Es gibt viele Geschichten, die mir im Lauf der Jahre wichtig geworden sind. Eine meiner Lieblingsgeschichten ist das Märchen vom König mit den zwei Söhnen. Als er alt wurde, wollte er seine Söhne auf die Probe stellen. Er rief sie zu sich, gab jedem fünf Silberstücke und sagte: „Für dieses Geld sollt ihr die Halle meines Schlosses bis zum Abend füllen. Womit, das ist eure Sache.“
Der älteste Sohn ging davon. Er kam an einem Feld vorbei, auf dem gerade gedroschen wurde. Das Stroh lag nutzlos herum. Er dachte sich: Mit diesem nutzlosen Zeug werde ich die Halle schnell bis zum Abend gefüllt haben. Als die Halle voll war, ging er zu seinem Vater und sagte: „Du kannst mir die Herrschaft übertragen, denn es ist noch nicht Abend und ich habe die Halle schon gefüllt.“ Der Vater sagte zu ihm: „Es ist noch nicht Abend, ich werde warten.“ Am Abend kam der jüngere Sohn nach Hause. Die Halle wurde vom Stroh geleert, damit nun er sie füllen konnte. Er ging in die Mitte der Halle, stellte eine Kerze dorthin und zündete sie an. Ihr Schein füllte die dunkle Halle bis in den letzten Winkel hinein.
Halle mit Licht erfüllt
Der Vater sagte: „Du sollst mein Nachfolger sein. Dein Bruder hat fünf Silberstücke ausgegeben, um die Halle mit nutzlosem Zeug anzufüllen. Du hast nicht einmal ein Silberstück gebraucht und hast sie mit Licht erfüllt. Du hast sie mit dem gefüllt, was die Menschen am notwendigsten brauchen.“
Was ist es, was wir Menschen am notwendigsten brauchen? Was brauchen wir gerade auch in diesen Tagen des Advent 2021, in denen uns die Corona-Pandemie leider wiederum so heftig trifft?
Menschen brauchen das Licht
Wir Menschen brauchen das Licht, erzählt die Geschichte. Licht steht als Sinnbild für Liebe, Wärme, Güte, Mitgefühl, Hoffnung und Zuversicht. Melanie Wolfers, eine bekannte geistliche Schriftstellerin unserer Tage, hat ihrem neuen Buch den schönen Titel gegeben: „Zuversicht – Die Kraft, die an das Morgen glaubt“. Das spricht mich sehr an. Gerade die Adventszeit mit ihrer reichen Licht-Symbolik will diese Zuversicht und Hoffnung in uns stärken.
Unsere Väter und Mütter im Glauben, deren Lebens- und Glaubenserfahrungen in der Bibel aufgezeichnet sind, erzählen in immer neuen Variationen von dieser unerschütterlichen Hoffnung. In schwerster Krisenzeit des Volkes Israel, in der in Jerusalem Armut, Not, Bedrängnis und Trauer herrschen, schreibt der Prophet Jesaja: „Steh auf, werde Licht, Jerusalem, denn es kommt dein Licht.“ (Jesaja 60, 1). Gott selber ist das Licht. Und er braucht uns als „Lichtträger“ und „Lichtträgerinnen“, die dieses Licht in die „Hallen“ in unserer Umgebung bringen, dorthin, wo es dunkel ist, wo Menschen traurig, müde und ohne Kraft sind.
Licht erfahren und für andere sein
Ich wünsche uns, dass wir dieses Licht in der diesjährigen Adventszeit in vielen lichtvollen Momenten erfahren dürfen und selber ein solches Licht für andere sind. Wie heißt es im Sprichwort: „Besser ein Licht entzünden, als über die Dunkelheit klagen.“