Europa ist wichtig, und es ist lohnenswert, sich im philosophischen Gespräch mit seiner Bedeutung, den Herausforderungen und möglichen Zielen der Zukunft zu befassen. Das war die einhellige Meinung der Gesprächsrunde, die sich im Meßkircher Schlosskeller zum philosophischen Café traf. Bei dieser regelmäßig stattfindenden Veranstaltung handelt es sich um einen öffentlichen, lockeren Austausch von Philosophen und Nicht-Philosophen, um sich einem bestimmten Thema zu widmen.
Mitreden oder einfach nur zuhören
Etwa drei Mal im Jahr kommt die Runde unter der Leitung von Holger Zaborowski, Professor an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt, zusammen. Die Teilnehmer haben dabei die Gelegenheit, angeregt mitzudiskutieren, Fragen zu stellen, Impulse zu setzen oder einfach nur zuzuhören.
Das Gute wird zu wenig gesehen
„Wir müssen etwas tun“, lautete ein Fazit von Professor Holger Zaborowski, der zu Beginn der Gesprächsrunde einen Blick auf die Entwicklung Europas warf und die Krisen benannte. Die Europäische Union stehe so sehr in der Kritik, dass das Gute dabei untergehe. Deshalb sei es notwendig, sich die Errungenschaften der Europäischen Union wieder verstärkt bewusst zu machen. Im positiven Sinn fordere die Krise dazu auf, sich zu überlegen, was Europa ausmacht. Ebenso stelle sich die Frage: Wo wollen wir hin? Zusammen mit dem Kulturbeauftragten des Bistums Limburg, Martin W. Ramb, hat Zaborowski eine Buchreihe entwickelt, die sich „Koordinaten Europas“ nennt und verschiedenste Autoren zu den jeweiligen Schwerpunkten zu Wort kommen lässt. Die Publikationen teilen sich auf in die Bereiche Freiheit und Menschenwürde, Regionalität und Globalität, Bildung und Kultur, Ökologie und Ökonomie, Herkunft und Zukunft sowie Solidarität und Verantwortung. Zugleich stehen die Themen im Fokus der Sommerschule für Studenten und junge Lehrkräfte, die von Alfred Denker häufig nach Meßkirch geholt wurde. Dieses Jahr findet sie am Bodensee statt, es ist jedoch ein Besuch in Martin Heideggers Heimatstadt, auf Campus Galli und in Beuron vorgesehen.
Auf Gemeinsamkeiten setzen
„Der Begriff Koordinaten bedeutet, dass dem Projekt Europa eine gewisse Richtung gegeben werden sollte“, erläuterte Zaborowski in seinem Impulsvortrag. Neben den wirtschaftlichen Regularien sei es wichtig, auf Inhalte und Gemeinsamkeiten zu setzen. Die Gesprächsrunde diskutierte, in welchen Bereichen die europäischen Länder ein Miteinander erfahren können, das sie verbindet und nach außen stärkt. Die Teilnehmer brachten Schilderungen von Erlebtem mit ein, das sie Solidarität unter Europäern erfahren ließ. „Wir sind keine freien Wesen, sondern stehen immer im Verhältnis zueinander“, betonte der Philosophie-Professor die Bedeutung von Solidarität und Verantwortung, die eine Grundkoordinate des menschlichen Miteinanders sei.
Heidegger – ein Brückenbauer
Im Bereich Wirtschaft sah die Gesprächsrunde die Notwendigkeit, in Europa vereinheitlichte Rahmenbedingungen zu schaffen – sowohl für Produzenten als auch für Konsumenten. Es wurde ebenfalls herausgestellt, dass gerade Deutschland stark von der Europäischen Union profitiere.
Früher habe das Christliche als verbindendes Element fungiert, dies sei jedoch heute nicht mehr der Fall, weshalb eine Atmosphäre zu schaffen sei, in der Menschen zusammenfinden. Und was hätte nun Heidegger dazu gemeint? „Heideggers Denken hat Wirkung im außereuropäischen Bereich“, berichtete Holger Zaborowski, denn der Meßkircher Philosoph sei ein Brückenbauer gewesen. Die eigene Geschichte müsse vergegenwärtigt werden, die für Heidegger die Geschichte des Denkens sei. Bei ökologischen Fragen werde ebenfalls Heidegger zitiert – mit Ansätzen, die es weiterzuentwickeln gelte. Dessen gleichzeitiges Ja und Nein zur technischen Welt fordere auf, eine Haltung dazu zu finden. Da es keine absolute Lösung gebe, wollte Heidegger, dass wir in ein Denken geraten und nicht an einer Doktrin festhalten.