Vom Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln wurde ein Asylbewerber aus Meßkirch vom Amtsgericht Sigmaringen unter Vorsitz von Richterin Lorine Haack freigesprochen, weil sich die Tat nicht zweifelsfrei habe nachweisen lassen.
Untersuchung durch das Landeskriminalamt
Bei einer Durchsuchung der inzwischen aufgelösten Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in der Bahnhofsstraße in Meßkirch hatte die Polizei am 1. Oktober 2019 insgesamt 24 Gramm Marihuana sicher gestellt. Das Rauschgift war vom Landeskriminalamt (LKA) Stuttgart untersucht worden. Dabei hatten die Spezialisten Hautabriebs-Spuren mit der DNA des Angeklagten gefunden. Da die DNA des Angeklagten aus einem früheren Verfahren bereits in der Datenbank gespeichert war, wurde ihm das Marihuana zugeordnet und unerlaubter Handel mit der Absicht Gewinn zu erzielen, vorgeworfen.
Zum Zeitpunkt der Durchsuchung in Mengen
In Begleitung seines Verteidigers und mit Unterstützung eines Dolmetschers bestritt der Angeklagte den Vorwurf der Anklage. Das Rauschgift habe ihm nicht gehört. Zum Zeitpunkt der Durchsuchung der Gemeinschaftsunterkunft sei er bei einem Freund in Mengen gewesen. Nach einer telefonischen Vorankündigung habe ihn dann die Polizei am Arbeitsplatz aufgesucht und daraufhin gewiesen, dass man an den sicher gestellten Drogentütchen seine Fingerabdrücke gefunden habe.
Untersuchungshaft für den Angeklagten schlimm
Dem Gericht berichtete er darüber hinaus, dass er im Gefängnis gewesen wäre. Zuvor sei er noch nie in seinem Leben im Gefängnis gewesen. Die Untersuchungshaft sei das Schlimmste gewesen, was er bisher erlebt habe und belaste ihn heute noch. In der Unterkunft in Meßkirch hätten damals etwa 20 Personen gewohnt, die teilweise Marihuana im Fitnessraum geraucht hätten. In der Zwischenzeit halte er sich nicht mehr in der Nähe von Leuten mit Marihuana auf.
Versucht sich von Leuten mit Drogen fernzuhalten
Er wohne jetzt woanders und versuche, sich von Leuten mit Drogen fernzuhalten. Er bezahle 160 Euro Miete, damit er in Ruhe leben und normal wohnen könne. Dem Gericht erklärte er noch einmal, wie bereits bei seiner Vernehmung durch die Polizei, dass ihm das sicher gestellte Marihuana nicht gehört habe. Auf die Frage wie denn dann seine DNA an die Verpackung (Plastiktütchen) gekommen sei, erklärte der Angeklagte: „Die Tütchen habe ich in der Gemeinschaftsunterkunft zurückgelassen, wo sie dann entwendet worden sind.“
Angeklagter bleibt bei seinen Angaben
Richterin Haack erinnerte den Angeklagten daran, dass er aber schon einmal zu gegeben habe, gelegentlich Marihuana zu rauchen. Wegen seiner ungeklärten Aufenthaltsfrage dürfe er eigentlich auch nicht arbeiten und zum Zeitpunkt der Tat sei er unter Aufsicht eines Bewährungshelfers gestanden. Sie forderte den Angeklagten daher dazu auf, seine Aussage noch einmal zu überdenken, was er nach einer kurzen Beratung mit seinem Verteidiger ablehnte.
Zuvor bereits fünf Mal verurteilt
Aus dem von Richterin Haack verlesenen Auszug vom Bundeszentralregister ging hervor, dass der Angeklagte von den Gerichten in Ravensburg und Sigmaringen bereits fünf Mal wegen Erschleichung von Leistungen, Sachbeschädigung sowie unerlaubten Besitz und Handel treiben mit Betäubungsmitteln verurteilt wurde.
Vertreterin der Staatsanwaltschaft plädiert für Freispruch
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft verwies darauf, dass seine DNA an zwei Drogentütchen nachweisbar gewesen sei. Allerdings habe das LKA auch Spuren von anderen Leuten gefunden, die sich nicht in der Datenbank befunden haben. Der Angeklagte habe auch glaubhaft geschildert, dass ihm die Untersuchungshaft nachhaltig beeindruckt habe und dass er auch dazu stehen würde, wenn es seine Drogen gewesen wären. Da dem Angeklagten nicht widerlegt werden könne, dass jemand seine Tütchen verwendet habe, sei er freizusprechen.
Tütchen für Jedermann zugänglich
Richterin Haack verwies in ihrer Urteilsbegründung darauf hin, dass die Tütchen in denen das Marihuana verpackt war, für Jedermann zugänglich waren. Jeder Bewohner und jeder Besucher hätte zugreifen können. Da der Angeklagte nicht Alleinverursacher für die nachgewiesenen DNA-Spuren gewesen sei, könne man ihm die Tat einfach nicht nachweisen. Andere Indizien für seine Schuld habe man jedoch nicht gehabt. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.
Gemeinschaftsunterkunft
- Vier Jahre lang hatte der Landkreis das ehemalige Postgebäude an der Bahnhofstraße in Meßkirch als Gemeinschaftsunterkunft (GU) für Flüchtlinge genutzt. Bis zu 140 Menschen waren hier untergebracht. Im November 2019, wenige Wochen, bevor die GU geschlossen wurde, lebten noch 16 Menschen in der GU. Nachdem ähnliche Einrichtungen im Kreis Sigmaringen in Laiz, Mengen und Gammertingen geschlossen worden waren, wurde in einem letzten Schritt bis Ende Dezember 2019 die Gemeinschaftsunterkunft in Meßkirch geschlossen.
- Etwa ein Drittel der damaligen Bewohner hatte in der näheren Umgebung von Meßkirch privaten Wohnraum gefunden, ein Drittel wurden im Rahmen der kommunalen Anschlussunterbringung in andere Gemeinden verteilt und das letzte Drittel zog in Gemeinschaftsunterkünfte nach Sigmaringen um.
- Das ehemalige Postgebäude in der Bahnhofstraße gehört jetzt der Meßkircher Architektengesellschaft Mauch Offner. Diese lässt das Gebäude gerade zu einem neuen Sitz der Gesellschaft umbauen. Ein Teil des Gebäudes wird daneben zu Wohnungen umgebaut. (dim)