Für Museums- und Stadtarchivleiter Johannes Waldschütz ist es ein Erfolg auf ganzer Linie: Er erhält rund 24.000 Euro Zuschuss von der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (Kek) für die Schadenskartierung und Restauration von Rechnungsbüchern im Stadtarchiv Stockach. „Wir sind stolz, dass der Antrag geklappt hat“, sagt Waldschütz über den positiven Bescheid von Kek. Dies sei ein Modellprojekt, ergänzt er.

Eine alte handschriftliche Rechnung der Firma Dandler an die Stadt Stockach.
Eine alte handschriftliche Rechnung der Firma Dandler an die Stadt Stockach. | Bild: Löffler, Ramona

Die vermeintlich zähen und langweiligen Rechnungsbücher seien sehr wertvoll: „Rechnungen sind unterschätzte Quellen“, sagt Waldschütz. „Sie sind zwar nicht leicht zu lesen, aber wenn man genauer hinschaut, können sie sehr viel verraten.“ Denn über die Jahrhunderte seien Rechnungen zu Büchern gebunden und immer durchgehend aufbewahrt worden, während Ratsprotokolle teilweise nicht mehr vorhanden seien – zum Beispiel aus der Zeit des Dritten Reiches. Die Rechnungen könnten Aufschluss über Vorgänge und Entwicklungen in der Stadt geben, da man sehe, was für welchen Zweck bezahlt wurde und wieviel.

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Der Zahn der Zeit nagt an den Bänden

Von den Rechnungsbänden gibt es im Stadtarchiv so einige: Rund 95 Meter in den Regalen in mächtigen Bänden. Diese sind teils in Leder gebunden, teils in Textil. Andere wiederum seien nur in den Leimtopf getaucht worden, um die Seiten aneinander zu binden. Die Rechnungen reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück, wie Waldschütz erzählt.

Die Jahrhunderte sind den Bänden inzwischen deutlich anzusehen. Viele weisen unterschiedliche Schäden auf, so der Archivleiter: Hier und da Schimmelspuren, verblasste Tinte oder Löschsand von der Tinte zwischen den Seiten. Auch ganz normaler Staub aus bis zu 400 Jahren, Papierfraß oder Schäden an der Bindung. „In manchen Fällen bedroht es den Bestand“, sagt Waldschütz.

Würde man diese Bücher benutzen wollen, würden sie dabei kaputt gehen. Daher sei manches momentan gar nicht mehr benutzbar, wenn nicht gehandelt werde. Archivmitarbeiter Christopher Wangenheim ergänzt einen weiteren Grund, warum die Reinigung und Rettung wichtig ist: „Schmutz kann Ungeziefer anlocken.“

Der Unterschied ist deutlich: Auf den Büchern liegt viel Staub aus Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten. Das Gröbste landet vor dem ...
Der Unterschied ist deutlich: Auf den Büchern liegt viel Staub aus Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten. Das Gröbste landet vor dem Einpacken im Staubsaugerbeutel. | Bild: Löffler, Ramona

Was der Restaurator jetzt macht

Nun wird rund ein Viertel des Bestands, also etwa 26 Regalmeter, gereinigt und die Schäden kartiert. Das kostet 36.000 Euro und der Zuschuss von Kek beträgt 24.000 Euro. Einzelne Stücke dieser beschädigten Bücher, bei denen die Restauration sehr dringend ist, werden dann in einer Fachfirma aufwendig bearbeitet. Matthias Raum von Raum Werkstatt für Buch- und Papierrestaurierung und sein Team kümmern sich darum. Die Firma hatte die öffentliche Ausschreibung gewonnen.

Raum war persönlich im Stadtarchiv, um die Bände zu sichten, abzusaugen und einzupacken. Waldschütz, Wangenheim und Raum haben bereits im vergangenen Jahr zusammengearbeitet. Es sei eine gute Zusammenarbeit gewesen.

Matthias Raum erfasst alle Bände in einem Schadenskataster in einer Tabelle auf dem Computer. „Schadensklassen richten sich nach der Benutzbarkeit“, erklärt er. Je weniger man ein Buch nutzen könne, desto höher die Schadensklasse. Waldschütz ergänzt: „Bei Schimmel darf man ein Buch keinen Benutzern vorlegen.“

Stadtarchiv-Mitarbeiter Christopher Wangenheim blättert durch einen massiven Rechnungsband.
Stadtarchiv-Mitarbeiter Christopher Wangenheim blättert durch einen massiven Rechnungsband. | Bild: Löffler, Ramona

Bei einem besonders lädierten Exemplar schätzt Raum die Restaurierungskosten auf rund 2000 Euro und den Zeitaufwand auf drei Monate. Der Zuschuss von Kek sei daher fast wie ein Tropfen auf den heißen Stein, so Waldschütz. Er will im kommenden Jahr nochmal einen Antrag stellen: „Bei einigen Büchern ist Gefahr im Verzug.“

Die Arbeit von Matthias Raum ist sehr intensiv und aufwendig. „Ein Staubsaugerbeutel mit acht Liter Fassungsvermögen ist am Ende eines Tages im Archiv voll“, erzählt er. Und er müsse immer wieder die Handschuhe wechseln, weil sie so schmutzig würden.

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Waldschütz ist sehr stolz auf dieses Modellprojekt, da es ein Verfahren mit großer Konkurrenz sei, die Mittel auf zwei Jahre bewilligt worden seien und das Stockacher Stadtarchiv als sehr kleines Archiv dieses Geld erhalte. „Unser Antrag hat offenbar überzeugt.“

Anmerkung der Redaktion: Im ersten Absatz wurde ein Fehler im Namen der Koordinierungsstelle korrigiert.