Michael Schnell ist fest davon überzeugt, dass Tiny Houses eine Zukunft haben. Tiny ist das englische Wort für winzig. „Bezahlbarer Wohnraum, Wohnungsnot, ein moralisch vertretbarer ökologischer Fußabdruck – das sind alles Dinge, die uns heute beschäftigen“, findet Schnell. „Noch haben die Kommunen nicht erkannt, welches Potential in dieser Art des Wohnens steckt. Doch die Lawine kommt ins Rollen und in fünf, sechs Jahren werden die Gemeinden auch immer mehr Plätze bereitstellen“, glaubt der 81-Jährige.

Michel Schnell über sein Tiny House Video: Johanson, Kirsten

Der frühere Lehrer und nebenberufliche Architekt lebt mit seiner Frau im Hügelhof in Herdwangen-Schönach in einem Einfamilienhaus und in seinem Garten steht ein ochsenblutrotes Tiny Haus auf einem Zweiachs-Trailer. Ursprünglich hätte es in Friedrichshafen aufgestellt werden sollen. „Meine Tochter wollte ihre Wohnung aufgeben und fragte mich, ob ich für sie ein Tiny Haus bauen kann. Doch dann nahm sie eine Stelle als Lehrerin in Asien an – seither steht das Tiny Haus bei uns. Die Leute sagen, es erinnert sie an die Lokomotive von Jim Knopf.“

Links befindet sich die Küchenzeile, hinten die Nasszelle. Rechts führt eine Treppe nach oben zum Schlafbereich.
Links befindet sich die Küchenzeile, hinten die Nasszelle. Rechts führt eine Treppe nach oben zum Schlafbereich. | Bild: Kirsten Johanson

Immer mehr Menschen scheinen sich nach Alternativen in Bezug aufs Wohnen zu sehnen. Die „Tiny House Gemeinschaft am Bodensee“ träumt sogar von einem gemeinschaftlichen Leben und sucht noch nach Bauland mit Platz für 20 Tiny Häuser und einer Landwirtschaftsfläche für einen Permakulturgarten. Nicht jeder hat gleich die Vision eines genossenschaftlichen Miteinanders, sondern möchten im Sinne von „Downsizing“ – also weniger Konsum und weniger Materialismus – sein Leben vereinfachen. Andere brauchen schlichtweg nicht so viel Platz und finden die Idee einer minimalistischen Behausung reizvoll. Auch finanziell. Es spricht einiges dafür, sich angesichts hoher Baupreise und teurer Grundstücke für ein Tiny Haus zu entscheiden. Die Kosten für ein solches Haus sind geringer im Vergleich zum Kauf oder Bau einer Eigentumswohnung oder eines Einfamilienhauses. Ein Tiny Haus verbraucht weniger Fläche und Energie, der Boden wird nicht versiegelt.

Über die Bettkante kann man die Beine nach unten baumeln lassen.
Über die Bettkante kann man die Beine nach unten baumeln lassen. | Bild: Kirsten Johanson

Michael Schnell hat sein Mini-Haus selber konstruiert. „Mein Neffe ist Landwirt in Ebratsweiler und dort habe ich es nach und nach in der Scheune gebaut.“ Rund 700 Stunden hat er investiert. Auf den Trailer der holländischen Firma Vlemmix hat Schnell einen Boden aus wasserfesten Siebdruckplatten montiert und mit Hanf gedämmt. Die äußere Holzverschalung besteht aus Douglasie, innen verbaute Schnell OSB-Platten. Die Wohnwagen-Fenster kaufte er bei einem Händler in Isny. Das Dach besteht aus Schweißbahnen und erhielt einen Isolieranstrich. Das Schlafloft ist über eine Treppe erreichbar, es gibt einen Wohn- und Kochbereich sowie eine Nasszelle mit Sitzbadewanne, Waschbecken und kleiner Waschmaschine. Als Heizung hat Schnell eine Infrarot-Paneele an der Decke und einen Schwedenofen vorgesehen. Haus-Aufsatz und Anhänger sind nicht miteinander verbunden, somit ist das Haus auf Rädern mobil und gilt als Ladung. Nur der Anhänger muss zum TÜV, erklärt Schnell. „Das Tiny Haus darf nicht mehr als 3,5 Tonnen wiegen, eine Breite von 2,55 Meter nicht überschreiten und nicht höher als vier Meter sein.“

Unter der Treppe, die zur Schlafgalerie führt, ist genug Stauraum für Hausrat.
Unter der Treppe, die zur Schlafgalerie führt, ist genug Stauraum für Hausrat. | Bild: Kirsten Johanson

