Schon zum zweiten Mal seit Beginn des neuen Jahres haben die Landwirte aus der Region in Stockach gegen die Politik der Bundesregierung demonstriert. Diesmal sogar mit großer Unterstützung aus dem Handwerk und Transportgewerbe, sodass wieder über 400 Fahrzeuge gezählt wurden. Bei der Kundgebung auf dem Dillplatz kamen am Montagabend neben Vertretern aus diesen Branchen auch drei Politiker zu Wort. Zwei von ihnen wurden ausgebuht.

Für Andreas Deyer, den Kreisvorsitzenden des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbands in Stockach, macht der anhaltende Protest deutlich: „Die Hütte brennt“. Die große Solidarität, die die Landwirte inzwischen erfahren, zeige für ihn, dass das Maß voll ist. „Ganz besonders bei denen, die Leistung bringen“, so Deyer. „Ich bin absolut kein Gegner des Sozialstaats, aber wer Leistung bringt, muss am Ende auch mehr haben“, betonte er und bekam dafür großen Applaus.

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Zurück zu Sachlichkeit und Fachlichkeit

Insgesamt müsse man wieder zu einer Politik der Sachlichkeit und der Fachlichkeit zurückkommen, so Deyer. Insbesondere in den vergangenen zwei Jahren habe er das Gefühl gehabt, dass Politik gemacht werde, ohne mit den Betroffenen zu reden. „Die Politiker wollen es von oben herab besser wissen, obwohl sie fachlich keine Ahnung haben“, so Deyer. Als Beispiel nennt er das Heizungsgesetz, das für viel Verunsicherung gesorgt habe.

Viele Passanten signalisierten am Straßenrand Zustimmung und winkten den vorbeifahrenden Fahrzeugen oder zeigten einen Daumen nach oben.
Viele Passanten signalisierten am Straßenrand Zustimmung und winkten den vorbeifahrenden Fahrzeugen oder zeigten einen Daumen nach oben. | Bild: Dominique Hahn

Doch eine Sache stellt Deyer abermals klar: „Wir wollen die Ampel nicht stürzen. Das wäre ein Zeichen für eine schwache Demokratie. Aber die nächsten Wahlen kommen.“ Dass die Landwirte mit ihren Protesten von manchen Kommentatoren in die rechte Ecke gestellt werden, ärgere ihn. „Wir sind nicht rechts, Landwirtschaft ist bunt. Wenn wir mit unseren Protesten in die rechte Ecke gestellt werden, dann ist das ein Schlag für die Demokratie“, betonte er.

Bei der Kundgebung kamen unter anderem drei Vertreter der Landespolitik zu Wort. Als erste sprach die Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger von den Grünen. „Ich finde gut, dass sie gekommen sind“, betonte sie und verwies darauf, dass man in der Vergangenheit schon gute Ergebnisse erzielt habe, wenn man miteinander geredet habe. Mehrfach wurde Wehinger ausgebuht. „Hau ab“, schallte ein Zwischenruf über den Platz, als sie sprach. „So werden wir nicht weiterkommen“, entgegnete sie.

Die Landtagsabgeordneten Hans-Peter Storz (SPD), Klaus Burger (CDU) und Dorothea Wehinger (Grüne).
Die Landtagsabgeordneten Hans-Peter Storz (SPD), Klaus Burger (CDU) und Dorothea Wehinger (Grüne). | Bild: Dominique Hahn

Zwei Politiker zeigen sich selbstkritisch

Weniger Ablehnung zeigten die Demonstranten, als Hans-Peter Storz, der als SPD-Landtagsabgeordneter ebenfalls einer der Ampel-Parteien angehört, an das Mikrofon trat. Zwar gab es auch hier zunächst Buh-Rufe, doch Storz zeigte sich selbstkritisch. „Ich habe selbst nicht verstanden, wieso die Ampel diese Entscheidung getroffen hat“, so Storz mit Blick auf die Kürzungen bei den Steuervergünstigungen für die Landwirtschaft.

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Besser wäre es aus seiner Sicht gewesen, auf eine Kerosinsteuer zu setzen oder das Dienstwagenprivileg abzuschaffen. „Aber euer Protest ist gut, er bringt die Politik zum Nachdenken“, so Storz. Er verwies allerdings auch darauf, dass er einen Teil des Problems auch bei Verbrauchern und Handel sehe. „Die Verbraucher wollen, dass keine Tiere in engen Ställen zusammengepfercht werden, gleichzeitig herrscht eine ‚Geiz ist geil‘-Mentalität“, erklärte er. Insgesamt sehe er in dem, wie die Regierung bereits auf die Proteste reagiert hat, gute Ansätze. „Setzen wir uns zusammen, darauf können wir aufbauen“, lautete sein Fazit.

