Nein, wir sind nicht im Amazonasgebiet und schleichen auf leisen Sohlen durch den Regenwald, das Blasrohr fest umklammert, die Giftpfeile parat, um unser Abendessen zu erlegen. Wir sind beim Schützenhaus in Herdwangen und wenn auf Tiere geschossen wird, dann sind sie aus Gummi.
Eine der ältesten Jagdmethoden
Blasrohrschießen, erzählt Markus Häusler, ist in der Tat eine der ältesten Jagdmethoden der indigenen Völker. Hierzulande ist das Jagen mit dem Blasrohr verboten. Mitunter verwenden Tierärzte im Zoo ein Blasrohr zum Betäuben von Tieren. In Deutschland ist das Blasrohrschießen als Sport auf dem Vormarsch und inzwischen offizielle Disziplin bei Turnieren. Anfangs waren die Blasrohrschützen noch dem Dartsverband angegliedert, mittlerweile dem Deutschen Schützenbund.
Mit Spuckrohren angefangen
„Als Schüler haben wir schon Filzstifte zu Spuckrohren umfunktioniert. Unsere Munition waren Papierkügelchen. Später haben wir Aluröhrchen besorgt und mit Erbsen oder Knete geschossen“, erinnert sich Häusler schmunzelnd. Im Erwachsenenalter entdeckte der Metzgermeister und Inhaber einer Grillschule das Blasrohrschießen wieder neu. Nicht mit Erbsen, sondern mit Pfeilen. „In Sachen Ausrüstung kann man viel selber machen und experimentieren“, sagt der 49-jährige. Er hat zum Beispiel die ersten Pfeile aus Schaschlikspießen gebaut und wechelte dann zu Alu-Stricknadeln. „Die waren aber zu schwer. Hohle Sockenstricknadeln sind aus meiner Sicht am besten!“ Natürlich gibt es im Fachhandel auch Pfeile zu kaufen, mit Messingspitze und Carbonschaft. Um den Darts den nötigen Schub zu verleihen, haben sie am Schaftende einen Konus. Der sieht aus wie ein kleiner Trichter aus Kunststoff und dichtet den Pfeil gegen die Wand des Blasrohrs ab. Die in das Blasrohr gedrückte Luft beschleunigt den Pfeil.
Kaufen oder selber bauen
Ein Blasrohr für Einsteiger kostet um die 70 Euro, auch hier kann sich der Schütze sein Sportgerät selber zusammenstellen. Häuslers Marke Eigenbau besteht aus zwei ineinandergeschobenen Alurohren, das Mundstück war einmal eine Kraftstromsteckdose, zur Polsterung des Griffbereichs kam Fahrradlenkerschutz zum Einsatz. Das Rohr muss mindestens einen Meter lang sein und maximal 1,70 Meter. Das Höchstgewicht liegt bei 2500 Gramm.
Ziel wie beim Bogenschießen
Geschossen wird In- oder Outdoor auf einer Schießbahn. Die Schießscheibe mit Pfeilfang steht in sieben Meter Entfernung. „Wie beim Bogenschießen hat die Scheibe sechs Spots, ein Treffer in die Mitte gibt zehn Punkte – oder Ringe. Dieser Innenkreis hat einen Durchmesser von vier Zentimetern“, erklärt Häusler. Sein umfangreiches Wissen rund um das Blasrohrschießen hat Häusler aus You-Tube-Tutorials, Foren im Internet und natürlich tauscht er sich mit Kollegen anderer Schützenvereine aus.
Teilnahme an Wettbewerben möglich
Wer sich über den Spaß hinaus mit anderen messen will, kann bei Wettbewerben antreten. Pro Wettkampf werden 60 Pfeile geschossen. Pro sogenannter Passe sechs Pfeile in drei Minuten. Nach fünf Durchgängen, also 30 Pfeilen, erfolgt eine 15-minütige Pause. An seinen ersten Wettkampf erinnert sich Häusler gut. 2019 in München. „Von 74 Startern in meiner Klasse landete ich auf Platz 25. Nach Corona fand das erste Präsenzturnier im April statt, die Deutsche Meisterschaft. Ich wurde zwei Mal Erster.“
Ein bisschen wie beim Kirschkern-Weitspucken
Im Freien kann man ähnlich wie bei einem Bogen-Parcours mit dem Blasrohr auf 3-D-Ziele schießen. „Mit der richtigen Technik fliegt der Pfeil bis zu 25 Meter.“ Beim Schießen sind beide Augen geöffnet, sodass man das Rohr beim Fokussieren doppelt sieht und das Zentrum der Scheibe gewissermaßen dazwischen nimmt. Das Mundstück eng an die Lippen pressen, tief durch die Nase einatmen und stoßartig durch den Mund ausatmen. In bisschen wie beim Kirschkern-Weitspucken.
Corona-Pandemie verhinderte zunächst den Erfolg
Bereits seit 2019 bietet der Schützenverein Herdwangen das Blasrohrschießen an, doch wegen Corona hat sich die Trendsportart noch nicht etabliert. „Ich denke, dass auch jüngere Menschen, die mit Gewehr oder Pistole nichts anfangen können, ihren Spaß daran haben.“ Der Sport, so Häusler, sei für die ganze Familie geeignet – und auch für Senioren und Seniorinnen oder Menschen mit Handicap.
