Baumaterialien werden aufgrund des weltweiten Baubooms teuer und knapp. Auch Bauunternehmen und Handwerker in der Region sind von dem Mangel betroffen. Das Lager von Matthias Wohlhüter ist derzeit noch voll. Der Bauunternehmer aus dem Leibertinger Ortsteil Thalheim hat sich einen Vorrat an Dämmplatten, Kanalrohren und Baustahl angelegt. Viele Baumaterialien sind derzeit teuer und knapp oder haben lange Lieferzeiten. Der Mangel und seine Folgen betreffen nach seinen Angaben momentan alle Handwerker und Bauunternehmen in der Region.
Preissteigerungen um über 100 Prozent
Bauunternehmer Wohlhüter schätzt, dass bei Kunststoffprodukten die Preise um 30 bis 40 Prozent gestiegen sind, bei Beton-Elementen um 80 bis 100 Prozent und bei Bauholz sogar um über 100 Prozent. Er hat das Glück, dass schon sein Vater, von dem er das Baugeschäft übernommen hat, für ausreichend Lagerfläche gesorgt hat. Der Grund für die Verknappung der Baustoffe und die damit einhergehenden Preiserhöhungen ist die Corona-Krise, die einen weltweiten Bau-Boom und besonders in den USA und China eine große Nachfrage nach Baumaterialien ausgelöst hat.
Holz- und Dämmmaterial fehlen besonders
Dass es im Moment für Handwerk und Bauunternehmen in der Region schwierig ist, sich mit Baustoffen zu versorgen, bestätigt auch Patricia Griener, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Sigmaringen. Es fehle vor allem an Holz und Dämm-Material, aber auch an Materialien wie Farben, Silikonen und Harzen. Dass viele Unternehmen inzwischen „hamstern“ und die lagerfähigen Baustoffe auf Vorrat kauften, würde nun zum Problem, meint Griener: „Manche Betriebe berichten vom sogenannten Klopapier-Effekt.“ Die einen kauften den anderen das Material weg, so wie zu Beginn der Corona-Krise, als es in den Supermarkt-Regalen kein Klopapier mehr zu kaufen gab. In anderen Betrieben wiederum macht die Lagerhaltung keinen Sinn: Es gäbe so viele verschiedene Produkte und Materialien, da sei es schwierig, auf Vorrat zu bestellen, meint Jonas Häuptle. Sein Bauunternehmen befindet sich im Sauldorfer Ortsteil Rast.
Baunternehmer kann Häuslebauern wegen schwankenden Rohstoffpreisen derzeit keine Festpreise nennen
Wohlhüters Unternehmen baut vor allem schlüsselfertige Eigenheime. Er könne seinen Kunden – anders als früher – keine Festpreise mehr nennen, meint er. Schon immer rät er seinen Kunden, die Finanzierung für den Hausbau ausreichend zu kalkulieren. In der jetzigen Situation empfiehlt er darauf zu achten, dass Bauherren im Notfall die Möglichkeit haben, beim Hausbau nachzufinanzieren. Die aktuelle Lage am Baustoff-Markt birgt nach seinen Angaben das Risiko, dass Projekte, die die Baufirmen vor dem Preisanstieg kalkuliert haben, nun zum Verlustgeschäft werden.
Denn die Materialien würden zumeist erst dann gekauft, wenn der Auftrag ausgeführt werde. Wohlhüter berichtet von zwei Fällen, wo er auf die Kulanz seiner Kunden angewiesen war, weil er vereinbarte Preise nicht halten konnte. Er musste umgekehrt gegenüber seinen Lieferanten kulant sein, weil diese zum versprochenen Preis nicht liefern konnten. Inzwischen gibt er in seinen Angeboten für bestimmte Materialien an, dass die aktuellen Tagespreise gelten. Ein ähnliches Vorgehen empfiehlt auch die Kreishandwerkerschaft, nämlich dass die Betriebe in Neuverträgen sogenannte individuelle Preisgleitklauseln mit den Kunden vereinbaren, damit steigende Materialkosten entsprechend berücksichtigt werden können.
