Schlafstörungen, Beklemmungsgefühle, Angstzustände. Das sind Dinge, die viele Menschen kennen. Was vielen aber nicht bewusst ist, ist, dass die Ursache dafür in einer psychischen Erkrankung wie einer Depression begründet sein kann. „Etwa 75 bis 80 Prozent der Menschen, die behandlungswürdig depressiv erkrankt sind, befinden sich nicht in ausreichender ärztlicher oder psychologischer Behandlung“, sagt Simon Senner. Er ist Chefarzt der neuen psychiatrischen Tagesklinik, die das Zentrum für Psychiatrie (ZfP) Reichenau in Stockach eingerichtet hat.

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Diese oft unzureichende Versorgung psychischer Erkrankungen sei problematisch, denn laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) handle es sich beispielsweise bei Depressionen zukünftig um die im Vergleich zu auch körperlichen Störungen am stärksten beeinträchtigende Erkrankung, welche den Menschen die meisten gesunden Lebensjahre kostet. Und dass, obwohl sehr viele psychische Erkrankungen eigentlich gut behandelbar wären.

Menschen gehen häufiger in Behandlung

Umso erfreulicher ist es für Uwe Herwig, Ärztlicher Direktor Psychiatrie und Psychotherapie und stellvertretender Geschäftsführer des ZfP Reichenau, dass die Gesellschaft in den vergangenen Jahren ein weiter zunehmendes Bewusstsein für die Bedeutung der psychischen Gesundheit erlangt. „Die Zahl der Erkrankungen nimmt nicht unbedingt zu, aber sie werden häufiger erkannt und die Menschen nehmen häufiger eine Behandlung in Anspruch“, erklärt er.

Das Anliegen einer wohnhortnahen Versorgung ist für das ZfP Reichenau die Grundlage, auch in Stockach ein psychiatrisches Angebot zu unterbreiten. Am Montag nimmt die neue Tagesklinik im Stockacher Ärzte- und Geschäftshaus ihre Arbeit auf. Die feierliche Eröffnung samt Tag der offenen Tür soll zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden.

„Stockach war für uns in den vergangenen Jahren ein weißer Fleck auf der Karte des Landkreises“, sagt Jochen Reutter, Betriebsdirektor und ebenfalls stellvertretender Geschäftsführer des ZfP Reichenau. Deshalb habe es sich wunderbar gefügt, dass man sich mit der Tagesklinik in das neue Ärzte- und Geschäftshaus, direkt beim Stockacher Krankenhaus, habe einmieten können. Die Planungen für die Tagesklinik liefen bereits seit mehr als drei Jahren.

Patienten können im eigenen Bett schlafen

Rund 15 Behandlungsplätze bietet die neue Einrichtung. Das Angebot ist bewusst niederschwellig angelegt, um für Betroffene mit verschiedenen psychischen Erkrankungen einen einfachen Zugang zu ermöglichen. Die Behandlung erfolgt von 8 bis 16 Uhr, danach können die Patienten zurück nach Hause zu ihren Familien. „Im Prinzip bieten wir hier ein tagesfüllendes Programm an wie stationär in einer Klinik, allerdings können unsere Patienten abends nach Hause und im eigenen Bett schlafen“, erklärt Oberärztin Imke Jansen.

Oberärztin Imke Jansen und Chefarzt Simon Senner im Empfangsbereich der neuen Tagesklinik.
Oberärztin Imke Jansen und Chefarzt Simon Senner im Empfangsbereich der neuen Tagesklinik. | Bild: Dominique Hahn

Das bedeute aber auch, dass sich die Patienten außerhalb der Therapiezeit selbst versorgen können müssen. „Unser Fokus bei der Behandlung liegt vor allem auf psychotherapeutischen, aber auch auf medikamentösen und sozialpsychiatrischen Ansätzen“, erklärt Senner. Unter anderem wolle man mit der neuen Einrichtung auch einen Ort bieten, um Menschen zu helfen, die in einer akuten Lebenskrise sind, fügt Herwig an.

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Neben der Psychotherapie ist unter anderem auch die ergotherapeutische Behandlung ein wichtiges Element. So stehen etwa kreative Tätigkeiten wie Zeichnen und Werken, aber auch alltagspraktische Dinge wie Backen und Kochen auf dem Programm, erläutert Imke Jansen. Dabei gehe es darum, erfolgreiches Planen und Handeln sowie auch kognitive Fertigkeiten wie Konzentration und Durchhaltevermögen wieder zu trainieren, erläutert Herwig.

Nähe zum Krankenhaus als Vorteil

Dafür bieten die hellen, freundlichen Räumlichkeiten der Tagesklinik auf rund 500 Quadratmetern ausreichend Platz. Auch für die Bewegungstherapie mit Angeboten wie Yoga, einer Tanzgruppe und progressiver Muskelentspannung gibt es einen eigenen Raum. Das Team besteht aus insgesamt elf Mitarbeitern, darunter drei Ärzte, zwei Psychotherapeuten und eine Sozialarbeiterin.

Die räumliche Nähe zum Stockacher Krankenhaus solle dabei für beide Seiten von Vorteil sein, macht Simon Senner deutlich. So werde die Tagesklinik mit Essen aus der Krankenhausküche versorgt und das Personal der Tagesklinik stehe dem Krankenhaus beratend zur Seite, wenn es um psychologische Fragen gehe.

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