Die jährliche Buchausstellung der Bücherei Thalheim hat Anfang November stattgefunden. Als Höhepunkt wurde Anna Maria Schmid angekündigt, die ihren Roman „Die Zeit in meinem Kopf“ vorstellte. Die Lesung in ihrem Heimatdorf vor rund 60 Zuhörern war etwas Besonders für die 26-jährige, auch in der Sigmaringer Buchhandlung Osiander war das Interesse groß.
Das sehr persönliche Buch behandelt auf 80 Seiten die Gedanken und Gefühle, die mit der Krebsdiagnose ihrer Mutter begannen. Es erzählt von Hoffnungen und Ängsten. Im Frühjahr 2022 erkrankte Schmids Mutter an Lungenkrebs, für die Familie ein Schock, die Krankheit war sehr weit fortgeschritten. Ein halbes Jahr später starb sie mit 59 Jahren. Das Buch ist ihr gewidmet. „Weil du so gekämpft hast. Weil du mich so stolz machst. Und weil es noch so vieles zu sagen gäbe“, schreibt ihre Tochter. Nicht primär von der Krebserkrankung wollte Schmid berichten, sondern die Leser in ihren Kopf und eine Reise in ihr Inneres einladen. Ihren Kopf beschreibt sie als Zufluchtsort. Warum sie mit dem emotionalen Buch an die Öffentlichkeit gegangen ist? „Ich wollte schonungslos und ehrlich mitteilen, was ich wirklich denke und fühle. Zum Beispiel, wenn Sätze fallen wie: Deine Mama ist jetzt an einem besseren Ort. Ich würde behaupten, viele Menschen haben noch nie genau über den Satz nachgedacht.“
Wissenschaftliches Schreiben ist Anna Maria Schmid aus dem Studium gewohnt. Sie malt, zeichnet, spielte über viele Jahre Querflöte im Musikverein Thalheim und singt im Projektchor in Fridingen. Doch mit dem Schreiben des biografischen Romans sei sie in eine neue Welt eingetaucht, inzwischen verfasst sie auch Gedichte. Ohne Instagram wäre es wohl nicht zu ihrem Erstlingswerk gekommen. „Ich habe im August eine Werbung auf Instagram gesehen, bei der story.one zu einem Schreibwettbewerb aufgerufen hat. Abgabe war im gleichen Monat, mir blieb also nicht viel Zeit.“ Sie charakterisiert sich als kreativ und ehrgeizig und hat sich voller Tatendrang ans Schreiben gemacht, hinzu kamen 17 digitale Illustrationen und ein Titelentwurf. Der Titel zeigt eine Frau, die mit ausgebreiteten Armen unter Waser liegt, einzig Nase und Mund sind nicht mit Wasser bedeckt. Die einzigen, die sie einweihte, waren ihr Freund und ihre Studienfreundinnen Michelle Jasmin Joos und Milena Buhl, die Korrektur lasen. Vater und Bruder wussten nichts.
Die letzten Monate an der Seite ihrer Mutter seien sehr intensiv und prägend gewesen, erzählt sie. „Ich hatte als Studentin trotz Prüfungsterminen am meisten Zeit.“ Sie hielt die Trauerrede bei der Beerdigung, was im Kapitel „Das perfekt inszenierte Schauspiel“ thematisiert wird. Das Schreiben habe ihr geholfen, loszulassen. „Warum bekommt meine Mutter, die doch nie geraucht hat, Lungenkrebs? Warum unheilbar? Darauf gibt es keine Antworten.“ Das Buch könne Mut machen, doch sie erteile keine Ratschläge zur Trauerbewältigung. Aus der Selbsthilfegruppe Emotions Anonymous, die sie bei ihrer Sozialarbeiterin-Tätigkeit kennenlernte, nahm sie den Satz „Ratschläge sind auch Schläge“ mit. „Ich kann nur so viel raten: Sich öffnen und seine Gefühle mitteilen, das hilft allen.“ Jetzt ist sie im zweiten Trauerjahr, davor habe sie Respekt. Ihre Magisterarbeit beschäftigt sich mit dem Thema. Sie ist als Autoethnografie angelegt, die persönlichen Erfahrungen werden mit dem Einfluss der Gesellschaft in Beziehung gesetzt.
Mit dem Erfolg des Buches ist sie zufrieden. „An dem Wettbewerb haben rund 2000 Leute teilgenommen und mein Roman ist an fünfter Stelle der meistverkauften. Die Thalia-Buchhandlung in Singen und Osiander in Sigmaringen haben einige Exemplare ausliegen, ansonsten ist er im Online-Handel als print-on-demand erhältlich“, berichtet sie. Nun arbeitet sie an einem zweiten Werk: „Es wird auch realitätsnah und emotional.“