Bis dahin werde man sich Gedanken machen, wie mit dem Thema umzugehen ist, sagte Zwick. Gedanken über das Verhalten Gröbers in der Zeit der Nazi-Diktatur werde man sich auch beim Caritasverband im Landkreis Sigmaringen machen, sagt dessen Geschäftsführer Alexander Sperl. Ihm sei bekannt gewesen, dass es sich bei Gröber um eine umstrittene Persönlichkeit handle. Die Vorwürfe, die der Autor Wolfgang Proske bei einer Lesung in Meßkirch gegen den Kirchenmann erhoben hatte und die die aktuelle Diskussion auslöste, seien ihm indes neu gewesen. "Wir wollen das in aller Ruhe bewerten und gegebenenfalls Konsequenzen ziehen", fasst Sperl die Position des Kreisverbands zusammen.

Gedanken über das Für und Wider, eine Straße nach Conrad Gröber zu benennen, hat man sich indes schon früher an der ehemaligen Wirkungsstätte des Meßkirchers, nämlich in Freiburg gemacht. Dort hatte der Gemeinderat einen entsprechenden Auftrag vergeben. Und zwischenzeitlich liegt ein Abschlussbericht der "Kommission zur Überprüfung der Freiburger Straßennamen" unter dem Vorsitz des emeritierten Geschichtsprofessors Bernd Martin von der Albert-Ludwigs-Universität vor.
Die Conrad Gröber-Straße fiel in der Breisgaumetropole in die Kategorie "B", was soviel bedeutet wie: "teilweise belastet, diskussionswürdig" und ein Erläuterungsschild unter dem Straßenschild angeraten wird. Wäre Grober in die Kategorie "A" gekommen, wäre er von der Kommission als "schwer belastet, nicht haltbar" eingestuft worden und dies hätte die Forderung nach einer Umbenennung nach sich gezogen. Bei ihrer Begründung für die Kategorie "B" heißt es im Bericht der Wissenschaftler: "Die Kommission entschied einstimmig, dass die Widerständigkeit des Erzbischofs gegen den Nationalsozialismus, deutlich in der Rettungsaktion Gertrud Luckners, höher zu bewerten ist als seine anfängliche Unterstützung des Regimes und sein kirchlich verwurzelter Antisemitismus." Als Vorschlag für das Ergänzungsschild heißt es da: "Unterstützte 1933/34 den Nationalsozialismus, später entschiedener Verteidiger der katholischen Kirche gegen den Nationalsozialismus."
Das Hauptargument, Gröber nicht unter der Kategorie "A" zu verorten sei gewesen, dass er Hitler in seiner Silvesterpredigt 1939 direkt angegriffen habe, erläutert Bernd Martin. Goebbels habe daraufhin in sein Tagebuch Anfang 1940 notiert: "Der Erzbischof Gröber von Freiburg hat eine Silvesterrede gehalten, die glatten Landesverrat darstellt. Den Jungen werden wir uns später mal kaufen." Lediglich sein Amt als Erzbischof habe ihn davor bewahrt, als Hochverräter angeklagt zu werden, urteilte die Kommission. Zudem habe er 1933 als erster der deutschen Bischöfe gegen die Euthanasie protestiert und später gezielt gegen Tötungsmaßnahmen, beispielsweise in der Emmendinger Psychiatrie, interveniert.
"Gröber, der seine Kritik an der NS-Judenpolitik nicht verhehlte, unterstützte rückhaltlos und finanziell großzügig Gertrud Luckners Rettungsaktion verfolgter Christen jüdischer Herkunft", urteilt die Kommission in ihrem Abschlussbericht weiter. "Die 'Nachrichtenzentrale des Erzbischofs Gröber in Freiburg' galt den braunen Machthabern als Synonym für die verbotene Hilfe für die Bedrohten durch die Freiburger Katholiken." Gröber habe zudem zugunsten inhaftierter Priester unzählige Briefe an Staats- und Parteistellen geschrieben und sei engagierter Verteidiger für vor Gericht gestellte Diözesanen gewesen.
