Kleine Krankenhäuser wie jenes in Stockach haben es schwer. Viele von ihnen schreiben rote Zahlen, in der Gesundheitsbranche geht der Trend hin zur Zentralisierung: lieber weniger, dafür große Kliniken. Auch die Folgen der Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sind noch nicht klar abzusehen. Die Zukunft vieler kleiner Krankenhäuser steht auf dem Spiel – auch in Stockach? Das wird auch im Vorfeld der Bundestagswahl wichtig.

Im Geschäftsjahr 2022 lag der Verlust des Stockacher Krankenhauses bei 1,15 Millionen Euro, 2023 bei 1,1 Millionen Euro. Die Stadt glich die Verluste nach einstimmiger Mehrheit im Gemeinderat jeweils aus, eine weitere Kapitalaufstockung von 4,5 Millionen Euro plant sie im aktuellen Haushalt.

Bürgermeisterin Katter fordert Bundespolitik zum Handeln auf

„Das Krankenhaus in Stockach ist ein bedeutsamer Bestandteil unserer Region, denn es sichert die ortsnahe und kompetente medizinische Versorgung unserer Bürgerinnen und Bürger“, so Bürgermeisterin Susen Katter auf SÜDKURIER-Nachfrage. Die Lokalpolitik im Rathaus und Gemeinderat steht eindeutig zum Krankenhaus. „Es ist dringend notwendig, dass die Politik ihrer Verantwortung gerecht wird und endlich eine verlässliche und auskömmliche Krankenhausfinanzierung schafft. Kleine Kommunen dürfen nicht auch noch mit dieser Last allein gelassen werden.“

„Es ist dringend notwendig, dass die Politik ihrer Verantwortung gerecht wird und endlich eine verlässliche und auskömmliche ...
„Es ist dringend notwendig, dass die Politik ihrer Verantwortung gerecht wird und endlich eine verlässliche und auskömmliche Krankenhausfinanzierung schafft“, fordert Bürgermeisterin Susen Katter. | Bild: Dominique Hahn

Doch wie äußern sich die sechs Kandidierenden für die Bundestagswahl dazu? Der SÜDKURIER hat bei ihnen nachgefragt. Während sich alle grundsätzlich für den Erhalt kommunaler Krankenhäuser als Grundversorgung aussprechen, bleiben manche von ihnen die Antwort schuldig, wie das gelingen kann.

Lina Seitzl glaubt an Krankenhausreform der SPD

Die SPD-Abgeordnete Lina Seitzl ist sich sicher, dass die Krankenhausreform ihrer Partei der richtige Schritt für kleine Häuser ist. „Ein kleines Krankenhaus ist kein Selbstzweck, sondern muss die medizinisch notwendige Versorgungsqualität sicherstellen. Die von der SPD durchgesetzte Neuregelung der Krankenhausfinanzierung kann dabei Häusern wie Stockach helfen, weil vom Prinzip der Fallpauschalen abgegangen wird“, erklärt sie.

Ob das wirklich so ist, ist jedoch umstritten. Neben einigen positiven Stimmen kritisiert anderem die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) in einem Artikel des Deutschlandfunks von November 2024, dass die Reform ihre Ziele verfehlen werde.

Michael Hanke, Geschäftsführer des Krankenhauses Stockach, fordert den Erhalt kleiner Krankenhäuser und erklärt, warum sie künftig ...
Michael Hanke, Geschäftsführer des Krankenhauses Stockach, fordert den Erhalt kleiner Krankenhäuser und erklärt, warum sie künftig wichtig bleiben. | Bild: Löffler, Ramona

Auch Michael Hanke, Geschäftsführer des Stockacher Krankenhauses, kritisierte die Reform in der Vergangenheit, da sie kein Krankenhaus vor der Insolvenz retten werde.

Andreas Jung (CDU) fordert Vernetzung und Spezialisierung

Laut CDU-Kandidat Andreas Jung müsse die Vernetzung und Spezialisierung zur Stärkung solcher Häuser unterstützt werden. „Nach Lauterbachs Krankenhausreform müssen generell Weichen neu gestellt werden, um verlässliche Versorgung in der Stadt und im ländlichen Raum dauerhaft zu sichern“, sagt er. Wie genau eine solche Weichenstellung aussehen könnte, führt er im Rahmen des vom SÜDKURIER gesetzten Zeichen-Rahmens nicht aus.

Rosa Buss (Grüne) gegen reine Finanzierung aus Erlösen

Grundsätzliche Kritik am Gesundheitssystem übt die Kandidatin der Grünen, Rosa Buss. „Krankenhäuser allein über Erlöse zu finanzieren, ist kaum möglich“, sagt sie. Kommunen würden deshalb viel Geld in ihre Krankenhäuser stecken, um Defizite in Millionenhöhe auszugleichen.

