Der Vorwurf gegen eine 29-Jährige aus einer Kreisgemeinde vor dem Schöffengericht war schwerwiegend: sie hatte dem leiblichen Vater ihres Kindes, mit dem sie sich das gemeinsame Sorgerecht teilt, vorenthalten und wollte dem Vater erst nach Zahlung von 6000 Euro wieder den Zugang zum Kind erlauben. Als Entziehung von Minderjährigen mit der Absicht, sich bereichern zu wollen, wertete die Staatsanwaltschaft die Geschehnisse, die sich als komplex und kompliziert entpuppten. Der Pflichtverteidiger der Beschuldigten gab namens seiner Mandantin eine Erklärung ab, in der sie die Vorfälle einräumte, und auf die besonderen Umstände hinwies.
Partner erstattet Anzeige, weil er erpresst wurde
Gemeinsam mit dem Vater ihrer Tochter war sie in ihr Heimatland gefahren, um dort ihr Kind aus einer früheren Beziehung zu sehen und möglichst nach Deutschland mitzunehmen. Dort wurde die Frau von ihrem Ex-Partner erwartet, bedroht und geschlagen. Er forderte sie auf, ihm 6000 Euro zu beschaffen, ansonsten würde das gemeinsame Kind nie wiedersehen. „Meine Mandantin war damals nicht in der Lage, über diese Situation zu reden“, wies der Verteidiger auf die extrem belastende Situation hin. Weil er wieder arbeiten musste, fuhr der neue Partner letztlich allein zurück nach Deutschland und bekam dort die Nachricht von der Mutter, dass er ihr 6000 Euro überweisen sollte, ansonsten würde er das gemeinsame Kind nicht wiedersehen. Der erboste Mann ging zur Polizei und erstattete Anzeige.
„Jetzt sind wir eine normale Familie“
„Diese Anzeige würde ich am liebsten zurücknehmen. Jetzt passt alles, und wir sind eine normale Familie“, gab der als Zeuge geladene Mann vor Gericht an. Er bestätigte, dass er schon zuvor etliche tausend Euro an die Familie seiner Partnerin überwiesen habe, womit unter anderem eine Wohnungsrenovierung bezahlt wurde. Jetzt führe man eine stabile Beziehung, versicherte er mehrfach.
„Das Wohl des Kindes stand im Vordergrund“
Aus den Schilderungen des als Zeugen geladenen zuständigen Polizeibeamten wurde die Dramatik der Geschehnisse deutlich. Im Fokus aller Bemühungen stand das Wohl des Kindes, das schnellstmöglich nach Deutschland zurückgeholt werden sollte, wobei auch das Jugendamt eingeschalten war. Der Vater habe ihn per Whatsap stets auf dem Laufenden gehalten, denn täglich gab es Kontakte zwischen Mutter und Vater. Nachdem er auf polizeiliches Anraten die Zahlung der 6000 Euro verweigerte, kam der Vorschlag, dass eine Tante der Frau das Geld zahlen und der deutsche Partner ihr die Summe wieder zurückzahlen sollte.
Frau kommt mit Kind zurück nach Deutschland
„Dann hat er das Geld für die Fahrkosten überwiesen, sodass Mutter und Kind wieder zurückfahren konnten“, erklärte der Beamte, dass die Beiden in Begleitung zweier Männer in Deutschland ankamen, und von der Polizei erwartet wurden. Bei der Vernehmung der Beschuldigten habe sich diese sehr uneinsichtig gezeigt und keine Angaben zu ihrem Ex-Partner gemacht. „Aber dieser hat relativ viel Druck gemacht“, bestätigte der Zeuge.
Staatsanwaltschaft stuft Tat als minderschweren Fall ein
Die Staatsanwaltschaftsvertreterin wies daraufhin, dass auf Kindesentzug eine Mindeststrafe von einem Jahr Haft stehe, berücksichtigte diese „seltsamen Umstände“ und sah einen „minderschweren Fall“, aber der Kindesvater sei erpresst worden und die Mutter habe ihm das Kind zwei Wochen vorenthalten. Sie forderte sie eine zehnmonatige Haftstrafe mit dreijähriger Bewährungszeit. Seine Mandantin habe erheblich unter Druck gestanden, wies der Verteidiger daraufhin, dass es einen täglichen Kontakt zwischen Mutter, Kind und Vater gegeben habe.
Schöffengericht verhängt Bewährungsstrafe und Sozialstunden
„Es tut mir sehr leid“, sagte die Beschuldigte im berühmten „letzten Wort. Das Schöffengericht schloss sich beim Urteil der Staatsanwaltschaft an und verhängte eine Haftstrafe von zehn Monaten, die drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zusätzlich trägt die Beschuldigte die Verfahrenskosten und muss 30 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.