Auf das Buch von Wolfgang Proske angesprochen, dessen Kapitel über Conrad Gröber die Diskussion in Meßkirch ausgelöst hatte, stellt der Freiburger Professor Bernd Martin fest: "Das ist ganz neu, deshalb haben wir es in der Kommission nicht bewertet." Die Entscheidung zur Kategorisierung der Straßennamen in der Breisgaumetropole sei so vor etwa eineinhalb Jahren gefallen. Andererseits gebe es mehrere solcher Fälle, in denen nachträglich neue Einzelheiten aus den Lebensläufen der Betroffenen ans Licht kämen und in solchen Fällen gebe es dann in einer Nachsitzung der Kommission gegebenenfalls auch die Möglichkeit, eine Neubewertung des Sachverhalts vorzunehmen.
Was den von Proske in seinem Buch erhobenen Vorwurf angeht, Gröber habe eine jüdische Geliebte bei der Gestapo angezeigt, rät Martin indes dazu, nicht zu schnell den Stab über Gröber zu brechen. Seines Dafürhaltens müsste man der Sache zunächst nachgehen. "Wenn er sie wirklich denunziert hat und sie am nächsten Morgen in ein Konzentrationslager abgeholt wurde, dann ist die Sache klar." Wenn der Verrat andererseits "hintenherum" gegangen wäre, dann gebe es auch immer wieder Grauzonen, die bei der Bewertung solcher Vorfälle berücksichtigt werden müssten.
Ganz ähnlich hatte sich jüngst auch der Meßkircher Historiker Armin Heim zu der Diskussion um Gröber geäußert. Er verwies darauf, dass es im Rückblick auf die Realität des Dritten Reiches mitunter schwer sei, plakativ in schwarz-weiß Kategorien zu denken, in denen die Guten immer gut und die Bösen immer böse sind. Der Freiburger Professor Martin indes räumt mit Blick auf den Wissensstand der Kommission bei ihrer Entscheidung vor eineinhalb Jahren ein: "Wir haben lange darüber diskutiert." In der Kommission sei letztlich der verbale Angriff auf Hitler höher bewertet worden als etwa der Karfreitagshirtenbrief des Jahres 1941, in der Gröber antisemitische Klischees bediente. Und so sagt Martin auch ganz offen, dass man dabei auch zu einem anderen Schluss hätte kommen können.
Der Auftrag
Der Freiburger Gemeinderat hatte 2012 nach Anfragen, Beschwerden und Aktionen im Hinblick auf einzelne Straßennamen beschlossen, eine wissenschaftliche Überprüfung aller 1300 Freiburger Straßennamen in Auftrag zu geben. Beauftragt wurde der Historiker Volker Ilgen. Ihm zur Seite gestellt wurde eine Kommission mit Geisteswissenschaftlern und Archivaren.
Ihr Abschlussbericht lautete zu Gröber wie folgt:
Erzbischof Gröber ist eine schwierig zu beurteilende Persönlichkeit, insbesondere wegen seiner Haltung zum Nationalsozialismus. Anfangs stand er dem NS-Regime positiv gegenüber. Gröber begrüßte die sogenannte „Machtergreifung" und wurde förderndes Mitglied der SS, was ihm den Beinamen „brauner Conrad" einbrachte. In mehreren seiner Veröffentlichungen sind judenfeindliche Äußerungen zu finden, die nationalsozialistische Sprachmuster benutzen.
Ein auf den ersten Blick offenkundiges, bei näherem Hinsehen jedoch nicht zweifelsfrei zu deutendes Beispiel ist der Karfreitagshirtenbrief des Jahres 1941, der unter dem Titel „Der Mann der Schmerzen!" im erzbischöflichen Amtsblatt veröffentlicht wurde und in allen Kirchen der Erzdiözese Freiburg auszugsweise von der Kanzel zu verlesen war.
