Vor dem Amtsgericht Sigmaringen ist das Verfahren wegen Körperverletzung gegen einen 62-Jährigen und seine 55-jährigen Ehefrau eingestellt worden. Amtsrichterin Julia Veitinger sah sich außerstande, den handfesten Streit zwischen zwei sichtlich verfeindeten Parteien, einer 57-jährigen Frau und ihrem 27-jährigen Sohn, aufzuklären, die im Oktober 2024 in einer Flüchtlingsunterkunft in Pfullendorf aneinander gerieten. Rechtsreferendar Christoph Ewald holte sich dabei die Zustimmung der Staatsanwaltschaft ein, auch Verteidiger Marco Schiedt, der den Angeklagten vertrat, erklärte sich mit dem Beschluss einverstanden.

Streit wird unterschiedlich geschildert

Zu konträr fielen die Schilderungen jenes gewalttätigen Vorgangs im ehemaligen Pfullendorfer Krankenhaus aus, das im fünften Stock ukrainische Flüchtlinge beherbergt. Dem Angeklagten und seiner Frau wurde zur Last gelegt, dem jungen Mann mit einem Glas eine stark blutende Wunde zugefügt und zu Boden geschlagen zu haben. Dieser trug eine Schwellung am Kopf und Hämatome am Unterarm davon, was den Tatbestand einer vorsätzlichen gesundheitlichen Schädigung erfülle. Beide Angeklagten bestritten das energisch. Es sei genau umgekehrt gewesen. Er sei erst eingeschritten, sagte der Mann, als er sah, wie der 27-Jährige seine Frau schubste, die in Richtung Flur gestürzt sei. Der Geschädigte habe ihm mit seinem Knie einen Schlag auf seine nach einem operativen Eingriff offene Wunde verpasst, was ihn schockte. Im Gerangel seien sie zu Boden gegangen, bis ihm seine Frau wieder aufhalf, während Nachbarinnen schrill nach der Polizei riefen. Sein Gegner habe höchstens einen Kratzer abbekommen.

Ehefrau sieht sich bedroht und beleidigt

Seine angeklagte Ehefrau sprach von ständigen Beleidigungen und Drohungen der Gegenseite, beim besagten Angriff sei sie eher Opfer des Geschädigten geworden. Offensichtlich hätte sich die Mutter des Geschädigten provoziert gefühlt, zumal sie mit ihrer Intervention im Rathaus deren Eröffnung eines illegalen Nagelstudios in ihrer Privatwohnung in der Innenstadt im März 2024 verhindert hätte. Als Beweis diente ihr ein von ihr fotografisch festgehaltener Tisch mit passenden Utensilien. Daraufhin habe ihr die Kontrahentin gedroht, „sie werde mich versenken“. Der Angriff in der Küche sei durch deren Sohn erfolgt, beim Sturz sei ihr schwindlig geworden, ehe sie die beiden auf dem Boden liegenden Männer sah: „Mein Mann war wegen seiner Wunde viel zu schwach, um Widerstand zu leisten!“

Eimer voll Wasser über der Mutter ausgekippt

Der 27-jährige Geschädigte sprach von einem anfänglich guten Verhältnis, sie hätten eine normale Nachbarschaftsbeziehung gepflegt. Zwei Monate vor dem besagten Vorfall habe die Angeklagte in der Küche jedoch unvermittelt einen Eimer Wasser auf seine Mutter entleert. Seit diesem Zeitpunkt häuften sich kleine verbale Konflikte, bis zur Eskalation an jenem Oktobertag: Sie seien am Esstisch gesessen, mit dem Mittagsmahl fast fertig gewesen, als der Angeklagte mit seiner Frau eintrat. Sie hätte sofort den Platz an der Spüle belegt, eine Viertelstunde lang ihre drei Untertassen gespült, während er neben ihr geduldig gewartet habe, um sein Essgeschirr abzuwaschen. Nach kurzem Dialog sei sie von hinten gegen ihn tätlich geworden, er habe einen Schlag auf sein blindes linkes Auge gespürt und war im darauffolgenden Gerangel mit dem Angeklagten zu Boden gegangen, habe aus seitlicher Lage dessen Fäuste festgehalten.

Zeugin stellt Kampfszenen sehr plastisch dar

Mit nicht zu bremsenden Temperament und sich überschlagender Stimme schilderte dann die 57-jährige Mutter im Zeugenverhör ihre Sicht, erhob sich aufgeregt von ihrem Sitz, um plastisch Kampfszenen nachzustellen. „Sie töten ein Kind“, hätte ihr eine Nachbarin zugerufen. Sie wäre aus ihrem in unmittelbarer Nähe liegenden Zimmer in die Küche gestürzt, hätte ihren Sohn leblos am voller Blut getränkten Heizkörper bemerkt, die Angeklagte hätte gelacht und ihm noch auf das linke Auge geschlagen. Sie habe die Angeklagte zurückgezogen, woraufhin sich ein Kampf mit ihr entbrannte, diese hätte ihren Zeigefinger ihr in den Mund gesteckt, aus dem sie blutete. „Sie hat mich mit Füßen getreten“, eingreifende Nachbarn hätten die Kontrahentin schließlich im Flur festgehalten. Die Darstellungen der Angeklagten seien komplett erlogen, im Rettungswagen sei nur ihr Sohn medizinisch betreut worden. Es könne nicht sein, dass „solche Kriminelle noch länger frei herumlaufen dürfen“, schlussfolgerte sie. Die Auslagen des Einstellungsverfahrens trägt die Staatskasse.