Anton Philipp Knittel

Für den großen Philosophen der Aufklärung Christian Wolf ist er „der Größte unter uns“. Martin Heidegger ist fasziniert von seiner „ungewöhnlichen, vielgestaltig-schöpferischen Beherrschung der deutschen Sprache“. Die Rede ist von Johann (Hans) Ulrich Megerle, der als Abraham a Sancta Clara einer der bedeutendsten Kanzelredner im deutschen Sprachraum war und mit seinen zahlreichen Schriften enormen Einfluss auf die Entwicklung der deutschen Schriftsprache hatte.

Das Gasthaus „Zur Traube“, in dem Ulrich Megerle zur Welt gekommen sein soll.
Das Gasthaus „Zur Traube“, in dem Ulrich Megerle zur Welt gekommen sein soll. | Bild: Manfred Dieterle-Jöchle

Eltern waren Wirtsleute der „Traube“

Vermutlich am 2. Juli vor 375 Jahren – der Eintrag im Taufregister stammt vom 3. Juli 1644 – wird Johann Ulrich Megerle als achtes Kind der „Trauben“-Wirtsleute Matthäus und Ursula Megerle in Kreenheinstetten geboren, heute ein Ortsteil von Leibertingen. Die Vorstellung, dass Megerle Armut und Knechtschaft entstammt, rührt nicht nur von der Tatsache, dass die Eltern Leibeigene sind, sondern vermutlich auch vom Spruch aus seinem Werk „Judas, der Ertz-Schelm“, wonach „nicht jeder, der unter einem Strohdach geboren ist, Stroh im Kopf hat“.

Die Durchgangsstraße von Kreenheinstetten wurde nach dem berühmtesten Sohn des Leibertinger Ortsteils benannt. Ulrich Megerle, der ...
Die Durchgangsstraße von Kreenheinstetten wurde nach dem berühmtesten Sohn des Leibertinger Ortsteils benannt. Ulrich Megerle, der spätere Wiener Hofprediger Abraham a Santa Clara, wurde hier geboren. | Bild: Manfred Dieterle-Jöchle

Besuch der Lateinschule in Meßkirch

Der spätere barocke Kanzelstar und Erfolgsschriftsteller Abraham a Sancta Clara besitzt für seinen Werdegang jedoch gute Startchancen. Neben der materiellen Sicherheit und der Förderung durch den Ortspfarrer ist es ein weitverzweigter Verwandtenkreis, der anfangs die Schritte des Wirtssohns lenkt. Dieser besucht ab 1653 die Lateinschule im zwölf Kilometer entfernten Meßkirch, bevor er ins Jesuiteninternat nach Ingolstadt wechselt.

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Sein Onkel, ein Komponist, fördert ihn

Nach dem Tod des Vaters verdankt der junge Megerle viel der Förderung durch seinen Onkel Abraham Megerle, einen bekannten Komponisten aus Wasserburg am Inn. Von Ingolstadt wechselt Hans Ulrich ans Gymnasium der Benediktiner nach Salzburg. 1662 tritt er dem Orden der Reformierten Augustiner-Barfüßer bei. Nach den Jesuiten und den Benediktinern lernt er mit den Augustinern den dritten großen Orden der Zeit kennen. Erste Bekanntheit erlangt er als Wallfahrtsprediger in Taxa bei Augsburg.

Aufstieg zum Kanzelstar in Wien

In Wien zurück, erhält der Sonn- und Feiertagsprediger immensen Zulauf. Seiner zunehmenden Popularität verdankt er im November 1673 seine erste Predigt vor dem kaiserlichen Hof. Mit der raschen Drucklegung, einem Markenzeichen Abrahams, steigert sich sein Ansehen weiter. Mit 33 Jahren wird er zum kaiserlichen Prediger ernannt. Im Hause des Grafen von Hoyos in Niederösterreich beginnt Abraham während der Pest in Wien mit der Niederschrift seines Erfolgstraktats „Mercks Wienn“, das 1680 erscheint. Dem großen „Huy und Pfuy der Welt“ gilt sein bilderreicher Blick oft mit Sprachwitz: „Wohlgeboren seyn adelt nicht allein, auch ein Schaf ist wollgeboren.“ Als Flugschriften finden viele seiner Predigten weite und vor allem rasche Verbreitung.

In der ehemaligen Pfarrscheuer in Kreenheinstetten findet sich eine Gedenkstätte, die an Abraham a Sancta Clara erinnert.
In der ehemaligen Pfarrscheuer in Kreenheinstetten findet sich eine Gedenkstätte, die an Abraham a Sancta Clara erinnert. | Bild: Manfred Dieterle-Jöchle

Großes Ansehen erwirbt sich Abraham mit seinen Predigten während der Belagerung Wiens durch die Osmanen 1683. Allerdings befindet er sich zu dieser Zeit als Sonntagsprediger in Graz. Als Flugschriften finden seine Texte den Weg offenbar dennoch rasch in die belagerte Stadt. Angesichts der Bedrohung verfasst Abraham die eindeutig polemische Kampfschrift „Auff / Auff ihr Christen“. Zahlreiche weitere Schriften und Traktakte entstehen in den folgenden Jahren. Am 1. Dezember 1709 stirbt Abraham 65-jährig in Wien – der Legende nach lachend und wohlgemut.

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Antijüdische Schmähschriften gegen das „Volk der Gottesmörder“

Rezipiert wurde Abraham a Sancta Claras Werk intensiv bis in die Zeit der Romantik. Danach ist es still um ihn geworden. Nicht verschwiegen sein sollen jedoch seine antijüdische Schmähschriften, ja wüsten Tiraden gegen das „Volk der Gottesmörder“ – eine mittelalterliche Sicht, die die Nazis für ihre Zwecke einzusetzen versuchten.