Wer im Aerobicturnen große Erfolge feiern will, muss ganz jung beginnen. Seit Kurzem gibt es in Stockach eine Einrichtung, die sich ganz besonders der Förderung der jungen Talente aus der Region verschrieben hat. Die DTB (Deutscher Turner Bund) Turn-Talentschule Bodensee hat das Ziel, im Bereich Aerobicturnen talentierte Mädchen zwischen sechs und elf Jahren aus Stockach und der Region frühzeitig zu entdecken und zu fördern.
Christine Kieweg trainiert zusammen mit ihrer Tochter Jessica beim TV Jahn Zizenhausen Mädchen ab zwölf Jahren. In der TG Stockach bietet sie ebenfalls seit mehreren Jahren Kinderturnen im Breitensportbereich an – als Kooperation mit der Grundschule Stockach und anschließend in der Kinderturngruppe des Vereins. Jetzt haben sich die Frauen beim Deutschen Turnerbund erfolgreich um das Prädikat Turn-Talentschule beworben und halten stolz das Namensschild in den Händen.
Mit Herzblut bei der Sache
Ihr Herz schlägt ganz stark für Aerobic, gesteht Christine Kieweg lachend. Da brauche man auch viele Bodenturnelemente. „Wenn ich hier beim Kinderturnen kleine Talente sehe, sage ich gleich: ‚Das Kind muss ins Aerobic.‘ Aber ich habe auch schon Kinder zur Leichtathletik geschickt, wenn ich erkannt habe, dass diese Richtung besser zu ihnen passt.“

Lorenzo Patone, Vorsitzender der TG Stockach, betont: „Wir nehmen dem TV Zizenhausen damit nichts weg. Das Aerobic-Training findet hier in der Hägerweghalle statt, weil es schon vorher hier war, nur unter neuem Namen.“ Er bekräftigt, dass es das Kinderturnen weiterhin geben werde. „Die Turn-Talentschule haben wir quasi on top installiert und füllen die Gruppe nach und nach mit jungen Talenten. Wenn die Mädchen dann zwölf Jahre alt sind und weiter dabeibleiben wollen, wechseln sie in den Jugendbereich des TV Zizenhausen.“ So habe er das mit dem dortigen Vorsitzenden Stefan Tresp abgesprochen.
Aerobic soll bekannter werden
Christine Kieweg ist Fachwartin für Aerobicturnen in Baden. Sie sieht es als ihren Auftrag, Aerobic bekannter zu machen. Jessica Kieweg ist beim DTB im Wettkampfsport, Bereich Aerobicturnen, die Ansprechpartnerin für Leistungs- und Nachwuchsförderung. Beide Frauen haben die Trainerlizenz B Leistungssport für Aerobicturnen.
Sie trainieren dreimal pro Woche mit den kleinen Sportlerinnen, vor Wettkämpfen auch viermal. Die Voraussetzungen, die die Mädchen mitbringen müssen, sind vielfältig: „Aerobic ist eine sehr komplexe Sportart, die Tanz, Artistik, Akrobatik, Beweglichkeit, Rhythmusgefühl und Kraft vereint“, erklärt Christine Kieweg. Ihre Tochter ergänzt: „Unser Job ist es, die Choreografie auf die einzelne Sportlerin zuzuschneiden, also die passende Musik mit den entsprechenden Übergängen so zusammenzustellen, dass jedes Mädchen alle geforderten Elemente zeigen kann.“
Die jüngeren Mädchen von sechs bis acht und von neun bis elf Jahren präsentieren sich im Einzel, Duo, Trio oder in der Gruppe. Eine Choreografie ist eine Minute und 15 Sekunden lang, die der älteren Sportlerinnen eine Minute und 20 Sekunden. In dieser kurzen Zeit muss jedes Detail passen, für Fehler gibt es Punktabzüge. Damit sich die Turnerinnen beim Üben sehen können, hätten die Trainerinnen gerne einen Spiegel in der Halle.
Ziel ist der Spitzensport
Ziel der Turn-Talentschule ist naturgemäß, die Mädchen in den Spitzensportbereich zu führen. Erste kleine Wettkämpfe finden auf dem Level Aerobic Basic statt, dann folgt die Stufe Aerobic Master. Christine Kieweg sagt: „Die Kinder, die leistungsstark sind, sollten früh an Wettkämpfen auch im Ausland teilnehmen. Unser Ziel ist der Leistungssport. Deshalb ist ein Quereinstieg sehr schwer.“

Die Kinder kämen meist super mit dem Wettkampfdruck zurecht. „Vor allem beim Einzel muss man es lieben, im Rampenlicht zu stehen und sich gut präsentieren. Aber das klappt, wenn man als kleines Mädchen anfängt. In jungen Jahren haben sie weniger Hemmungen und zeigen gerne ihr Können.“
Turn-Talentschule öffnet neue Möglichkeiten
Erstmals durften die Mädchen nun in Thüringen am Turn-Talentschul-Pokal (TTS-Pokal) teilnehmen. Das war bisher nicht möglich, weil es eben keine Turn-Talentschule gab, in der die Sportlerinnen trainieren konnten. Wie haben die Mädchen abgeschnitten? Stolz erzählt die Trainerin: „Die TTS Bodensee erturnte sich den dritten Platz hinter den starken Schulen aus dem Norden – Buchholz bei Hamburg und Rothenburg an der Wümme.“
Der TTS-Pokal ist laut Christine Kieweg so etwas wie die Deutsche Meisterschaft für die Kleinen. „Dort werden sie gesichtet und erturnen sich Punkte für den DTB Talentkader.“ Die Kadersportler haben Anrecht auf zwei große zentrale Maßnahmen im Jahr mit allen anderen Kadersportlern aus Deutschland. Dabei lernen sie viele neue Dinge, erhalten neue Impulse und können Freundschaften schließen. „Ins Eliteteam, so etwas wie die Nationalmannschaft, kommt eine talentierte Sportlerin mit 15 Jahren. Mögliche Teamkolleginnen lernen sich jetzt schon kennen“, so Kieweg. Es gebe bereits freundschaftliche Verbindungen zu Turnerinnen aus Greven in Nordrhein-Westfalen und Eisenberg in Thüringen – dort befinden sich ebenfalls Turn-Talentschulen.
Die Trainerin hebt hervor: „Wenn man den Leistungssportgedanken lebt, hat man keine Neidgefühle. Man sieht, was die anderen können und weiß, dass sie ebenfalls unglaublich viel trainiert haben.“ Genau das möchte sie den Kindern mitgeben: sportlichen Ehrgeiz, aber auch Respekt vor der Leistung der Gegner. Mit dem Prädikat „Turn-Talentschule Bodensee“ wollen die Trainerinnen jetzt verstärkt für ihren Lieblingssport werben.