Alle sitzen bereits da: Richterin, Staatsanwaltschaft, Protokollführerin, Verteidiger – nur der oder die Angeklagte fehlt. Keine Spur von ihr oder ihm, keine Nachricht, keine Entschuldigung. So platzten vor wenigen Tagen direkt zwei Verhandlungen hintereinander im Stockacher Amtsgericht – nicht wegen fehlender Beweise oder mangelnder juristischer Argumentation, sondern schlichtweg, weil die Angeklagten nicht erschienen.
Im ersten Fall sollte es um den Vorwurf der Beleidigung gehen. Die Angeklagte hatte versucht, sich mittels einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Erscheinen vor Gericht zu entschuldigen, doch das Gericht erkannte das eingereichte Attest nach einer Überprüfung nicht an. Der Grund: Ein Anruf bei dem ausstellenden Arzt ergab, dass die Angeklagte weder vor Ort in der Praxis war, noch direkt mit dem Arzt gesprochen hatte. Stattdessen hatte sie nur Kontakt zu einer Arzthelferin. Dies genügte Richterin Melina Michalski nicht als hinreichende Entschuldigung, da die formellen Anforderungen nicht erfüllt waren.
Der Strafbefehl wird gültig
Das Fehlen der Angeklagten wurde somit als unentschuldigt gewertet. Die Richterin entschied, den Anspruch auf eine Verhandlung und somit den Einspruch gegen den ursprünglichen Strafbefehl zu verwerfen. Dies bedeutet, dass die im Strafbefehl genannte Strafe gültig wird. Die geladenen Zeugen wurden daraufhin entlassen.
Zum Hintergrund: Im deutschen Rechtssystem kann das Gericht einen Anspruch eines Angeklagten auf ein Gerichtsverfahren verwerfen, wenn der Angeklagte zu einem Gerichtstermin nicht erscheint und dafür keine ausreichende Entschuldigung vorlegt. Diese Verwerfung erfolgt, wenn das Gericht der Meinung ist, dass das Fehlen des Angeklagten den Fortgang des Verfahrens erheblich beeinträchtigt und die Verhandlungsfähigkeit gefährdet. In Strafverfahren kann der Angeklagte unter Umständen in Abwesenheit verurteilt werden. Diese Regelung soll sicherstellen, dass das Verfahren zügig und effizient durchgeführt wird, auch wenn eine Partei nicht kooperiert, so das Gesetz.
Auch Verhandlung wegen Diebstahls platzt
Auch im zweiten Verfahren am selben Vormittag kam es zu einer Verwerfung des Einspruchs gegen den Strafbefehl, da ein Mann, gegen den wegen Diebstahls verhandelt werden sollte, nicht zur Verhandlung erschien. Weder das Gericht noch der Pflichtverteidiger wussten etwas über seinen Verbleib. Der Anwalt hatte auch keine Vollmacht, das Verfahren in Abwesenheit des Angeklagten fortzuführen.
Nach einer angemessenen Wartezeit, in der weiterhin kein Lebenszeichen des Angeklagten kam, beantragte die Staatsanwaltschaft die Verwerfung, die das Gericht daraufhin beschloss. Auch hier wurden die Zeugen entlassen.