Jetzt auf Ebay zum Verkauf

Alles ist vorbereitet, das Tiny Haus an Frisch- und Abwasser sowie Strom anzuschließen. „Ich dachte, meine Enkel könnten es zum Spielen nutzen, auch für Gäste zum Übernachten wäre es geeignet. Doch mittlerweile bieten wir es auf Ebay zum Verkauf an“, erzählt Schnell. Warum das? „Die Baurechtsbehörde erlaubt nicht, dass wir es an dieser Stelle stehen lassen, denn es darf als bewohnbarer Raum nicht außerhalb des Baufensters stehen.“ Wäre er alleine, so Schnell, würde er mit seinem Tiny Haus als Hauptwohnsitz an die Mecklenburgische Seenplatte ziehen. Dort hat in Bad Stuer am Plauer See im Herbst 2020 ein Tiny Haus-Dorf eröffnet.

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Wohin mit dem Häuschen? Ohne baurechtliche Genehmigung kein Tiny Haus

Nicht selten scheitert der Traum am Fehlen einer geeigneten Fläche, um das Mini-Haus aufzustellen. Wie der SÜDKURIER im August berichtete, ist Oberteuringen eine der ersten Gemeinden in der Region, die in einem Neubaugebiet im Teilort Bitzenhofen zwei mögliche Grundstücke für Tiny Häuser ausweist. Bei der Baurechtsbehörde der Stadt Pfullendorf haben sich die Anfragen für Tiny Häuser bislang in überschaubaren Grenzen gehalten. Wie der stellvertretende Leiter der Bauverwaltung, Martin Blok, ausführte, werden Tiny Häuser ganz normal als genehmigungsbedürftige bauliche Anlagen behandelt. Grundsätzlich bestehe die Möglichkeit, Tiny Häuser im Gemeindegebiet aufzustellen. Bislang gebe es aber keinen Bebauungsplan, der diese Thematik speziell behandelt. Der Vorteil eines Tiny Hauses sei eine geringere Bodenversiegelung. Sofern die Nutzfläche unter 50 m² liege, gelte es als kleines Gebäude im Sinne des Gebäudeenergiegesetzes. Insbesondere in gebäudeenergetischer Hinsicht könne es für Tiny Häuser Vereinfachungen geben. Dagegen spreche, dass sie in klassischen Wohngebieten oft exotisch wirkten. Sofern das Tiny Haus auf einem Anhänger stehe, gelte es unter Umständen als fliegender Bau. Dies treffe aber nur dann zu, wenn die Standzeit nicht länger als drei bis sechs Monate ist.

Szenario 1: Darf ich auf meinem Bauplatz anstelle eines Einfamilienhauses ein Tiny Haus aufstellen?
Blok: Jedes Vorhaben muss in jedem Einzelfall neu geprüft werden. Hier kommt es vor allem darauf an, ob das Grundstück im Geltungsbereich eines Bebauungsplans bzw. örtlicher Bauvorschriften liegt, die bestimmte Festsetzungen treffen. Wenn dies nicht der Fall ist greift die Planersatzvorschrift des § 34 BauGB. Diese trifft Regelungen für den nicht überplanten Innenbereich. Liegt ein Baugrundstück im sogenannten Unbeplanten Innenbereich, dürfte jedoch ein Tiny Haus tendenziell einfacher realisierbar sein.

Szenario2: Ich besitze ein Haus und auf dem Grundstück ist noch Platz. Darf ich dort zusätzlich ein Tiny Haus aufstellen?
Blok: Ein Tiny Haus ist ein genehmigungspflichtiges Vorhaben und in keinem Fall verfahrensfrei realisierbar. Tiny Häuser sind zum dauerhaften Aufenthalt von Menschen gedacht, außerdem verfügen sie auch regelmäßig über Feuerungsanlagen

Szenario 3: Ich kenne einen Landwirt, der mir erlauben würde, auf seiner Wiese ein Tiny Haus aufzustellen. Darf ich das?
Blok: Das dürfte tendenziell eher nicht der Fall sein. Ein Tiny Haus bedarf, wie jede bauliche Anlage auch, einer gesicherten Erschließung. Das bedeutet, an das Vorhabengrundstück muss zumindest ein Weg heranführen. Außerdem sollte das Vorhabengrundstück mit Versorgungsleitungen (Wasser und Strom) versorgt werden. Das ist bei einer Wiese eher nicht ohne Weiteres der Fall. Außerdem ist die Realisierung einer Wohnnutzung im Außenbereich nicht privilegiert (§ 35 Abs. 2 BauGB) und daher äußerst wahrscheinlich nicht genehmigungsfähig.