Rainer Stockburger hört als evangelischer Pfarrer und Gemeinderat auf. Zudem stehen einschneidende Änderungen bei den evangelischen Kirchengemeinden Stockach, Ludwigshafen und Steißlingen-Langenstein an. Das Jahr 2023 wird somit ein großes Jahr des Wechsels für die evangelische Kirche im Raum Stockach. Und dieser Wandel wird in den kommenden Jahren noch weitergehen.
Mit dem eigentlich positiv klingenden Wort Verlobung beschreiben die Kirchengemeinden in einer Pressemitteilung eine neue engere Zusammenarbeit, die beschlossen worden sei. Das Ziel sei, in Zukunft organisatorisch und inhaltlich näher zusammenzurücken, um zum einen Finanzen, Gebäude und Personal einzusparen, zum anderen aber auch mit gemeinsamer Kraft besser auf die kirchlichen Herausforderungen in der Zukunft eingehen zu können. Am Ende könnte eine Fusion der drei Gemeinden stehen. Die Entscheidung hierzu müsste bis Ende 2025 fallen.
Einnahmen fehlen, Stellen sollen abgebaut werden
Dieser Prozess sei notwendig geworden, weil den Kirchen die Einnahmen durch zurückgehende Kirchensteuern fehlen werden. Die Kirchensteuern würden einbrechen, weil die demografische Entwicklung für weniger Mitglieder sorge und es viele Austritte gebe.
Im Kirchenbezirk Überlingen-Stockach seien vier Kooperationsräume festgelegt, innerhalb derer bis spätestens 2036 Personalstellen abgebaut werden. „Damit nehmen wir gemeinsam unsere Verantwortung wahr, wie Kirche in unserer Region auch in Zukunft für die Menschen da sein kann“, so Pfarrer Rainer Stockburger.
Künftige Kirchenarbeit wird anders
Beim Treffen in Stockach sei über den Sitz des gemeinsamen Pfarrbüros nachgedacht worden. Auch das Thema „Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit“ habe auf der Agenda gestanden. Die Haupt- und Ehrenamtlichen hätten zudem geplant, wie Kinder und Jugendliche stärker angesprochen und Gemeindearbeit zusammen gestaltet werden könnten.
Die Stimmung bei der Konzeptionsdebatte sei hoffnungsvoll und angenehm gewesen: „Es tut gut zu erfahren, wie stark die Kraft ist, die uns zusammenkommen lässt und uns verbindet“, fasste Pfarrerin Martina Stockburger aus Steißlingen-Langenstein zusammen. Und so hätten die Delegierten „tragfähige Verabredungen für die Art und Weise der zukünftigen Zusammenarbeit“ zu Stande bringen können, wie Christian Messner, Vorsitzender aus Steißlingen, es formuliert habe.
Bald erhalten nicht mehr alle Kirchengebäude Geld
Auf SÜDKURIER-Nachfrage schildert Rainer Stockburger, in Stockach seien 30 Prozent weniger Mitglieder und Einnahmen zu erwarten. Im Rahmen eines Liegenschaftsprojekts der Landeskirche sei eine Gebäudeampel mit Farbkategorien erstellt worden, die Kirchengebäude in die Farben Grün, Gelb und Rot einordnet.
Grün bedeute weiterhin eine finanzielle Unterstützung durch die Landeskirche, während ein mit rot bewertetes Gebäude nicht mehr mitfinanziert werden könne. Dies betrifft laut Stockburger acht von 24 Kirchen und Gemeindehäusern in dem Bezirk. Die Entscheidungen seien zwar noch nicht definitiv, aber kämen in rund einem Jahr.
Im Gebiet der Kirchengemeinden Stockach, Ludwigshafen und Steißlingen-Langenstein seien alle Kirchen bis auf zwei grün. Wahlwies und Sipplingen, dessen Kirche zu Ludwigshafen gehört, seien rot. Beide sollen laut Stockburger zwar nicht abgeschafft werden, doch in Zukunft seien bei der Finanzierung ein Verein oder Spenden gefragt.
Künftig müsse zusammen überlegt werden, was finanziert werden könne und was nicht, so Stockburger. Zum Beispiel sei ein gemeinsames Sekretariat für die drei Kirchengemeinden angedacht, die nun den Kooperationsraum Regio West darstellen. Auf die jetzt beschlossene Verlobung in Form der Zusammenarbeit der hauptamtlichen Kräfte werde im Jahr 2025 die Heirat folgen – dann werden alle komplett in einem Zusammenschluss arbeiten. „Wir haben uns auf den Weg gemacht, weil wir keine andere Chance sehen“, erklärt Rainer Stockburger.

Ab 2036 nur noch zwei statt drei Pfarrer
Bis zum Jahr 2036 werden die drei Gemeinden nicht mehr drei, sondern gemeinsam nur noch zwei Pfarrer haben, schildert der 66-Jährige weiter. Diese seien dann gemeinsam für alles zuständig.
Bereits seit zwei Jahren fänden regelmäßige Treffen statt, um den ganzen Wandel auf den Weg zu bringen und die Details auszuarbeiten. Die Pfarrer würden nun gemeinsame Dienstpläne erstellen – zu Stellenkürzungen seien bereits Entscheidungen getroffen. Die Umsetzungen sollen bis zum Jahr 2036 stattfinden.
Stockburger erzählt, er sei bereits seit mehr als 30 Jahren Pfarrer und habe in dieser Zeit erlebt, wie sich sehr vieles geändert habe oder geschrumpft sei. Der Wandel zu einem Christentum komme, in das man nicht hineingetauft werde, sondern für das man sich bewusst entscheide. In der evangelischen Kirche sei es zudem so, dass ein Pfarrer nicht geweiht, sondern ordiniert werde. Jeder könne somit Pfarrer werden.
Gesundheitliche Gründe und ein Umzug
Der aktuelle Prozess geht ab dem Sommer aber ohne Rainer Stockburger weiter. Der 66-Jährige hört aus gesundheitlichen Gründen als Stockacher Pfarrer auf. Seine Frau Martina werde weiterhin Pfarrerin für Steißlingen-Langenstein bleiben. Beide werden auf Juli nach Steißlingen ziehen. Für Stockburger muss dann eine Person im Gemeinderat nachrücken.
Für die Pfarrer-Stelle laufe bereits die Suche nach einem Nachfolger, erklärt er im Gespräch. Der neue evangelische Pfarrer solle dann zum 1. September in Stockach anfangen. Stockburgers letzter Gottesdienst in Stockach wird bereits am 16. Juli sein, ein weiterer sei noch in Langenstein geplant. Der Pfarrer ergänzt, er werde vielleicht noch ein Jahr als Springer im Kirchenbezirk Konstanz arbeiten.