Hinsichtlich einer Lösung antwortet Buss: „Strukturelle Maßnahmen – abgestimmte Medizinkonzepte und Kooperationen – können helfen, langfristig eine gute Versorgung zu sichern.“

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Ann-Veruschka Jurisch (FDP): Ganzheitliches Konzept für den Landkreis

Die FDP-Abgeordnete Ann-Veruschka Jurisch sagt über das Stockacher Krankenhaus: „Es ist zu wünschen, dass es aufgrund seiner ländlichen Lage weiterhin ins Krankenhauskonzept von Karl Lauterbach passt“, sagt sie.

Damit das klappt, setzt auch sie wie Andreas Jung und Rosa Buss auf Kooperation und Vernetzung. Sie sagt: „Notwendig ist ein ganzheitliches Konzept für den Landkreis Konstanz und angrenzende Landkreise.“

Bernhard Eisenhut (AfD): Kleine Häuser gehören zur Grundversorgung

Deutlich kürzer fasst sich Bernhard Eisenhut (AfD). „Kleine Krankenhäuser sind auf jeden Fall zur Grundversorgung, etwa der Notfallversorgung oder Geburtshilfe, zu erhalten“, so seine Forderung. Allerdings gibt es in Stockach gar keine Geburtshilfe. Und einen Vorschlag, wie das Sichern der Grundversorgung gelingen kann, hat er nicht parat.

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Lars Hofmann (Linke) fordert Alternativen im Ernstfall

Die Partei Die Linke setzt sich laut Kandidat Lars Hofmann dafür ein, kommunale Krankenhäuser im ländlichen Raum zu erhalten. „Auch wenn spezialisierte Behandlungen zentralisiert werden können, muss die Grundversorgung gesichert bleiben“, findet er.

Doch was, wenn das nicht zu finanzieren ist? „Ist der Standort nicht haltbar, müssen kluge alternative Versorgungsstrukturen geschaffen werden“, sagt er. Hofmann wird aber nicht konkret, wie diese aussehen müssten.

Was wünscht sich der Krankenhaus-Chef selbst?

Für Michael Hanke, Geschäftsführer des Stockacher Krankenhauses, ist klar, dass der Blick auf die medizinische Versorgungsrealität in Deutschland vom Wohnort abhängt – ob in der Stadt oder eben auf dem Land. Aber, stellt er klar: „Eine wohnortnahe Daseinsvorsorge ist kein Luxus oder eine Frage des Wohnortes, sondern ein elementares humanitäres Bedürfnis.“

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Ein Zentralkrankenhaus in 50 Kilometern Entfernung, bei dem ein Behandlungstermin im Zweifel erst in einigen Monaten verfügbar ist, sei gerade für viele ältere Mitmenschen „ein Schreckensszenario“. Sowohl bei akuten Schmerzen, chronischen Beschwerden als auch während einer Pandemie. „Hier ist eine schnell erreichbare, rund um die Uhr geöffnete kleine stationäre Einrichtung für die allermeisten Menschen die bessere und qualitativ ausreichende Alternative“, macht er sich für das kleine Krankenhaus stark.

Klar sei, dass ein kleines Haus nicht alle Leistungen anbieten könne. Dann könne man aber in andere Häuser verlegen.

Großer Bedarf an kleinen Krankenhäusern

Hanke sieht für kleine Krankenhäuser sogar einen großen Bedarf. Zwar sinkt laut Hanke der stationäre Bedarf einerseits durch immer mehr ambulante Behandlungen. Andererseits nehme er durch die älter werdende Bevölkerung zeitgleich auch zu. „Die Zulassung von kleinen Krankenhäusern zur ambulanten Behandlung wäre eine Möglichkeit, dieser Entwicklung Rechnung zu tragen“, folgert der Geschäftsführer.

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Bereits jetzt beteilige sich ein kleines Krankenhaus wie Stockach schon deutlich an der ambulanten Versorgung. Laut Hanke gab es hier im Jahr 2024 9742 ambulante Fälle. Davon waren 69 Prozent ambulante Notfälle. „Bei immer weniger Hausärzten stellt sich die Frage, wer diese ambulanten Notfälle zukünftig versorgen kann, wenn es das Krankenhaus Stockach einmal nicht mehr gibt“, warnt er. Mit Blick auf die USA und Großbritannien warnt er vor langen Wartezeiten und -listen, sollten kleine Häuser verschwinden.