Auch in seinem auf den 8. Mai 1945 datierten Hirtenbrief zum Ende der Nazidiktatur verwendete Gröber noch vom NS geprägte, überaus problematische Denkmuster: „Es ist falsch, das Christentum als Judentum zu brandmarken, wo doch jeder wissen konnte, wie sich die Juden zu Christus und seiner Lehre und zu den urchristlichen Gemeinden in Feindseligkeit stellten. Es ist falsch, einem extremen und erbarmungslosen Antisemitismus zu verfallen, um ein Volk auszurotten, das in seiner ihm aufgezwungenen Abwehr uns noch gefährlicher wurde als die größte feindliche Armee." Vorgeworfen wird Gröber des Weiteren, dass er nur dann gegen NS-Unrecht, gegen Unterdrückungs- und Verfolgungsmaßnahmen aktiv wurde, wenn sie sich gegen Katholiken und die katholische Kirche richteten Und zum Vorwurf gemacht wird ihm auch, dass er sich für bedrängte und bedrohte Priester zu wenig eingesetzt habe Nach Kriegsende verhinderte der Erzbischof sogar eine Gedenkfeier für sogenannte „KZ-Priester" im Freiburger Münster
Andererseits ging er schon ab 1934 zunehmend auf Distanz zu den nationalsozialistischen Machthabern So berichtete die Gestapo im Juli/August 1935, das Erzbischöfliche Ordinariat habe seine bislang geübte Zurückhaltung abgestreift und nehme eine oppositionelle Haltung ein Gröber war für sie „der übelste Hetzer gegen das Dritte Reich". Insbesondere in seinen Silvesterpredigten im stets uberfüllten Münster widersprach
In der Silvesterpredigt 1939 griff er direkt Hitler an: „Ich habe einen Satz gelesen, den ich Euch mitteilen muß. Der Satz lautet, Christus habe dem deutschen Volk und Vaterland nichts mehr zu sagen. Anstelle Christus sei ein anderer getreten, dessen Name ich hier auf der Kanzel nicht erwähne. Wenn man Christus vergleicht mit einem Menschen der Gegenwart, wenn man Christus vergleicht mit einem großen Menschen der Gegenwart, wenn man Christus vergleicht mit einem Genie der Gegenwart, dann gleicht dies einer Geschmacklosigkeit, einer Taktlosigkeit, einer Blasphemie." Hierzu notierte Goebbels Anfang 1940 in sein Tagebuch: „Der Erzbischof Gröber von Freiburg hat eine Silvesterrede gehalten, die glatten Landesverrat darstellt. Den Jungen werden wir uns später mal kaufen."
Lediglich sein Amt als Erzbischof bewahrte ihn vor einer Anklage als Hochverräter, wobei Hitler 1941 angesichts der großen Popularität Gröbers aus innenpolitischen Rücksichten Repressionsmaßnahmen unterband. Gröber wurde wiederholt auch persönlich diffamiert. Nachdem er 1937 der Aufforderung, ehrenvoll aus dem Förderverein der SS auszuscheiden, nicht nachgekommen war, wurde er im Folgejahr wegen seiner kritischen Äußerungen zum NS-Staat auf Initiative Heinrich Himmlers aus der Mitgliederliste gestrichen.
Als erster der deutschen Bischöfe protestierte er schon 1933 gegen die Euthanasie und intervenierte später gezielt gegen die Tötungsmaßnahmen beispielsweise in der Emmendinger Psychiatrie. Gröber, der seine Kritik an der NS-Judenpolitik nicht verhehlte, unterstützte rückhaltlos und finanziell großzügig Gertrud Luckners Rettungsaktionen verfolgter Christen jüdischer Herkunft. Die „Nachrichtenzentrale des Erzbi- schofs Gröber in Freiburg" galt den braunen Machthabern als Synonym für die verbotene Hilfe für die Bedrohten durch die Freiburger Katholiken. Er schrieb darüber hinaus zugunsten inhaftierter Priester unzählige Briefe an Staats- und Parteistellen und engagierte Verteidiger für vor Gericht gestellte Diözesanen.