Laut einer Schätzung der Polizei waren zwischen 800 und 900 Zuhörer zu der Kundgebung auf den Dillplatz gekommen. Darunter nicht nur ...
Laut einer Schätzung der Polizei waren zwischen 800 und 900 Zuhörer zu der Kundgebung auf den Dillplatz gekommen. Darunter nicht nur Landwirte sondern auch Vertreter aus dem Handwerk und Transportgewerbe. | Bild: Dominique Hahn

Ampel soll besser zuhören und verstehen

Für die CDU sprach der Landtagsabgeordnete Klaus Burger aus dem benachbarten Wahlkreis Sigmaringen. „Ihr habt alles Recht und gute Gründe zu demonstrieren“, betonte er und zeigte sich dabei ebenfalls selbstkritisch. „Auch die CDU hat Fehler gemacht. Wer etwas anderes behauptet, spricht falsch. Aber die Fehler der vergangenen zwei Jahre können nicht übergangen werden“, so Burger.

Die Ampel müsse lernen „noch besser zuzuhören und vor allem zu verstehen“, betonte Burger und bekam dafür großen Applaus. Landwirte, Transportgewerbe und Handwerk hätten in der Corona-Pandemie einmal mehr unter Beweis gestellt, dass sie systemrelevant sind, und müssten deshalb gestärkt werden, so Burgers Fazit.

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Große Zustimmung gab es auch für den Redebeitrag von Landwirt Florian Reyer von der Hofgemeinschaft Heggelbach, der ein Plädoyer für die Sicherung der Produktion von gesunden, regionalen Lebensmitteln hielt. Auch die Worte von Karl Denzel, dem Obermeister der Fleischerinnung Schwarzwald-Bodensee, und Kurt Fichthaler, Fuhrparkleiter bei der Firma Avia-Welsch, stießen auf viel Zustimmung. Letzterer lobte die Landwirte dafür, dass sie den Mut hatten, den Anfang zu machen und sich gegen die Sparmaßnahmen zu wehren.

Viele Demonstrationsteilnehmer machten ihrem Ärger mit Protestschildern an ihren Fahrzeugen Luft.
Viele Demonstrationsteilnehmer machten ihrem Ärger mit Protestschildern an ihren Fahrzeugen Luft. | Bild: Dominique Hahn

Zu viel Bürokratie in allen Bereichen

„Aber das Thema geht uns alle an“, betonte er. Die Auflagen im Transportgewerbe seien in den vergangenen Jahren stetig gestiegen und damit auch die Kosten. Allein die Maut sei zum 1. Dezember um 80 Prozent erhöht worden. „Eine Fahrt von hier nach Hamburg kostete früher 310 Euro Maut, jetzt sind es über 600 Euro“, rechnete er vor. Besonders ärgerlich sei vor diesem Hintergrund, dass das Geld nicht in die Sanierung der maroden Straßen fließe, sondern für die Bahn verwendet werden solle.

Fichthaler wies zudem darauf hin, dass Lastwagenfahrer einmal jährlich ihre Qualifikation nachweisen müssen. „Müssen unsere Politiker ihre Qualifikation nachweisen?“, fragte er in die Runde und erhielt großen Applaus.

Auch das Transportgewerbe war diesmal zahlreich an der Demonstration vertreten.
Auch das Transportgewerbe war diesmal zahlreich an der Demonstration vertreten. | Bild: Dominique Hahn

Handwerk braucht mehr Perspektive für Zukunft

Ähnliche Probleme schilderte Karl Denzel aus Sicht des Handwerks. Selbstständigkeit lohne sich nicht mehr. Das zeige sich auch daran, dass es gerade noch 44 selbstständige Metzger im gesamten Innungsgebiet gebe. „Tendenz sinkend“, betonte er. Ein großes Problem sei für ihn auch, dass die Bürokratie immer nach unten durchgereicht werde, sodass der Meister als schwächstes Glied in dieser Kette fast nur noch im Betrieb sitze und Formulare ausfülle. „Ohne Handwerk keine Zukunft. Wenn diese Botschaft nicht ankommt, sehe ich schwarz“, so Denzels Fazit.