In vielen Geschäften kommt ab Montag langsam wieder alles ins Rollen. Ein Stück Alltag kehrt zurück. Wie haben die Einzelhändler die vergangenen vier Wochen überstanden? Und wie geht es im sozialen Leben weiter, wenn bis Ende August keine Großveranstaltungen stattfinden dürfen?
Rückblick und Pläne der Händler
Die lokalen Einzelhändler sind froh, dass sie ihre Ladentüren nun wieder unter Auflagen öffnen dürfen. Sie hatten verschiedene Strategien, um die vergangenen Wochen zu überbrücken. Anja Schmidt vom Modegeschäft Wundervoll zum Beispiel stellte ihren Kundinnen auf Wunsch „Wundervoll-Tüten“ zusammen. Diese brachte sie den Frauen vor die Haustür. „Das kam super an“, sagt sie. Die Kundinnen hätten die Sachen zuhause anprobiert und den Betrag für das, was sie behalten wollten, überwiesen.
Diesen Service wolle sie beibehalten. Es gebe schließlich weiterhin Risikogruppen, die sich nicht trauen, gemütlich einkaufen zu gehen. Sie sei gespannt, ob die Menschen jetzt verhalten oder voller Freude auf die geöffneten Geschäfte reagieren. „Ich werde darauf achten, dass nicht mehr als zwei Kundinnen zeitgleich hier sind und da auch rigoros sein.“ Sie werde auf den Sicherheitsabstand achten und auch Mundschutzmasken bereithalten. Auch im Sortiment führt sie jetzt Masken.
Neue Regelungen
Barbara Dorn-Steinhilber vom Modehaus Dorn hat ihre Kundschaft in den vergangenen Wochen auf Wunsch mit einem Überraschungs-Köfferchen besucht. Dadurch habe sie etwas Umsatz gemacht und den Kundinnen sowie sich selbst viel Freude bereitet, erzählt sie. Die aktuelle Lage sieht sie kritisch. Für kleine Läden ergebe sich eine schwierige Verkaufssituation, die Geduld von allen Seiten erfordere. „Wir müssen neue Strukturen finden, das hält uns im Einzelhandel flexibel“, erklärt sie.
Sie führt aus: „Wenn bei mir eine Person drin ist, kann nach der Regelung von einem Kunden pro 20 Quadratmetern keine zweite rein. Das Warten kann dauern.“ Die frühere Krankenschwester hat einen Wunsch: „Ich halte es für eine sinnvolle Entscheidung, wenn Kunden und Personal in kleinen Läden Mundschutz tragen. Das Virus hat sich ja nicht eingerollt, es ist weiter da.“ Neben Handdesinfektionsmitteln hält sie auch eigens genähte Mundschutzmasken zum Verkauf bereit.
Lieferservice der Läden funktioniert
Eberhard Martin von Sport Martin hat keine Sorge wegen der Hygienevorschriften. „Theoretisch dürften bei uns 20 Personen gleichzeitig reinkommen.“ Alle Beschäftigten würden darauf achten, bei der Beratung nicht zu dicht am Kunden zu stehen. Es gebe Mundschutzmasken fürs Team und bis Montag werde er eine Plexiglasscheibe für den Kassenbereich aufstellen. „Wir sind ganz happy, dass wir wieder öffnen dürfen und so vor dem Schlimmsten bewahrt werden“, so Martin.

Der Lieferservice, den er zwischenzeitlich angeboten hatte, sei gut angenommen worden. Auch telefonische Bestellungen hätten funktioniert. Zum vereinbarten Termin habe er die Ware rausgelegt, der Kunde habe das Geld im Kuvert abgegeben – so sei ein kontaktloser Handel möglich gewesen.
Da Zeitschriften zum systemrelevanten Sortiment gehören, hatte Papier Fritz zumindest vormittags geöffnet – auch um den SÜDKURIER zu verkaufen und als Anlaufstelle für Reklamationen für Abonnenten sowie für die Annahme von Kleinanzeigen, wie Michael Fritz ausführt. Natürlich hätten sie sich an die Hygienevorgaben gehalten, also nur zwei Kunden gleichzeitig ins Geschäft gelassen, auf den Mindestabstand geachtet und eine Schutzwand an der Kasse aufgebaut. Die Nachmittage hätten sie zum Renovieren genutzt.
