Das Gebäude ist mit Bauzäunen und Flatterband abgesperrt, das Dach ist ein Gerippe und beim Eingang liegen heruntergefallene Ziegel – der Großbrand an der Radolfzeller Straße in Stockach hat viel kaputt gemacht. Zwölf Personen, darunter auch zwei Babys, haben in der Nacht auf den 24. Juli ihr Zuhause verloren. Erst zerstörte das Feuer das Dachgeschoss, dann machte das Löschwasser das Haus unbewohnbar. Die Bewohner kamen mit dem Leben davon, müssen jetzt aber nochmal ganz von vorne anfangen.
„Die sechs Wohnungen werden ein Totalschaden sein“, schätzt Roland Mathis, Geschäftsführender Vorstand der Baugenossenschaft Stockach, der das Gebäude gehört. Da die Kriminalpolizei noch die Brandursache ermittle, habe noch niemand das Haus betreten dürfen.

Stadt nimmt Spenden für Betroffene an
Jetzt startet eine Spendenaktion, welche die Stadt Stockach und die Baugenossenschaft ins Leben gerufen haben. „Die Stadt Stockach nimmt Geldspenden an und zahlt diese aus“, erklärt Ordnungsamtsleiter Carsten Tilsner. Mathis ergänzt, die Baugenossenschaft selbst dürfte dies nicht machen, habe aber den Spendentopf bereits mit 3000 Euro gefüllt, also 500 Euro pro Wohnung. Die Betroffenen sollen schnell schon einen ersten Abschlag und somit schnelle Hilfe erhalten, so Mathis.

Personen, die Sachspenden anbieten möchten, können sich telefonisch bei der Baugenossenschaft melden. Dann werde das Angebot notiert und an die Mieter weitergegeben. Mathis bittet um Verständnis, dass nichts vorbeigebracht werden könne, da es keine Lagermöglichkeiten gebe.
Die Bewohner hätten gar nichts mehr, teilweise seien sogar die EC-Karten noch in den Wohnungen, so dass sie mittellos seien. Auf Nachfrage beschreibt Mathis, die Hausgemeinschaft habe aus einer Familie mit Säuglingen, einer Alleinerziehenden und Paaren oder Alleinstehenden verschiedenen Alters bestanden.
Positive Perspektiven für die Bewohner
Die gute Nachricht: Alle sind momentan bei Verwandten oder Freunden untergekommen, bestätigen Stadt und Baugenossenschaft. Tilsner musste für niemanden eine städtische Unterkunft organisieren. Mathis berichtet sogar, drei der sechs Parteien hätten aufgrund der akuten Notlage Aussicht auf eine Wohnung bei der benachbarten Baugenossenschaft Hegau, die Hilfe angeboten habe.
Eine Privatperson stelle zudem für ein halbes Jahr eine große Wohnung zur Verfügung, in der die obdachlos gewordenen Bewohner ein Zimmer haben könnten. Das werde dann eine Art Wohngemeinschaft. „Zwei wollen davon Gebrauch machen“, erzählt Mathis, der für die große Hilfsbereitschaft sehr dankbar ist. „Für eine Woche sind wir schon sehr weit gekommen“, sagt er. Eigentlich müsste die Baugenossenschaft als Vermieter keine anderen Wohnungen für die Betroffenen finden, wolle aber helfen.

Der freie Mietmarkt ist zu teuer
Roland Mathis hält die Bewohner seit dem Brand per E-Mail auf dem aktuellen Stand. Der Baugenossenschaft sei es wichtig, alle langfristig untergebracht zu bekommen. Zwar seien sogar Angebote vom freien Wohnungsmarkt eingegangen, doch die Mietpreise seien dort etwa doppelt so hoch, zum Beispiel 700 bis 800 statt 400 Euro für eine kleine Wohnung. Das könnten sich die Betroffenen nicht leisten, sagt er.
Roland Mathis ist auch sehr froh, dass bei der rechten Hälfte des Doppelhauses ein Stück beschädigtes Dach abgedeckt werden konnte, damit dort keine weiteren Schäden entstehen. Er habe das mit der Polizei so besprochen, obwohl der Brandteil als Tatort behandelt werde. Trotz der anstehenden Handwerkerferien habe vergangene Woche noch eine Firma die Folie aufs Dach gebracht und eine andere Firma habe Bauzäune aufgestellt.
Unklar, ob man noch Gegenstände retten kann
Nun hofft die Baugenossenschaft, dass die Polizei das Haus diese Woche noch entsiegelt. Roland Mathis wird sich dann ein Bild der Lage machen und einzeln mit den Bewohnern ihre Wohnungen anschauen, ob vielleicht noch einzelne Sachen oder Dokumente zu retten sind. Die Versicherung und ein Statiker müssen sich das Gebäude auch noch anschauen, erklärt er. Unter dem ausgebrannten Dach habe glücklicherweise niemand gewohnt. Dort seien Mansardenzimmer gewesen, die in älteren Häusern immer wieder vorkommen und zu manchen Wohnungen gehören.
Die Baugenossenschaft habe eine Versicherung für das Gebäude, aber viele Mieter hätten leider keine Hausratversicherung für ihre persönlichen Habseligkeiten, so Mathis. Er betont, dieses Feuer zeige, wie wichtig eine solche Versicherung sei.
Kernsanierung oder sogar Neubau
Für die kaputte Haushälfte gebe es zwei Möglichkeiten: Kernsanierung oder Abriss mit Neubau. Während die Polizei den Schaden in der vergangenen Woche mit 500.000 Euro angegeben hat, spricht Mathis momentan von mindestens einer Million Euro. Sanierung oder Neubau kämen bei den Kosten etwa aufs Gleiche raus, erklärt er. Das Gebäude sei aus den 1950er-Jahren und habe Holzdecken, durch die das Löschwasser überall durchgeflossen sei. Auf jeden Fall müsse das Haus dann energetisch auf den neuesten Stand gebracht werden.
„Es ist noch nichts entschieden“, betont Mathis zur Zukunft des Hauses. Klar ist momentan nur: Die sechs Wohnungen bleiben erstmal unbewohnbar. Der Baugenossenschafts-Vorstand schätzt, dass es bis zu zwei Jahre dauern wird, bis an dieser Adresse wieder jemand einziehen kann.