Bundeskanzler Olaf Scholz ist sie begegnet, mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und dessen Frau, der Verwaltungsrichterin Elke Büdenbender, kam sie ins Gespräch und sie war dabei, als Bilder aus der deutsch-deutschen Geschichte bei einer spektakulären Licht- und Lasershow auf das Schweriner Schloss projiziert wurden. Der Oktober begann für Mechthild Grau aus dem Meßkircher Ortsteil Rohrdorf mit Empfängen, Besichtigungen und einem Bürgerfest ereignisreich und ungewöhnlich.

Engagierte Bürger
Die Einladung aus dem Staatsministerium Stuttgart kam für die 66-Jährige total überraschend, erzählt sie. Sie war mit drei weiteren Personen aus Heidelberg, Mannheim und Tübingen ausgewählt worden, um als Bürgerdelegation aus Baden-Württemberg den Tag der Deutschen Einheit in Mecklenburg-Vorpommern zu feiern. Dieser fand unter dem Motto „Vereint Segel setzen“ in Schwerin mit zahlreichen Landes- und Bundespolitikern statt. Aus allen 16 Bundesländern waren je vier Bürger eingeladen, die eines gemeinsam haben: Sie engagieren sich in besonders hohem Umfang im Ehrenamt.
Es ist bezeichnend für Grau, dass sie jetzt im Gespräch mit dem SÜDKURIER zuerst von ihren drei Begleitern erzählt, die sie im Zug ab Stuttgart kennenlernte. Die eine organisiert integrative Sommerfreizeiten für Menschen mit und ohne Behinderung, die andere ermöglicht interreligiöse Begegnungen zwischen Christen, Muslimen und Juden. Der einzige Mann in der Gruppe kümmert sich um niederschwellige Bildungsangebote für Seeleute.
Sachverstand und Mitgefühl
Mechthild Grau nahm 1987 ihre Arbeit bei der Caritas auf, war bis zu ihrem Renteneintritt im März 2022 in der Migrationsarbeit eingesetzt und über Jahrzehnte eine Vertrauensperson für tausende von Flüchtlingen aus aller Welt. Anfangs waren es hauptsächlich Menschen aus dem Iran, die vor dem Khomeini-Regime geflüchtet waren und der Stadt Sigmaringen zugewiesen wurden. Die Sozialarbeiterin betreute Asylbewerber im Fürstenhof in Sigmaringen, sie kümmerte sich um Jesidinnen, die im Irak dem Terror des Islamischen Staats (IS) ausgesetzt waren und in Baden-Württemberg, etwa im Kloster Sießen bei Bad Saulgau, aufgenommen wurden. Ganze 27 Jahre lang war sie mit Empathie und großem Sachverstand so etwas wie die gute Seele im „Gelben Haus“ in Laiz, der früheren Gemeinschaftsunterkunft des Landkreises für Flüchtlinge.
Nur gute Erfahrungen
Eine große Herausforderung bei der Integration ist aus ihrer Sicht die Sprachförderung und als unschätzbar wichtig bezeichnet sie engagierte Arbeitgeber. „Das stärkt die Betroffenen seelisch.“ Traurig machen sie hingegen Ablehnung und Vorurteile gegenüber Flüchtlingen. „Ich habe nie negative Erfahrungen gemacht, wurde nie bedroht und fühle mich immer sicher.“
Auch als Rentnerin aktiv
Nicht nur im Beruf, auch in ihrer Freizeit sorgt sie sich schon immer um Flüchtlinge. Als Rentnerin unterstützt sie ehrenamtlich weiterhin Familien und Alleinstehende. Mal als Begleiterin zu Elterngesprächen in die Schule oder zum Arzt, mal als Vermittlerin an Fach- und Beratungsstellen. Ihr Wissen und ihre Erfahrungen als Sozialarbeiterin kommen ihr dabei zu Gute. „Ich stimme mich aber immer eng mit den Hauptamtlichen ab.“ Sie kehrte sogar noch einmal in ihren Beruf zurück und arbeitet derzeit zwei bis drei Mal wöchentlich in Teilzeit in zwei Gemeinschaftsunterkünften in Mengen. Dort sind Menschen unter anderem aus Syrien, dem Irak, Eritrea und Afghanistan untergebracht.
Einsatz für Kinder und in der Kirche
Das ist nicht alles. Im Kreisverband Sigmaringen des Kinderschutzbundes bringt sie sich ebenso ein wie im Helferkreis Meßkirch, in der ökumenischen Vesperkirche und im Begegnungscafé im Paul-Gerhardt-Saal der evangelischen Kirchengemeinde von Meßkirch. Dort finden jeden Montag Kaffee-und-Kuchen-Nachmittage mit Flüchtlingen aus der Ukraine statt. Zudem ist Grau ehrenamtliche Prädikantin in der Kirchengemeinde. Sie hält Predigten in der Heilandskirche und darf nach zweijähriger Ausbildung im Dekanat Überlingen-Stockach Taufen, Hochzeiten und Bestattungen abhalten.
Mechthild Grau erlebte die zentralen Feierlichkeiten in Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern zum Tag der Deutschen Einheit hautnah mit. „Dieser Einblick in die politische Welt war ganz neu für mich. Uns Bürgerdelegationen wurde sehr wertschätzend begegnet“, berichtet sie.