Der öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) stand im Fokus der jüngsten Veranstaltung der Reihe „Runder Tisch Mobilität“. Busunternehmer Günther Fecht war bei der Veranstaltung des Umweltzentrums Stockach und des BUND-Ortsverbands Bodman-Ludwigshafen-Stockach zu Gast, da es dieses Mal um die Optimierung des ÖPNV ging.
Im Vorfeld gab es nur wenige Anmeldungen, aber dann wurden sogar fast noch die Stühle in der Buchhandlung knapp. Es handelte sich dabei hauptsächlich um Fachleute aus dem Bereich ÖPNV oder artverwandten Gebieten, mit denen Fecht seine Erfahrungen teilen konnte. Er bewegt von Hindelwangen aus insgesamt 17 Busse im Nahverkehr rund um Stockach. Das Busunternehmen Fecht arbeitet dabei zusammen mit dem Busunternehmer Jörg Schmidbauer aus Singen, welche als Subunternehmer für das Busunternehmen Behringer in Klettgau bei Waldshut-Tiengen tätig sind.
Jörg Schmidbauer war ebenfalls unter den Gästen anwesend und deshalb standen sogar zwei Praktiker zum Erfahrungsaustausch am Tisch zur Verfügung. Und die Praxis sehe heute in jedem Busunternehmen so aus, dass es zu wenig Bewerber mit einem entsprechenden Führerschein gebe und die Kraftstoffpreise hoch seien.
Herausforderungen für Busfirmen
Bei Günther Fecht arbeiten derzeit 30 Busfahrer im Schichtbetrieb. Die nächste größere Herausforderung für Busunternehmer im Landkreis Konstanz bestehe darin, dass der Kreis einen Nahverkehrsplan erstellt und dann alles detailliert vorgibt. Das schränke die unternehmerische Freiheit extrem ein, so Fecht.
Am 1. Januar 2020 habe eine Ausschreibung stattgefunden, welche für acht Jahre gelte. Diese Ausschreibung orientierte sich an den Kosten und nicht an der Klimafreundlichkeit der rollenden Busse. Diese müssten vom Landkreis ausgewählt, bestellt und bezahlt werden. Der Landkreis bestimme also über die Größe und die Antriebsart der Busse oder die Umweltverträglichkeit, kam zur Sprache.
Die Firmen Fecht und Schmidbauer haben sich damals um das Gesamtbudget von 15 Millionen Euro beworben, aber den Zuschlag erhielt die Firma Behringer. Der aktuelle Nahverkehrsplan gilt von 2022 bis 2026 und deshalb bestehe die Optimierungsmöglichkeit des Busunternehmers nur darin, sich innerhalb dieses engen Korsetts noch etwas Luft durch eine effiziente Planung der Fahrzeuge zu verschaffen. Auf den Hauptachsen, zum Beispiel von Stockach nach Radolfzell oder in Richtung Friedrichshafen, sei die Auslastung am höchsten, und unternehmerische Sorgen bereiten hauptsächlich die Nebenachsen, weil sie nicht voll ausgelastet seien.
Ein Einwand einer Teilnehmerin war angesichts dieser Faktenlage die bittere Erkenntnis, dass es sich hierbei um eine reine Planwirtschaft handelt. Dies stimme, denn der öffentliche Personennahverkehr sei ein öffentliches Gut wie Gesundheit oder Sicherheit, für das der Staat zuständig sein sollte.
Die Praxis des Busunternehmers werde beispielsweise auch gestört, wenn sich die Schülerströme plötzlich in eine ganz neue Richtung bewegen müssen, wie es in Eigeltingen der Fall sei. Theoretisch müsste also bereits bei der Planung von neuen Schulen das Nahverkehrskonzept berücksichtigt werden. Ansätze habe es dazu bereits in der Vergangenheit gegeben, wie etwa der Plan zur geografischen Anordnung der Schulen wie eine Perlenkette, welche dann von den Bussen rascher und einfacher abgefahren werden könne. Doch gute Ideen gerieten in einer Planwirtschaft immer bevorzugt in deren Mühlen und verschwänden irgendwann im Archiv, hieß es in der Runde.
