Gleich zwei Anlässe hat es am Samstag in Leibertingen beim Frühlingsempfang gegeben, zu dem die Bürgerinnen und Bürger aus allen vier Ortsteilen der Gemeinde geladen waren. Die Gemeinde Leibertingen blickte nicht nur auf ihr 50-jähriges Bestehen zurück, denn die beiden Ortsteile Thalheim und Leibertingen dürfen sich seit Samstag Erholungsort nennen.
Erster Bürgermeister der Gemeinde
Regierungspräsident Klaus Tappeser hatte die Urkunde am Nachmittag im Rahmen einer kleinen Feierlichkeit an Bürgermeister Stephan Frickinger überreicht. Während des Frühlingsempfangs berichtete Heinrich Güntner, wie die vier Ortsteile der Gemeinde Leibertingen in den vergangenen 50 Jahren zusammengefunden haben. Güntner war der erste Bürgermeister der Gesamtgemeinde Leibertingen.

Die Gemeindegebietsreform im Jahr 1975 hat zunächst viele unglückliche Ehen gestiftet. Aber – denn Scheidung war nicht möglich – viele der Gemeinde-Konstrukte sind bis heute zu mehr als einer funktionierenden Verwaltungseinheit zusammengewachsen. Es sind Gemeinden mit einer gemeinsamen Identität geworden.
Vereine agieren über Grenzen hinweg
Das kann man wohl auch über die Gemeinde Leibertingen sagen, in der inzwischen über Ortschaftsinteressen hinweg viele gemeinsame Ziele verfolgt werden. Auch die Vereine agieren vielfach über Ortschaftsgrenzen hinaus. Wie gut das funktioniert, bewiesen die Musikerinnen und Musiker der drei Blasmusikvereine in der Gemeinde, die beim Frühlingsempfang gemeinsam auftraten und für gute Stimmung sorgten. Immer wieder sprang der Funke von den Musikern auf das Publikum über, das begeistert im Takt mit klatschte.

In seiner Ansprache hob Bürgermeister Stephan Frickinger die Wichtigkeit der Gemeinschaft in der Gemeinde als kleinste Zelle der Demokratie, wie er sie nannte, hervor. Leibertingen sei ein herausragendes Beispiel für so eine Gemeinschaft, erklärte der Rathauschef. „Die Gemeinde Leibertingen steht heute für Zusammenhalt, Tradition und eine außerordentlich hohe Lebensqualität“, sagte er.
Kritik an heutigen Verhältnissen
Er übte aber auch Kritik an den heutigen Verhältnissen: Dass die Bürgerinnen und Bürger einerseits einen schlanken Staat und Bürokratieabbau forderten und gleichzeitig hohe Ansprüche an die Verwaltung stellten, sei ein Widerspruch, sagte Frickinger. Den Vortrag des ehemaligen Bürgermeisters Heinrich Güntner leitete er mit den Worten ein: „Seine Erinnerungen sind wertvolle Lektionen für uns alle. Denn sie zeigen, was wir mit vereinten Kräften erreichen können.“

Dass die Gemeinde Leibertingen in ihrer Gründungszeit mit wenig Mitteln und Infrastruktur auskommen musste, davon wusste Altbürgermeister Heinrich Güntner ausführlich zu berichten. Ein Arbeitsraum stand ihm und seinen beiden Mitarbeitern damals im Rathaus zur Verfügung, beheizt mit einem mächtig qualmenden Ölofen. Die Gemeindekasse war im damaligen Kindergarten untergebracht. Einen Bauhof gab es nicht, der Winterdienst wurde mit gemieteten landwirtschaftlichen Fahrzeugen durchgeführt.
Unterschiedliche Charaktere
Zum Teil sehr unterschiedliche Charaktere musste Güntner damals zusammenbringen: Zu jeder Ortschaft hatte sich der Altbürgermeister Gedanken gemacht. So habe sich etwa Altheim leichter in die neue Gesamtgemeinde eingefügt als die anderen, weil die Ortschaft von je her unterschiedliche Zugehörigen gekannt habe, analysierte Güntner. Thalheim habe sich als „hohenzollersche Insel im Badener Land“ von jeher sehr selbstbewusst durch die Zeit geschlagen, meinte er. Aus einer unerwünschten Patchwork-Familie sei am Ende ein starkes Quartett entstanden, fasste der Altbürgermeister zusammen.
In der Anfangszeit der Gemeinde musste viel Infrastruktur geschaffen werden, damit ein funktionierendes Gemeinwesen entstehen konnte. Das 130 Jahre alte Rathaus wurde umgebaut und den Bedürfnissen der neuen Gemeinde angepasst, zwei Kläranlagen in Kreenheinstetten und Leibertingen wurden gebaut.
An einem Strang ziehen
Die Herausforderung, die Gemeinde zu einen, sei gelungen, weil es verständige Verantwortliche gegeben habe, die bereit waren, an einem Strang zu ziehen, erklärte Güntner. Einigkeit stiftete auch die gemeinsame Schule, ein gemeinsamer Pfarrer sowie der jährlich stattfindende Wildensteiner Jahrmarkt als gemeinsames Fest aller Ortsteile.
„Ein freundlicher Wink durchs Autofenster ist kein Ersatz für ein freundliches Gespräch wie früher.“Heinrich Güntner, Altbürgermeister
Der erste Bürgermeister der Gesamtgemeinde Leibertingen würdigte die Leistungen seiner beiden Nachfolger: So habe Armin Reitze mit dem Nahwärmenetz und den Fotovoltaik-Projekten in der Gemeinde auf die Anforderungen des Klimawandels reagiert, während Stephan Frickinger die Digitalisierung der Gemeinde weiter vorangetrieben und die Gemeinde durch die Pandemie geführt habe.
Am Ende seines Vortrages riet der Altbürgermeister unter anderem dazu, das Auto öfter mal stehenzulassen und zu Fuß durchs Dorf zu gehen. „Ein freundlicher Wink durchs Autofenster ist kein Ersatz für ein freundliches Gespräch wie früher“, sagte er.