweise sehr melodisch, teilweise aber auch mit gewollt schrägen Tönen aufwarteten. Das Publikum lauschte so gebannt, dass anfangs in den kurzen Pausen zum Wechseln der Notenblätter noch kein Applaus fiel. Mit jedem Stück versanken die Zuhörer mehr in Dalís Welt. Da im Programmheft die fünf Werke zum Stück von Forte abgebildet waren, konnten die Besucher die Kunst gleichzeitig sehen und hören.

Für eine ungeplante Einlage sorgte plötzlich Storch Hans. Er flog während „The Persistence of Memory“ über die Musiker hinweg zu seinem Nest, wo er klappernd in die Musik einstimmte. Auch das entspannende Wasserplätschern des Hans-Kuony-Brunnens mischte sich immer wieder zu den Noten. Und vom Geräusch her recht passend zu den kraftvollen Klängen zum Bild „Inferno“ dribbelte jenseits des Konzertzauns ein Junge mit einem Fußball entlang.
Angeregte Gespräche nach dem Konzert
Im zweiten Teil reisten die Anwesenden musikalisch durch Dalís Leben. Dabei gab es unter anderem ein Medley aus „West Side Story“, da dies aus der Zeit stammt, in dem Dalí den Höhepunkt seines Schaffens gehabt habe, so Windmöller. Die „Circus Polka: For a young Elephant“ von Igor Stravinsky bezeichnete er als das wohl anspruchsvollste Stück des Abends, da es viele Tempowechsel habe. Im immer mehr werdenden Applaus spiegelte sich schließlich die Begeisterung der Besucher wider, von denen viele nach dem Konzert die Gelegenheit nutzten, um noch mit Julian Windmöller und Helmut Hubov ins Gespräch zu kommen.
Kulturamtsleiterin Corinna Bruggaier, die sich gemeinsam mit Wirtschaftsförderin Regina Schlecker um die Bewirtung kümmerte, freute sich über den großen Erfolg des Abends. „Die Atmosphäre und Akustik waren super. So ein Konzert haben wir sicher nicht zum letzten Mal gemacht.“

Das fand auch CDU-Stadtrat Werner Gaiser, während Julian Windmöller bemerkte, dass die Hauptstraße in der Oberstadt zwischen den historischen Gebäuden ein sehr schöner Ort für ein Konzert sei. Er freute sich, wie viele Besucher nach dem Konzert noch verweilten und in kleinen Grüppchen den Abend genossen.
Lob für die Leistung und Stücke
„Ein außergewöhnliches Konzert“, lobte Alt-Bürgermeister Rainer Stolz. Angesichts der knappen Probenzeit der Stadtmusik seit der Schlagerrevue Anfang Mai sagte er: „Nur wenige Musikgruppen wären in der Lage, in so kurzer Zeit so komplexe Stücke zu spielen.“ Bürgermeisterin Susen Katter schloss sich an. „Es ist wie immer beeindruckend, was die Stadtmusik leistet.“ Ihr Mann André hob zudem die „schöne Auswahl an Stücken“ hervor.
Trotz Fußball sei das Konzert fast ausverkauft gewesen, nachdem das Kartenkontingent zwei Mal aufgrund der hohen Nachfrage hochgesetzt worden sei, erklärte Corinna Bruggaier. „Das ist eine Auszeichnung für die Stadtmusik.“ Dank der Technischen Dienste der Stadt war das kleine Konzertareal übrigens nicht nur mittags schnell aufgebaut, sondern auch ruckzuck wieder abgebaut.
Die Ausstellung „Dalí – Paradies und Paranoia“ im Stadtmuseum Stockach ist noch bis zum 17. November zu sehen. Es gibt regelmäßig Führungen und ein Rahmenprogramm mit verschiedenen Veranstaltungen.