Es war ein gigantisches Hupkonzert, das die Stadt Stockach am Dienstagabend erfüllte: Landwirte aus der ganzen Region sind mit rund 620 Traktoren im Industriegebiet Hardt zu einer großen Protestfahrt durch die Stadt gestartet. Sie kamen aus dem ganzen Landkreis Konstanz sowie aus den benachbarten Landkreisen. Rund zwei Stunden lang schlängelte sich der Zug aus laut hupenden Traktoren durch die Stadt in Richtung Dillplatz, wo eine Kundgebung die Gründe für den Protest verdeutlichte.
Dabei machten die Landwirte klar: Für sie ist das Maß voll. Nachdem in den vergangenen Jahren immer neue Vorschriften und zusätzliche Bürokratie ihren Arbeitsalltag schwerer gemacht haben, seien die geplanten Streichungen der Steuerbegünstigung für den Agrardiesel sowie der Befreiung landwirtschaftlicher Fahrzeuge von der Kraftfahrzeugsteuer der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. Das machte Karl-Heinz Mayer, Landwirt aus Owingen und Vizepräsident des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbands (BLHV), bei der Kundgebung deutlich.
Sparmaßnahmen treffen die Landwirte hart
Wie groß die Auswirkungen der Sparpläne sind, die die Bundesregierung im Dezember angekündigt hat, zeigt sich in vielen Gesprächen mit Teilnehmern der Demonstration. So berichtet Klaus Nägele, Lohnunternehmer aus Öhningen-Schienen, dass die Kürzungen für seinen Betrieb bedeuten würden, dass plötzlich 10.000 bis 15.000 Euro pro Jahr fehlen.
Landwirt Andreas Deyer, der zugleich BLHV-Vorsitzender für den Bereich Stockach ist, bestätigt diese Größenordnung. „Natürlich ist das immer von der Größe des Betriebs abhängig. Aber bei einem durchschnittlichen Vollerwerbsbetrieb könne man durchaus mit 8000 bis 10.000 Euro rechnen, die künftig fehlen.

Laut Deyer handelt es sich dabei um Subventionen, die eins zu eins bei den Betrieben ankommen und dadurch einen großen Unterschied machen. „Wir sind zudem nicht in der Position, dass wir einfach die Preise erhöhen könnten, um diesen Verlust auszugleichen“, sagt er.
Dass gerade im Hinblick auf den Agrardiesel von Seiten des Wirtschaftsministeriums von klimaschädlichen Subventionen gesprochen wird, kann Deyer nicht verstehen. „Es gibt derzeit einfach noch keine praxistauglichen Alternativen zum Diesel-Traktor“, erklärt er auf der Bühne bei der Kundgebung.
Regionale Lebensmittelproduktion in Gefahr
Durch den Wegfall der Subventionen sieht er viele Betriebe in Gefahr. Insbesondere, da in manch anderen EU-Ländern zum Teil gar keine Steuern auf den Diesel für landwirtschaftliche Fahrzeuge erhoben würden. „Schon jetzt ist Deutschland ein Importland, was Lebensmittel angeht. Wenn nun durch die angekündigten Sparmaßnahmen der Ampel-Regierung Landwirte gezwungen werden aufzugeben, weil sie nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können, dann müssen wir noch mehr Lebensmittel importieren und dann entsteht das CO2 eben beim Transport der Lebensmittel nach Deutschland“, so Deyer.
Florian Reyer von der Hofgemeinschaft Heggelbach in Herdwangen-Schönach teilt diese Sorge. „Ich wünsche mir auch für unsere Kinder noch eine lebenswerte Region mit guten, gesunden und regional produzierten Lebensmitteln“, betonte er bei seiner Rede im Rahmen der Kundgebung. Er verweist auch auf die hohen Standards, die für die Lebensmittelproduktion in Deutschland gelten. „Es ist besser, wir ernähren uns gesund, als dass wir am Ende das Geld für Medikamente ausgeben müssen“, so Reyer.

Mit Blick auf die KFZ-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge betont Andreas Deyer: „Wir arbeiten mit unseren Fahrzeugen in erster Linie auf dem Acker. Die KFZ-Steuer ist aber für den Straßenbau gedacht.“ Dafür gab es Applaus von der großen Menschenmasse, die sich vor der Bühne versammelt hatte.
Landwirte fordern mehr Realität in der Politik
Was die Landwirte an diesem Abend fordern, ist ein Umdenken in der Politik der Bundesregierung. Diese sei „weit weg von der Realität“, betont Karl-Heinz Mayer. Andreas Deyer fügt hinzu, dass besonders in den vergangenen zwei Jahren viele Belastungen hinzu gekommen seien. Das gelte für den gesamten Mittelstand, nicht nur für die Landwirtschaft.
„Wir wollen nicht die Regierung stürzen, diese Regierung schafft es höchstens, sich selbst zu stürzen“, so Deyer. Zugleich mahnte er die Teilnehmer des Protestes, wachsam zu sein, aus welcher politischen Ecke die Protestaufrufe kommen und sich nicht für die Interessen bestimmter Parteien einspannen zu lassen.

Die Organisatoren der Demonstration, Manuel Endres und Günter Keller, beide ebenfalls Landwirte, zeigten sich beeindruckt vom großen Zuspruch. „Mit so vielen Teilnehmern hätte ich nicht gerechnet. Damit haben wir ein starkes Zeichen gesetzt. Ich freue mich auch, dass viele Speditionen dabei waren und unser Anliegen unterstützen. Wenn wir weiter so zusammenhalten, dann wird sich der ein oder andere vielleicht endlich mal Gedanken machen“, so Endres.
Passanten zeigen Zustimmung
Laut Einschätzung der Polizeibeamten, die vor Ort im Einsatz waren, sind bei dem Protestzug mindestens 620 Fahrzeuge dabei gewesen. Es könnten jedoch auch noch mehr gewesen sein, so die Auskunft. Am Wegrand standen viele Passanten, die das Spektakel beobachteten. Viele von ihnen bekundeten durch Jubelrufe oder nach oben gestreckte Daumen ihre Zustimmung zum Protest der Landwirte. „Das zeigt, dass wir einen großen Rückhalt in der Bevölkerung haben“, so Endres.