Anfang April hatte in Gammertingen ein Schäferhund einen Terrier und dessen Frauchen angegriffen. Laut Polizeimeldung soll der Schäferhund den Terrier so verletzt haben, dass eine Operation bei einem Tierarzt nötig war. Auch die Terrier-Besitzerin zog sich leichtere Bissverletzungen an den Händen zu, als sie die Tiere trennen wollte. Im Mai 2023 kam es in Pfullendorf zu einer Anzeige, nachdem ein Hund eine Frau bei Maria Schray in die Wade gebissen hatte. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr im Landkreis Sigmaringen neun Vorfälle mit Hundebissen angezeigt, teilte die Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit vom Polizeipräsidium Ravensburg auf Anfrage mit.
Tierschützer fordern Hundeführerschein
Nach dem Gammertinger Vorfall fordert die Tierschutzorganisation PETA in einer Pressemitteilung die umgehende Umsetzung des geplanten Hundeführerscheins in Baden-Württemberg. Sie verortet das Problem weniger am Hund, sondern am anderen Ende der Leine.
Artgerechte Haltung
Die Begriffe Sachkundenachweis und Hundeführerschein werden oft synonym gebraucht, was nicht ganz richtig ist. Einen Hundeführerschein zu machen, ist mit höherem Aufwand verbunden. Der Nachweis der Sachkunde kann Pflicht sein, wenn jemand einen als gefährlich eingestuften Listenhunden wie etwa Pitbull Terrier oder American Staffordshire Terrier hält. Ziele der Hundeerziehung sind in jedem Fall eine artgerechte Hundehaltung und die Vermeidung von Gefahren. Man erhofft sich mit dem Hundeführerschein zudem weniger Spontankäufe, eine Eindämmung des illegalen Welpenhandels und mehr Wissen über Qualzuchten.
Prüfung in Theorie und Praxis

„Ich bedauere, dass es in Deutschland keine einheitlichen Vorschriften gibt“, stellt Ela Bauer fest. Sie ist Hundetrainerin mit eigener Hundeschule und einem Übungsplatz bei Sauldorf. Bauer plant, gegen Ende des Sommers spezielle Vorbereitungskurse für den Hundeführerschein anzubieten und ist zuversichtlich, dass von dem Angebot rege Gebrauch gemacht wird. Das Interesse sei da, vor allem bei Neuhundebesitzern. Nicht nur Kenntnisse in Leinenführigkeit und Grundgehorsam erleichtern das Zusammenleben mit einem Hund ungemein. Der Führerschein-Kurs dauert zehn Wochen und besteht in der Regel aus vier Theorie- und sechs Praxisstunden. Die Kosten für den Kurs betragen je nach Anbieter rund 150 bis 200 Euro, hinzu kommen Prüfungsgebühren zwischen 100 und 120 Euro.
Hundekauf will wohlüberlegt sein
Noch ist der Hundeführerschein in Baden-Württemberg nicht vorgeschrieben. Man kann ihn aber freiwillig über den BHV, den Berufsverband der Hundeerzieher und Verhaltensberater, ablegen. Hundetrainerin Bauer befürwortet, wenn der Hundeführerschein zur Pflicht wird – und zwar für Hunde jeder Rasse und Größe, egal ob Dogge oder Chihuahua. „Die Theoriestunden noch vor dem Welpenkauf zu machen, halte ich sogar für besonders sinnvoll.“ Wer einen Hund aufnehmen möchte, müsse sich zuallererst fragen: Passt meine Lebenssituation zum Hund, kann ich dem Hund gerecht werden, bin ich bereit, Zeit, Arbeit und letztlich auch Geld in seine Erziehung zu investieren? „Geduld und regelmäßiges Üben ist bei der Hundeerziehung essentiell“, so Bauer.
Sicherheit an beiden Enden der Leine
Auf die Schnelle den Hundeführerschein machen, das funktioniert nicht. „Der Hundeführerschein ist durchaus anspruchsvoll und lernintensiv. So muss man über 200 Fragen im Multiple-Choice-Verfahren beantworten können“, erzählt Hundetrainer Stefan Pagels. Er betreibt seit 2015 in Meßkirch eine Hundeschule. Auf dem Trainingsgelände bei Menningen, bei Streifzügen durch Wald und Stadt lernen Hundebesitzer bei ihm den sicheren Umgang mit ihrem Vierbeiner. Sie lernen ihren Hund einzuschätzen und verschiedenste Situationen zu meistern. „Das Interesse ist groß, pro Woche kommen etwa 140 Hunde in meine Schule.“ 24 Hundebesitzer haben sich bei Pagels schon auf den Hundeführerschein vorbereitet und die Prüfung – abgenommen von einem externen Prüfer – bestanden. Doch bis die Rechtslage geklärt ist, ob ein verpflichtender Hundeführerschein kommt oder nicht, setzt Pagels diese Schulungen aus.
Übung macht den Meister
Lucky, Fridolin und Linus kennen Übungen wie „Begegnung mit fremder Person auf schmalem Weg“, „Warten in engen Situationen“ oder „Begrüßung mit einem zweiten Hundehalter“. Ihre Besitzer haben bereits den Hundeführerschein und halten ihn auch für dringend notwendig. „Viele Hunde landen im Tierheim, weil ihre Besitzer unwissend und überfordert sind“, findet Bernd Wachter aus Göggingen. Anita Grimm aus Stetten ist ebenfalls für den Hundeführerschein. „Man beschäftigt sich intensiv mit der Materie, lernt den Hund mit allen seinen Macken kennen und gewinnt Sicherheit.“
Erlass der Hundesteuer
Einige Städte kommen nach PETA-Angaben verantwortungsvollen Haltern entgegen: Wer in München einen Hundeführerschein absolviert hat, könne sich ein Jahr lang von der Hundesteuer befreien lassen. In Mannheim gelte eine zweijährige Steuerbefreiung. „So eine Motivation halte ich für angebracht“, sagt Pagels und auch Bauer findet den Ansatz richtig. Einen solchen Anreiz gibt es in Meßkirch nicht. Hier sind nach Auskunft von Kämmerer Joachim Buuk 485 Hunde gemeldet. Die Hundesteuer beträgt für den Ersthund 108 Euro, für jeden weiteren 216 Euro, für den ersten Kampfhund 780 Euro und für jeden weiteren 1560 Euro. Im Haushaltsplan 2024 rechnet der Kämmerer mit Einnahmen in Höhe von 55.000 Euro durch die Hundesteuer.