Gnade ließ Richterin Isabelle gegenüber einem 29-jährigen Mann walten, der sich vor dem Amtsgericht Sigmaringen wegen Diebstahls in vier Fällen, wegen eines verursachten Verkehrsunfalls und diverser Gewaltdelikte zu verantworten hatte. Sie verurteilte den in Pfullendorf lebenden Angeklagten zu einer 16-monatigen Freiheitsstrafe, die für vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt ist. „Das ist ja wie ein Sechser im Lotto mit Zusatzzahl“, kommentierte dessen Wahlverteidigerin Marion Häßler hocherfreut den Richterspruch. Sie legitimierte sich im Amtsgericht anstelle des wieder entpflichteten Pflichtverteidigers Jürgen Richter.
Skrupellose Gewalttaten
Das Leben des Angeklagten, der im Juli 2022 aus der Ukraine eingereist war, ist geprägt von schweren Alkoholexzessen und exzessiven, skrupellosen Gewalttaten. Staatsanwältin Denise Merkle hielt ihm vor, im Juni vergangenen Jahres in der Flüchtlingsunterkunft die Geldbörse eines Mitbewohners gestohlen zu haben, die 145 Euro und den ohne Geheimzahl abbuchbaren Betrag von der EC-Karte setzte er in einer Pfullendorfer Tankstelle um. Weitaus schwerwiegender war, dass er mit einem nicht zugelassenen Mercedes im August 2024 ungebremst in Pfullendorf auf ein Auto aufgefahren war, dessen Fahrer sich dabei eine Dispersion der Halswirbelsäule zuzog. Am Fahrzeug des Geschädigten (Wert: 70.000 Euro) entstand Totalschaden, ihm wurden lediglich 7500 Euro erstattet. Ein Alkoholtest beim flüchtigen, später aber gestellten Angeklagten ergab 2,2 Promille.
Kontaktverbot zur Lebenspartnerin
Zudem habe er sich trotz Kontaktverbot gewaltsam den Zutritt zu seiner aktuellen Lebenspartnerin verschafft, diese am Hals gewürgt und alkoholisiert bei einer weiteren verbalen Auseinandersetzung auf dem Marktplatz geohrfeigt und getreten. Als er die Frau auf einem Spielplatz abpasste, zog er sie den Haaren und drohte, ihr Haus abzubrennen und sie zu ermorden. In der Unterkunft soll er Ende November 2024 mit einem Teppichmesser einem ebenfalls betrunkenen Kontrahenten eine zehn Zentimeter lange Schnittwunde zugefügt haben.
Wegen Alkohol nur lückenhafte Erinnerungen
Die Verteidigerin übernahm das Wort und sagte, bis auf die Geschichte mit dem Teppichmesser könnten sämtliche Taten im Grundsatz so eingeräumt werden. Die Erinnerungen ihres Mandanten seien lückenhaft, da oftmals reichlich Alkohol geflossen sei. In der Unterkunft hätten sie vier bis fünf Tage hintereinander unentwegt getrunken. Die Beziehung zur Partnerin beschrieb sie als emotional, sie hätten öfter Streit gehabt, jetzt sei sie von ihm schwanger.
200 Euro als Wiedergutmachung angeboten
Dem durch den Unfall körperlich Geschädigten bot die Verteidigerin 200 Euro als erstes Zeichen der Wiedergutmachung an, den ganzen Betrag könne er nicht leisten. Dem Gericht übergab sie die Erklärung eines Firmeninhabers im Bodenseekreis, der dem Beschuldigten eine Arbeit anbietet. Der Angeklagte selbst bekundete über seine Dolmetscherin, sein Leben künftig in den Griff bekommen zu wollen, ohne exzessive Taten, Alkohol und Gewalt.
Zeugenaussage des Bruders
Eine unrühmliche Rolle spielte vor Gericht der als Zeuge geladene 27-jährige Bruder des Beschuldigten. Offenbar angetrunken begehrte dieser höchst despektierlich auf, weshalb er überhaupt einbestellt worden sei. Gesehen habe er nichts, von Schlägen wisse er nichts. Beim Vorfall mit dem Teppichmesser bezeichnete er den Kontrahenten seines Bruders als „Idioten“, der sich selbst verletzt habe. Er sei durch Pfullendorf gelaufen und habe mit seinen Wunden angegeben. Zwischenzeitlich sei dieser in psychiatrischer Behandlung gewesen.
Polizei kennt den Beschuldigten
Ein Pfullendorfer Polizeihauptmeister und seine junge Kollegin berichteten als Zeugen über ihre Ermittlungen zu Diebstählen und zum Verkehrsunfall. Ein weiterer Beamter informierte über acht Strafanträge der Frau wegen häuslicher Gewalt, die zum Kontaktverbot des Angeklagten führten. Auch registrierte er dessen Verstoß beim Handgemenge im März 2024 auf dem Spielplatz und kam zu dem Fazit: „Es kommt nicht selten vor, dass solche Paare wieder zusammenkommen!“ Tatsächlich bestätigte die 42-Jährige im Zeugenstand, dass sie mit ihm ein eheähnliches Verhältnis führen würde, offiziell seien sie nicht verheiratet. Sie berief sich auf Beziehungsprobleme: „Wenn er Alkohol getrunken hat, ist er aggressiv. Er ist alkoholabhängig und benötigt wohl eine Therapie. Aber insgesamt ist er ein toller Mensch!“ Sie hätten sich an Weihnachten versöhnt.
Staatsanwältin fordert 15 Monate Haft ohne Bewährung
Im Strafregister des Angeklagten sind seit Mai 2023 Gerichtsurteile in Sigmaringen und Bad Saulgau wegen gefährlicher Körperverletzung sowie Diebstahldelikten enthalten, dazu Trunkenheitsfahrten ohne Fahrerlaubnis. Staatsanwältin Merkle sah alle Vorwürfe des Verfahrens als bestätigt, stufte den Mann als Gewohnheitstrinker ein und forderte in ihrem Plädoyer eine 15-monatige Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Die Verteidigerin warb für dessen Beschäftigungsperspektive, pochte trotz der „gruseligen Vergangenheit“ ihres Mandanten auf eine Bewährungsstrafe. Auch der Angeklagte versicherte seine Reue. Letztlich erkannte Richterin Isabelle Voß „trotz Bauchschmerzen“ positive Prognosen beim 29-Jährigen, dass der junge Mann sich durch besser geklärte persönliche Verhältnisse stabilisiert und keine weiteren Straftaten mehr begeht.