Die Fünft- und Sechstklässer erleben seit Kurzem wieder ein Stück Normalität: Seit vergangenen Montag dürfen sie wieder die Schule besuchen. Dies ist jedoch nicht ohne Weiteres möglich. Denn auch in Stockach und der Umgebung wurden spezielle Maßnahmen und Regeln festgelegt, um einen erneuten Betrieb vor Ort möglich zu machen. Festgelegt wurden diese Regeln erst kurz vor Wiedereröffnung, was auch zu Problemen führte.
Doch kein Wechselunterricht
„Wir wussten nicht, wie genau die Schulen geöffnet werden“, sagt Holger Seitz, Schulleiter des Nellenburg-Gymnasiums. „Wir waren überrascht, dass es keinen Wechselunterricht geben sollte. Das hatten wir ja vor den Sommerferien 2020, also nach dem allerersten Lockdown, und das hat eigentlich sehr gut funktioniert.“
Erst Ende vergangener Woche war dann klar: Alle Klassen der fünften und sechsten Stufen können zum Unterricht erscheinen. Das soll sich auf Druck der Grünen zwar wieder ändern, aktuell sei es aber wegen dieser Regelung unmöglich, die Abstände von 1,5 Metern, die nach dem ersten Lockdown Pflicht waren, in den Klassenzimmern einzuhalten. Die Details zur Einhaltung der Mindestabstände bleiben aktuell laut der Corona-Verordnung aber ohnehin den Schulen überlassen.
Auf zwei Zimmer könne man die Klassen laut Holger Seitz auch nicht aufteilen, denn einerseits seien viele Räume im Haus nicht frei, weil Lehrer diese für ihre Videokonferenzen mit den anderen Klassen nutzen. Andererseits gelte die Aufsichtspflicht, weshalb man mehr Personal zur Betreuung der Kinder benötigen würde. „Wir bräuchten eigentlich acht weitere Lehrer und acht weitere Räume“, sagt Holger Seitz. „Das war praktisch nicht umsetzbar. Wir nutzen aber die größten Räume für die fünfte und sechste Klasse.“
Maßnahmen gegen die Pandemie
So oder so sei es laut Holger Seitz aber utopisch zu denken, man könne Fünft- und Sechstklässler längere Zeit voneinander fernhalten. Man versuche aber die Klassen untereinander nicht zu vermischen, weshalb es versetzte Pausen, keinen Sportunterricht und keinen vermischten Unterricht gebe, wie in manchen Fächern eigentlich üblich. Zusätzlich gelten alle zuvor bekannten Maßnahmen wie die Maskenpflicht im Gebäude und häufiges Händewaschen.
Seitz und sein Kollegium würden sich als langfristige Lösung eine Art Ampelsystem im Land wünschen, nach dem man je nach Höhe der jeweiligen Infektionszahlen in der Region verschiedene, vorher festgelegte Konzepte befolgen könnte. „Das würde uns Planungssicherheit geben“, so Seitz. „Die jetzige Situation macht es schwierig. Man kann nicht mal auf Sicht fahren und man weiß auch gar nicht, wohin man fährt.“
Die Energie dafür aufrecht zu erhalten sei schwer, das verbrauche Reserven sowohl bei den Lehrern, als auch bei den Eltern. „Eine dauerhafte Planung würde uns Sicherheit geben, an der man sich entlang hangeln könnte“, sagt Holger Seitz. „Alle zwei Wochen etwas zu ändern verbraucht noch mehr Ressourcen.“ Zur Zeit seien zu den Kernzeiten knapp 300 Schüler im Haus, ein Drittel von der Normalkapazität. Nach den Osterferien sollen auch die Klassen 7 bis 11 an die Schule zurückkehren können.
Freie Waldorfschule Wahlwies halbiert die Klassen
Anders handelt man an der Freien Waldorfschule Wahlwies. „Wir haben uns im ersten Schritt für die Halbierung der Klassen 5 und 6 entschieden“, sagt Thorsten Heier, Geschäftsführer der Freien Waldorfschule Wahlwies. „Damit können wir die Abstandsregeln in den Klassenzimmern einhalten.“ Dafür mussten die die Stundenpläne angepasst werden.
Die Freie Waldorfschule Wahlwies ist bereits schon seit dem 22. Februar geöffnet. Seitdem konnten die über 100 Schüler der Klassenstufen 1 bis 4 an die Schule zurückkehren. Auch die Abschlussklassen 12 und 13 arbeiten seit diesem Zeitpunkt wieder im Fernlern-, aber auch im Präsenzunterricht, so Heier. „Den Schülern der Klassen 1 bis 4 können wir seit dieser Woche unter Einhaltung aller Hygieneregeln wieder einen möglichst unbeschwerten Waldorfunterricht in der ganzen Klasse anbieten“, sagt Thorsten Heier. „Über diese Lockerung für unsere jüngsten Schüler freuen wir uns ganz besonders.“ Gerade in der Waldorfpädagogik ginge eben nichts über den Präsensunterricht als beste Form des miteinander Lernens.
Große Belastung für die Verantwortlichen
Doch nicht nur Freude herrscht beim Team um Thorsten Heier. So seien die Vorgaben des Landes auch in der Waldorfschule nicht ohne große Probleme umsetzbar. Durch die Dreifachbelastung mit Präsenzunterricht, Fernunterricht und Notbetreuung seien die Lehrer und die Selbstverwaltung seit Monaten an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Dass dann auch noch der Wahlkampf um die Landtagswahl in die Schulpolitik hineingespielt habe, sei nicht hilfreich gewesen, so Heier.
Und wie geht es nun an der Freien Waldorfschule Wahlwies weiter? „Wie alle Schulen leben wir in unseren Vorblicken ‚von der Hand in den Mund‘,“ sagt Thorsten Heier. „Auch wenn wir uns mehr Planungssicherheit wünschten, was auch unsere Personalressourcen schonen würde, gehen wir davon aus, dass wir unsere Schule im Zweiwochenrhythmus immer wieder umorganisieren müssen.“
Auch pädagogische Fragen standen im Vordergrund
Umorganisieren musste auch der Schulverbund Nellenburg in Stockach. Auch dort habe man im Vorfeld damit gerechnet, dass die Landesregierung sich für Wechselunterricht entscheiden würde. „Da dies nun nicht der Fall war, mussten wir einige organisatorische Anpassungen vornehmen“, sagt Beate Clot vom Schulverbund. Noch mehr im Vordergrund standen aber pädagogische Fragen: „Was brauchen unsere Schüler im emotionalen und sozialen Bereich, um sich nach drei Monaten Lockdown, Fernunterricht und Abgeschiedenheit wieder in der Schule zurecht zu finden und was braucht die Klasse, um sich wieder als Gemeinschaft zu erleben“, so Beate Clot.
Trotz der Krise hätten die Lehrer am Montag aufgeregte und gesprächige Schüler in Empfang genommen. Es sei zu spüren gewesen, dass sich alle über die Schulöffnung und die Begegnung mit ihren Mitschülern und Lehrer gefreut hätten. Die Freude sei größer gewesen, als die Sorge vor einer möglichen Ansteckung.