Wegen Lieferengpässen wird neuer Bahnhalt betoniert

Auch Bauprojekte in den Gemeinden sind betroffen, sie verzögern oder verteuern sich durch den Mangel an Baumaterialien. Im Rahmen der Reaktivierung der Ablachtalbahn hatte die Gemeinde Sauldorf ursprünglich geplant, den Bahnhalt im Ortsteil Bietingen aus sogenannten L-Steinen zu errichten. Wegen Lieferengpässen bei den Winkelelementen hat sich die Gemeinde notgedrungen entschlossen, den neuen Haltepunkt einfach zu betonieren. „Zement ist ja glücklicherweise genug da“, meint Sauldorfs Bürgermeister Wolfgang Sigrist. Er hofft, dass sich die Situation bald wieder ändert.
Forderung nach einem Export-Stopp werden laut
In der Bundes- und Landespolitik werden erste Stimmen laut, die einen Export-Stopp für Baumaterialien fordern – besonders für einheimisches Bauholz. Gegner einer Exportbeschränkung hingegen argumentieren, dass die deutsche Bauwirtschaft umgekehrt selbst auf Importe angewiesen ist. Bauunternehmer Häuptle kann sich durchaus eine politische Lösung vorstellen: „Beim Baustahl kauft wohl China gerade den Markt leer“, meint er. Wenn das stimme, dann fände er es gut, wenn erst der heimische Markt bedient würde.
Kreishandwerkerschaft Sigmaringen: „Gemeinsame Lösungsmöglichkeiten finden.“
Patricia Griener von der Kreishandwerkerschaft bevorzugt eine Lösung ohne politische Maßnahmen: Aus ihrer Sicht sei es wichtig, dass sich alle Beteiligten austauschten und somit Verständnis für die jeweilige Situation erreicht würde. „Von einer Diskussionsrunde mit Vertretern aus Politik und Handwerk in Präsenz haben wir bisher aufgrund der Corona-Pandemie abgesehen“, erklärt sie. Die Handwerksorganisationen, Verbände, einzelne Betriebe und Beteiligte seien aber im Austausch mit der Politik um gemeinsam Lösungsmöglichkeiten zu finden.
Sparsamer Umgang mit Baumaterialien ist derzeit angesagt
Wann der Mangel behoben sein wird und die Baustoff-Preise wieder auf ein normales Maß zurückgehen, ist noch nicht abzusehen. Griener schätzt, dass sich die Lage schon im dritten Quartal – spätestens im vierten Quartal – verbessern könnte. Bauunternehmer Häuptle hingegen meint zu spüren, dass es bereits ruhiger wird: „Ich habe das Gefühl, dass manche Bauherren abwarten, wie sich die Materialpreise entwickeln.“ Auch Matthias Wohlhüter meint, dass die momentane Unsicherheit zur Zurückhaltung bei den Häuslebauern führe. Aber noch heißt es, mit dem vorhandenen Baumaterial sparsam umzugehen: Wohlhüter hat seine Mitarbeiter gebeten, noch mehr als sonst darauf zu achten, dass beim Schneiden der Dämmplatten möglichst wenig Verschnitt entsteht.
Bundesverbände: „Betriebe müssen wegen Materialknappheit Kurzarbeit anmelden.“
Das Handwerk warnt seit einigen Wochen vor den gravierenden Folgen der Rohstoffknappheit für die heimische Wirtschaft. „Unternehmen müssen bei vollen Auftragsbüchern Kurzarbeit anmelden, weil sie kein Material haben“, sagte der Präsident des Branchenverbandes ZDH, Hans Peter Wollseifer, dem „Mannheimer Morgen“. Auch der Elektrohandwerksverband (ZVEH) warnte vor Kurzarbeit. Wollseifer schlug vor, die jüngsten Beschränkungen des Holzeinschlages aufzugeben oder zu ermöglichen, dass auch vom Borkenkäfer befallenes Holz etwa zu Dämmstoffen verarbeitet werden kann.