Ein weiteres logistisches Problem sei auch der Schulbeginn, welcher ebenfalls wie eine schrittweise aufleuchtende Lichterkette organisiert werden sollte, damit in der Zwischenzeit der Bus genügend Zeit habe, um zum Schulbeginn der nächsten Schule pünktlich dort zu sein. Wenn überall zur selben Zeit Schulbeginn sei, brauche sich keiner über einen Kurzschluss wundern – vor allem, wenn dann noch ein paar Dutzend Eltern-Taxis mitten in die Busparade hineinfahren würden. Ein Teilnehmer erklärte, er habe deshalb seinen Kindern gesagt, dass sie morgens zur Schule laufen müssten.
Fahrkarten-Dschungel droht
Weil es neben den Fußgängern auch noch mehr Radfahrer geben könnte, wäre ein koordiniertes Fahrradkonzept für die Schüler ebenfalls nicht von Nachteil. Und das ist nur ein Teil dieses komplexen Gesamtproblems, welches man in der Kürze der Zeit an diesem Abend nur anreißen konnte. Das Kernproblem öffentlicher Güter sei ihr Preis und deshalb sei das Neun-Euro-Ticket ein riesiger Erfolg.
Ob das mit dem kommenden 49-Euro-Ticket noch einmal gelingen werde, wurde von den beiden Experten des Abends sehr bezweifelt. Das liege absehbar am zu erwartenden Fahrkarten-Dschungel bei diesem Vorhaben, weil jeder beteiligte Partner Einschränkungen auf seinen Linien einbringen wolle. Das führe zu einem Dickicht, in welchem sich schließlich keiner mehr zurechtfinden werde. Weder die Kunden noch die Busfahrer werden das inhaltlich stemmen können, da die Fahrer als Kontrolleure die Tickets überwachen sollten.
Fecht erklärte auch, dass man niemals die ganze Region vollständig bis in jedes Dorf abdecken können werde. Andererseits wüssten viele Bewohner von Gemeinden wie beispielsweise Heudorf gar nicht, wie gut sie eigentlich an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden seien.
Ein Idee aus Neustadt
Die Runde kam schließlich virtuell nach Neustadt an der Weinstraße, wo es ein neues Konzept zur Abdeckung der Lücken im Nahverkehr gibt. Es heißt Mobility on Demand und besteht aus einer App, mit welcher man innerhalb von 12 Minuten einen Tesla im Umkreis von maximal 200 Metern vorfinden könne. Die App berechne aufgrund der Anfragen eine gemeinsame Strecke und arbeite damit alle Mitfahrenden ab. Es handle sich damit um eine Mischung aus Kleinbus und Taxi, wobei ein Tesla nur drei Personen mitnehmen könne. Dieses System habe sich in Neustadt am Wochenende und zu späten Uhrzeiten beim dortigen Weinfest bewährt, werde jedoch absehbar niemals kostendeckend sein, wenn man es nicht optimiert.
Diese Idee aus Neustadt ist richtungsweisend, aber man war in der Heimat auch nicht untätig. In der heimischen Region gebe es als vergleichbares Angebot den Rufbus, und wer keine Stunde mehr Zeit habe, um auf ihn zu warten, der müsse teurere Alternativen wie das Taxi wählen, kam in der Runde auf. Dennoch könnte es sinnvoll sein, sich schon jetzt einmal mit der nächsten Stufe im ÖPNV vertraut zu machen – ob nun in der konzeptionellen Diskussion mit dem BUND oder anderen Organisationen. Mit diesem Vorschlag beziehungsweise Schlusswort endete der Abend, an dem vielen Informationen ausgetauscht wurden.