Es war ein eher ungewohntes Bild, das der evangelische Pfarrer Rainer Stockburger bei seiner Verabschiedung aus Stockach vom Altar aus sah: „Nicht unbedingt die klassischen Gottesdienst-Besucher“, stellte er gut gelaunt fest. Er freute sich über die bunte Mischung in den Reihen und begrüßte mit Bürgermeister Rainer Stolz und Dekanin Regine Klusmann auch die „sozusagen weltliche und geistliche Spitze“. Michael Schauber, stellvertretender Dekan, und Dekanin Regine Klusmann sprachen Rainer Stockburger später frei. Stockburger wird noch ein Jahr als Springer im Bezirk Konstanz tätig sein.
Sechs Melanchthon-Bläser umrahmten den Gottesdienst und begleiteten die Lieder. Gisela Bruszt, Vorsitzende der Bezirkssynode Überlingen-Stockach der evangelischen Kirche, las aus der Bibel „Alles hat seine Zeit“. Dieser rote Faden zog sich durch den zweistündigen Gottesdienst, in dem viele Wegbegleiter Stockburgers zu Wort kamen.

Parallelen zwischen Wald und Kirche
Im Dialog mit Förster Joachim Wingbermühle ergaben sich viele Parallelen in Wald und Kirche: Es gibt Gebiete, in denen die Fichte nicht mehr existieren kann. „Was Jahrhunderte funktioniert hat und gut war, passt jetzt nicht mehr. Dort muss man andere Wege gehen, andere Bäume anpflanzen“, hatte Stockburger schon im Vorgespräch mit dem SÜDKURIER erklärt.
Der Pfarrer hatte auch betont: „Digitalisierung, gesellschaftlicher Wandel, Krieg, Klima – das sind alles Themen, die nie so in der Ausbildung vorgekommen sind. Wir können nicht so weitermachen, wie wir jahrhundertelang gearbeitet haben.“ Und gleich wie Förster Wingbermühle, der sagte, dort, wo die Fichte wachse und sich wohlfühle, pflanze er sie weiterhin an, machte der Pfarrer klar: Es sei die Aufgabe der Kirche, umzudenken. „Tradition ist gut und wichtig für viele. Es braucht Mut, Neues zu beginnen und den Willen, was gut ist, zu bewahren.“

In einer kurzen Ansprache sagte er, kaum sei er angekommen, werde er schon verabschiedet. Etwas über sechs Jahre wirkte er in Stockach, zweieinhalb Jahre waren allerdings durch Corona geprägt. Der Kindergarten habe ihm sehr am Herzen gelegen und dass die Kinder für ihn sangen „Einfach Spitze, dass du da warst“ habe ihn sehr gerührt. Doch nun sei es Zeit zu gehen. „Es fällt auch eine Last von mir ab. Das wird dir wohl nicht anders gehen“, vermutete er mit Blick zu Bürgermeister Rainer Stolz, der zum Jahresende zurücktritt.
Lieder, Geschenke und Applaus
Ehemalige Konfirmanden und Teamer dankten dem Pfarrer für „Optimismus, Motivation und Dauer-Freude“. Sie sangen „My Lighthouse“ (Mein Leuchtturm) für ihn und bekamen viel Applaus. Mitglieder des Kirchengemeinderats lasen Fürbitten und hatten für Rainer Stockburger, den sie als Bauherrn, der Maßstäbe und Ziele setzt, bezeichneten, ein Geschenk und ein Baustellen-Schild dabei.

Der evangelische Pfarrer Matthias Sehmsdorf aus Ludwigshafen spannte den Bogen von den Sturmschäden über die Herausforderungen sowohl weltweit wie lokal, politisch und kirchlich. Er überreichte einen Stock, der sich als Weinflaschenhalter entpuppte.
Der katholische Pfarrer Thomas Huber aus Stockach hatte etwas ganz Persönliches eingepackt: Er übergab die Stola, die er oft getragen hatte als Zeichen der Verbundenheit mit Christus. Gemeinsam mit Elisabeth Matthes, der Vorsitzenden des Pfarrgemeinderats, dankte er Stockburger dafür, dass sie während der Renovierung von St. Oswald in der Melanchthon-Kirche Gottesdienste feiern durften.
Warum Stockburger auch im Gemeinderat war
Stockburger bekannte, ihm sei wichtig gewesen, auch mit Leuten jenseits der Kirchenmauer zu tun zu haben. „Wir dürfen nicht unter uns bleiben, sondern müssen uns bewusst sein, dass wir ein Teil der Gesellschaft sind.“ Deswegen habe er sich zur Wahl in den politischen Gemeinderat aufstellen lassen und vier Jahre als Gemeinderat gewirkt. Er habe diese Aufgabe als Teil seiner christlichen Arbeit verstanden, die Gesellschaft mitzugestalten.

Das lobte Bürgermeister Rainer Stolz. Der Pfarrer habe dazu beigetragen, Kommune und Kirche zusammenzubringen. „Wir sollten uns nicht über das Trennende definieren, sondern über das Gemeinsame“, so Stolz. Rainer Stockburger habe die Ökumene weiter geöffnet, dafür sei er als Bürgermeister sehr dankbar.
Wolf-Dieter Karle gab zu, anfangs sei es ungewohnt gewesen, einen Pfarrer im Gemeinderat zu haben. „Das gab es noch nie im Landkreis Konstanz. Dein Parteibuch ist die Bibel.“ Er habe die Inspiration durch Stockburger immer sehr zu schätzen gewusst und danke im Namen der Freien Wähler und des Gemeinderats für seine Mitarbeit.
Eine SÜDKURIER-Nachfrage im Rathaus ergab, dass momentan das Nachrückverfahren im Gemeinderat läuft. Daher sei noch nicht klar, wer auf Rainer Stockburger nachfolgt.

Vereine bedanken sich bei Stockburger
Bei der Feier kamen auch Vereinsvertreter zu Wort. Sie seien zuerst skeptisch gewesen, verriet Claus Birmele von den Aktiven Laufnarren. Doch bald hätten sie gemerkt, dass ein besonderer Schelm in Rainer Stockburger stecke. Dieser sei ein Laufnarr, mit dem man auch tiefgreifende Gespräche führen könne. Mit drei kräftigen „Seil hoch“ dankten ihm die anwesenden Laufnarren – und freuten sich auf weitere Jahre mit ihm.

Für die Kulturbrücke hatte Stockburger bereits 2018 die Schirmherrschaft übernommen. Hannelore Sprenger verlas ein Grußwort von Christiane Pieper, die ihm für die wertvolle Zusammenarbeit und tatkräftige Unterstützung dankte.
Beim Stehempfang hatten die Besucher dann Gelegenheit, sich in lockerer Atmosphäre von Rainer Stockburger zu verabschieden. Er ist bereits nach Steißlingen umgezogen, wird aber noch bis zum 31. Juli in Stockach arbeiten.