Seine Nachbarin Diana Taddia von „Bücher am Markt“ wird zwar in nächster Zeit noch keine Kulturveranstaltungen machen können, aber sie freut sich, endlich wieder persönlich Kunden im Geschäft zu begrüßen. Internetbestellungen waren für ihre Kunden in der jüngsten Zeit die einzige Möglichkeit, an Lesestoff zu kommen. Auf diesem Weg hat auch Buchhändler Johannes Hirling seine Kunden bedient.

Wo weiter Existenzen bedroht sind
Geschäfte unter 800 Quadratmetern dürfen zwar wieder öffnen, aber die Gastronomie noch nicht. „Die Situation für unsere Gewerbebetriebe ist sehr schwierig, für die Gastronomie ist sie existenzbedrohend“, sagt Matthias Weckbach, Bürgermeister von Bodman-Ludwigshafen. „Wir müssen alles daran setzen, dass wir nach Ende der Einschränkungen weiterhin eine funktionierende Infrastruktur haben.“ Er ruft dazu auf, dass die Bürger zur Sicherung der Infrastruktur das lokale Angebot nutzen.
Was Tourismus und Übernachtungen angeht, sagt er: „Es ist davon auszugehen, dass die Motivation, Urlaub im eigenen Land zu machen, deutlich höher sein wird.“ Es sei aber davon auszugehen, dass viele kurzfristig über das Internet buchen werden. „Wer dort nicht vertreten ist, wird keine Buchungen haben“, so Weckbach. Die Corona-Krise wirke da wie ein Digitalisierungs-Beschleuniger: „Das gilt für alle Lebensbereiche und vor allem auch für die Zimmervermietung. Die Vermieter sollten die Zeit nutzen, sich auf die zukünftigen Anforderungen einzustellen.“
Reisebüros in Not
Klaus Müller, der Geschäftsführer des Reisebüros Stockach, weist darauf hin, dass Reisebüros zwar nicht schließen mussten, aber die Kunden ausblieben. Die Situation sei für die Branche sehr ernst, da es nur Provisionen gebe, wenn Kunden tatsächlich reisen.
„Über alle Branchen wird berichtet, nur über die tausenden Reisebüros, die bereits im Tränenmeer ertrinken, nicht, da egal welche Lockerung kommt, wir kein Produkt haben, das wir aktuell über Monate verkaufen können“, sagt er. Die Schließung betreffe die Reisebüros nicht erst seit Mitte März: „Unsere Früchte, die wir ein halbes Jahr vorher gepflanzt haben, um jetzt in den Reisemonaten zu ernten, erhalten wir nicht.“ Es sei bitter: „Somit haben wir sicherlich sechs Monate oder länger keine Einnahmen.“
Schweizer Feiertag noch ungewiss
Ist der Ausfall von Stockachs Stadtfest am dritten Juni-Wochenende nun tatsächlich besiegelt? Großveranstaltungen muss laut Beschluss der Bundesregierung bis Ende August ausfallen. „Zur konkreten Umsetzung von Veränderungen gegenüber dem Status quo werden wir Entscheidungen treffen und bekanntgeben, wenn die Neufassung der Corona-Verordnung durch das Land erlassen wurde und von uns ausgewertet werden konnte“, antwortet der Stockacher Hauptamtsleiter Hubert Walk auf SÜDKURIER-Nachfrage.
Wenn die Verordnung eintreffe, gehe es so weiter: „Unser Fokus liegt dann zunächst darauf, die Rahmenbedingungen zu Geschäftsöffnungen zu begleiten und die Notgruppenversorgung für Schulen und Kitas zu überprüfen.“ Erst dann würden Schweizer Feiertag und wie es kulturell mit Konzerten, Veranstaltungen und dem Stadtmuseum weitergeht, angegangen. Das solle im Lauf der nächsten Woche sein.
Anweisungen kommen verzögert
Matthias Weckbach bedauert, dass es zeitlich immer so lange dauere, bis Rechtsverordnungen vom Land bei den Gemeinden eintreffen. Das sei in den vergangenen Wochen oft erst freitagabends geschehen. Das mache es sehr schwierig, wenn Dinge wie der Bedarf an Notbetreuung abzuklären seien.