Wie kann man über das eigene Bankkonto Geldwäsche betreiben, ohne es zu wissen? Geht das überhaupt? Um diese Fragen kreiste eine Gerichtsverhandlung am Amtsgericht Stockach. Ein heute 22-jähriger Stockacher hat vor zwei Jahren zwei Transaktionen mit vierstelligen Euro-Beträgen über sein Konto laufen lassen – für unbekannte Personen im Ausland. Dazu kam ein weiterer Fall, bei dem er eine Bekannte gebeten hatte, ihr Konto zu benutzen. Insgesamt ging es um 20.400 Euro Schaden.
Die Staatsanwaltschaft warf dem jungen Mann daher leichtfertige Geldwäsche nach Paragraf 261, Absatz 1 und Absatz 5, des Strafgesetzbuchs vor. „Er hätte den Betrug erkennen müssen“, sagte er Staatsanwalt. Der Angeklagte war vor einigen Jahren einer der Anführer der „Stockacher Gruppe“, die für Aufsehen gesorgt hatte, seither war es um ihn aber still gewesen.
Geständnis nur aus taktischen Gründen?
Die Verteidigerin verkündete direkt, ihr Mandant sei „vollumfänglich geständig“. Richterin Melina Michalski zeigte sich positiv überrascht über den Sinneswandel, denn in vorigen Vernehmungen habe der Mann nichts gesagt. Dies änderte sich jedoch, da der junge Mann bei seiner Aussage ihre Geduld stark strapazierte.
Er berichtete zwar stockend von den Ereignissen, wollte aber nicht gewusst haben, dass es kein normales Geld gewesen sei. Die Richterin nahm seine Zurückhaltung wahr und sagte ihm daher ganz offen: „Ich will kein Geständnis, wenn Sie nicht dahinter stehen. Entweder Sie sagen alles oder ich habe das Gefühl, dass Sie das taktisch machen.“
In seiner Kultur sei normal, Geld zu schicken
„Man muss den kulturellen Hintergrund sehen“, betonte die Anwältin. Der 22-Jährige sei zwar in Deutschland geboren, doch die Familie stamme aus einem Land, in dem es normal sei, dass jemand gebeten werde, Geld aus Deutschland an die Familie in der Heimat weiterzuleiten. Daher habe ihr Mandant sich nichts dabei gedacht, als er im Urlaub angesprochen worden sei, ob er in Deutschland Transaktionen entgegennehmen und dann weitergeben könnte.
Der 22-Jährige beschrieb die Vorgeschichte und die Vorfälle mit dem eigenen Konto. Auf Nachfrage der Richterin konnte er jedoch keine Namen oder Kontaktdaten der Personen im Ausland nennen. Er wusste nur einen vagen Vornamen. Auf seinem Konto seien zwei Beträge mit dem Verwendungszweck „Für Reparaturen und Gartenarbeiten“ eingegangen – 4400 Euro und 7000 Euro. Er habe das Geld jeweils abgehoben und per Western Union an den Kontakt geschickt. Dafür habe er insgesamt 400 Euro erhalten.
War er wirklich ahnungslos?
Schließlich habe die Sparkasse ihm aufgrund verdächtiger Aktivitäten die Schließung den Kontos angekündigt. Er habe daher bei einer dritten Transaktion eine Bekannte aus Radolfzell gebeten, dass diese auf ihr Konto eingehen könnte, sie das Geld abhebt und an jemanden weitergibt. Die Frau stand bereits kürzlich in Konstanz vor Gericht.
Richterin und Staatsanwalt zeigten sich sehr irritiert, dass dem Mann nicht spätestens beim Brief der Sparkasse aufgefallen war, dass er gegen Gesetze verstoßen habe. Der 22-Jährige erwiderte jedoch, er habe das erst gemerkt, als er kurz darauf Post von der Polizei erhalten habe.
Der 22-Jährige war schon öfters vor Gericht
Richterin Melina Michalski hakte mehrfach nach, um die Ereignisse und den Charakter des jungen Mannes besser verstehen zu können. Um ihn einschätzen zu können, berichtete auch ein Jugendgerichtshelfer aus dem Leben des Angeklagten. Er kenne ihn bereits seit sechs Jahren und sei eigentlich froh gewesen, dass er sich nach 2017 nichts mehr zu Schulden kommen lassen hatte. Denn als Schüler sei der Angeklagte mehrfach vor Gericht gestanden und habe Verwarnungen mit Arbeitsauflagen wegen Körperverletzung erhalten.
Der heute 22-Jährige sei einer der Anführer der Jugendlichen gewesen, die damals als „Stockacher Gruppe“ für Aufsehen gesorgt haben. Der junge Mann habe zwei abgebrochene Ausbildungen, mache jetzt aber seit ein paar Monaten eine sehr gut bezahlte Kurzausbildung in der Schweiz und wohne noch bei den Eltern. Daher regte der Jugendgerichtshelfer an, ihm diese berufliche Chance nicht durch eine Verurteilung zu zerstören. Er habe sein Leben inzwischen im Griff und sei reifer als vor zwei Jahren.
Der Angeklagte versicherte, rückblickend würde er das alles heute nicht mehr machen. Was er getan habe, sei „sehr dumm“ gewesen. „Ich hätte nachdenken müssen.“
„Geldwäsche ist keine jugendtypische Straftat“
Zeugen gab es in diesem Fall nicht, sodass der Staatsanwalt direkt sein Plädoyer halten konnte. Er sah die Taten als erwiesen an, hielt dem 22-Jährigen sein Geständnis zugute, forderte aber die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts. „Geldwäsche ist keine jugendtypische Straftat“, sagte er.
Da eine Einziehung der Schadenssumme im Raum stand, plädierte der Staatsanwalt auf die volle Summe aus allen drei Vorfällen in Höhe von 20.400 Euro sowie eine Geldstrafe in Höhe von drei Netto-Gehältern, die der Angeklagte an die von der Gerichtshilfe vorgeschlagene Awo-Jugendhilfe zahlen sollte.
Die Verteidigerin schloss sich weitgehend an und betonte zum dritten Vorfall, dass dieses Geld nie beim Angeklagten gewesen sei, weshalb es nicht bei der Einziehung angerechnet werden sollte. Sie forderte die Anwendung von Jugendstrafrecht.
Glimpfliches Urteil wegen guter Aussichten
Die Richterin sprach schließlich eine Verwarnung nach dem Jugendstrafrecht aus. Daran geknüpft sind eine Geldstrafe in Höhe von 9000 Euro in zehn Raten zu jeweils 900 Euro an die Awo-Jugendhilfe sowie eine Einziehung von 11.400 Euro, also der Schadenssumme aus den ersten beiden Taten. „900 Euro pro Monat tun weh und das soll es auch“, fügte sie trotz seines hohen Einkommens hinzu. Sie betonte aber auch: „Das ist eine Chance. Es hat nicht viel gefehlt“
Der Angeklagte verzichtete direkt auf Rechtsmittel, der Staatsanwalt wollte dies noch nicht. Das Urteil ist somit noch nicht rechtskräftig.