Eine Begegnung mit dem Zoll im Mai 2024 hatte nun für einen 19-jährigen Drogendealer vor dem Stockacher Amtsgericht Konsequenzen. Warum das Urteil in erster Linie ein Hilfspaket für den jungen Mann aus dem Raum Stockach darstellen soll, erklärte Richterin Melina Michalski am Ende der Verhandlung bei der Urteilsverkündung.

Der junge Mann war am frühen Abend des 7. Mai am Radolfzeller Bahnhof einer Zivilstreife des Zolls aufgefallen. Bei der Kontrolle fanden die Beamten Drogen in seiner Tasche: Amphetamine, Tilidin und mehrere leere Tütchen sowie eine Oxycodon-Tablette. Das führte zur Anklage vor dem Amtsgericht Stockach.

Die Staatsanwaltschaft warf dem 19-Jährigen vor, mit Drogen und verschreibungspflichtigen Medikamenten gehandelt zu haben. Erhärtet wurde dieser Verdacht, da bei einer anschließenden Hausdurchsuchung eine Feinwaage sowie zwei Preislisten für Amphetamine und Tilidin gefunden wurden, wie einer der Zollbeamten vor Gericht erklärte.

„Ich bin nicht in der Stimmung zu reden“

Bei der Beweisaufnahme betonte der Zollbeamte, der junge Mann sei bei der Kontrolle kooperativ und einsichtig erschienen. Der Angeklagte selbst verzichtete auf eine Stellungnahme zur Sache – laut eigener Aussage da er seit einigen Tagen wegen der Nervosität vor dem Prozess schlaflos gewesen sei. „Ich bin nicht in der Stimmung zu reden“, erklärte er nur. Zu seinen persönlichen Verhältnissen beantwortete er die Fragen der Richterin allerdings bereitwillig.

Dabei wurde deutlich, dass das Leben des jungen Mannes schon seit Langem aus der Bahn geraten ist. Nur bis zum sechsten Lebensjahr lebte er bei seinen Eltern. „Sie konnten aber nicht richtig auf mich aufpassen“, erklärte der 19-Jährige. Anschließend lebte er in einer Betreuungseinrichtung und machte trotz ADHS und anderen kognitiven Beeinträchtigungen eine Lehre zum Maler und Lackierer. Zur Mutter, die an einem Alkoholproblem leide, habe er noch Kontakt, der Vater ist früh verstorben.

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„Zu faul“ für einen neuen Ausweis

Aktuell habe er weder einen festen Wohnort noch ein Bankkonto, geschweige denn einen gültigen Personalausweis. Auf die Frage der Richterin, warum er seinen Personalausweis nicht beantragt, antwortete er: “Ich bin zu faul.“ Er lebe derzeit bei einem Freund und sei arbeitssuchend. „Ich will so schnell es geht wieder arbeiten“, versprach er aber. Die 700 Euro, die ihm als Unterstützung vom Jobcenter zustehen, kämen aufgrund des fehlenden Bankkontos nicht an. Deshalb müsse er auf dem Weg zu seinen Berufsvorbereitungskursen mit Bahn oder Bus schwarzfahren, erklärte der Angeklagte.

An dieser Stelle meldete sich Theo Rüttinger von der Jugendgerichtshilfe zu Wort, um den Angeklagten zu ermahnen: „Du musst jetzt aufs Amt gehen, sonst stehen die nächsten Straftaten schon vor der Tür.“

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Jugendgerichtshilfe zeigt Empathie

Sowohl Rüttinger als auch die Vertreterin der Staatsanwaltschaft saßen dem Angeklagten empathisch und teilnehmend gegenüber. Doch den Anwesenden war klar, dass sie es mit jemandem zu tun hatten, der vor Gericht kein Neuling war. Bereits in fünf weiteren Fällen, unter anderem wegen weiterer Drogendelikte und Sachbeschädigung, war er auffällig geworden. Wegen der neuen Cannabis-Regelung seien die vorangegangenen Drogendelikte allerdings heute nicht mehr strafwürdig, erklärte Richterin Michalski.

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In ihrem Urteil folgte sie der Empfehlung der Jugendgerichtshilfe. Demnach sollen vor allem konstruktive Konsequenzen folgen: zehn Drogenberatungsgespräche, das Weiterführen der Berufsqualifikation und eine sechsmonatige, intensive Betreuung verordnete Michalski. Dieses Strafmaß sei eher als Hilfspaket zu verstehen.