Hannah Senftleber

Die wachsende Angst am Markt vor einem möglichen Lieferstopp von Rohöl und Erdgas aus Russland treibt die Energiepreise aktuell in die Höhe – ein Ende derzeit nicht in Sicht. Des Weiteren treffen Lieferengpässe und -ausfälle jede Branche hart, so auch die Landwirtschaft. Denn da Tierfutter und Dünger zu großen Teilen aus Russland und der Ukraine stammen, erfahren Themen wie Nahrungssicherung und möglichst unabhängige, regionale Lebensmittelherstellung in der aktuellen Krisensituation noch einmal eine ganz andere Gewichtung.

„Die Absicherung der Lebensmittelversorgung darf gerade in diesen Zeiten nicht aus den Augen verloren werden.“
Karl Endriß, Kreisobmann

Karl Endriß, Kreisobmann des Bauernverbands Biberach-Sigmaringen und selbst Landwirt, bereiten die derzeitigen Entwicklungen Sorgen. Eine „vorsichtige und beängstigende Stimmungslage“ herrsche momentan in der Landwirtschaft, sagte er gegenüber dem SÜDKURIER. Angefangen bei den historisch hohen Dieselpreisen, die beispielsweise die Kosten für das Bestellen eines ein Hektar großen Feldes aktuell verdoppeln, bis hin zu den dreimal so teuren Düngemitteln. Grund für die hohen Düngemittelpreise sei in erster Linie der hohe Energieaufwand in der Produktion. Jedoch trage auch der im vergangenen November in Kraft getretene Lieferstopp Russlands, einer der größten Düngemittelexporteure, zu einer Verschärfung der Lage bei, so Endriß. Um Energie einzusparen, sei in vielen Betrieben die eigene Photovoltaikanlage auf den Stalldächern bereits Standard, erklärt der Landwirt. Anlagen auf potenziellen Nutzflächen müssten aber kritisch gesehen werden, denn „die Absicherung der Lebensmittelversorgung darf gerade in diesen Zeiten nicht aus den Augen verloren werden“, so Karl Endriß weiter. In diesem Kontext sollte eben auch „das Thema Ernährungssicherung, beziehungsweise Selbstversorgung neu überdacht werden“, sagt Endriß.

Sorgen beim Vorstand des Kreisbauernverbands über die Entwicklung: hier die Vorstandsmitglieder (von links) Doris Härle (Vorsitzende ...
Sorgen beim Vorstand des Kreisbauernverbands über die Entwicklung: hier die Vorstandsmitglieder (von links) Doris Härle (Vorsitzende Landfrauen, Kreisobmann Karl Endriß und Niklas Kreeb (Kreisgeschäftsführer). | Bild: Volk, Siegfried

Zum Glück Lager aufgefüllt

Johannes Hopp, Landwirt aus Meßkirch, hatte seine Diesel- und Düngerlager noch im Dezember aufgefüllt, eine gute Entscheidung, wie er nun feststellen durfte. 3000 bis 4000 Liter Diesel verfährt der Bauer in der Woche im Schnitt, in der Hochsaison könne diese Mengen auch pro Tag anfallen. Glücklicherweise, erklärt Hopp, habe er die anstehende Ernte nicht schon verkauft, bei den rasant gestiegenen Preisen hätte das ansonsten große Verluste bedeutet. Um aber mit einem gewissen Sicherheitspolster in diese Saison zu starten, wolle er zeitnah zumindest einen Teil seines Getreides durch Kontrakte absichern, zu sprunghaft erscheinen ihm die Entwicklungen am Markt.

Mit den Stromkosten zu kämpfen

Wie Benedikt Vögtle, der im familiengeführten Milchviehbetrieb Vögtle in Langenhart tätig ist, berichtet, hätte ihr Betrieb besonders mit höheren Stromkosten zu kämpfen. Melken und Milchkühlung verbrauchten viel Strom. Auch diesen landwirtschaftlichen Betrieb treffen die hohen Kraftstoffpreisen, da die ausgedehnten Futterflächen, die für das Milchvieh vorgehalten werden, bewirtschaftet werden müssen. Ein Vorteil für tierhaltende Betriebe wie ihren, sei in Anbetracht der gestiegenen Düngerpreise die Möglichkeit, chemischen Dünger einzusparen, indem der Stickstoffbedarf des Bodens vermehrt über das Ausbringen von Gülle und Mist abgedeckt wird. Teurer, importierter Mineraldünger könnte dadurch zum Teil ersetzt werden, erklärt Vögtle.

Auch gesetzliche Regelungen sorgen für Preisanstieg

Man müsse jedoch auch beachten, dass die steigenden Lebensmittelpreise nicht nur mit den steigenden Energiepreisen zusammenhängen. Weitere Faktoren seien beispielsweise die Anhebung des Mindestlohns, welche vor allem Saisonarbeitskräfte im Obst- und Gemüsebereich betreffe, ständig steigende Anforderungen ans Tierwohl und die damit einhergehenden Umbauten an Ställen, Flächenverbrauch und höhere Hürden für den Erhalt von Ausgleichszahlungen.

Das könnte Sie auch interessieren

Hilfe für Landwirte gefordert

Biolandwirt Clemens Spieß fordert die Politik auf jetzt zu handeln und den Dieselpreis abzusenken.
Biolandwirt Clemens Spieß fordert die Politik auf jetzt zu handeln und den Dieselpreis abzusenken. | Bild: Hannah Senftleber

Biolandwirt Clemens Spieß aus Dietershofen fordert die Politik indes auf, schnellstmöglich zu handeln und der Landwirtschaft unter die Arme zu greifen. Die hohen Düngerpreise tangieren ihn zwar nicht, da seine Betriebsmittel regionalen Ursprungs und aus dem biologischen Kreislauf seines eigenen Betriebes stammen, umso mehr jedoch die gestiegenen Kraftstoffpreise. Erklärend führte er aus, dass die Äcker in der ökologischen Landwirtschaft deutlich öfter bearbeitet werden müssten, als in der konventionellen. Unterm Strich schlagen für Spieß dadurch 250 Euro Mehrkosten pro Tag im Vergleich zum Vorjahr zu Buche. Wie hoch die Preissteigerungen für seine Kunden ausfallen werden, sei zum jetzigen Zeitpunkt seriös noch nicht abzuschätzen. Eine Steuersenkung oder Preisbremse für Diesel halte er vor diesem Hintergrund für überfällig, nicht nur im Hinblick auf die Landwirtschaft.