Nach zehn Jahren hat es einen Wechsel an der Spitze des Vereins Karolingische Klosterstadt gegeben, der die Meßkircher Mittelalterbaustelle Campus Galli trägt. Uta Mahler-Kraus hat die Nachfolge von Anton Oschwald angetreten, der dem Verein bisher vorstand. Auf der Mittelalterbaustelle erlebe sie ein gutes Miteinander der dort Arbeitenden, schildert Uta Mahler-Kraus. Diesen Gemeinschaftsgeist will sie pflegen. „Ich möchte, dass es allen gut geht“, sagt sie in einem Gespräch mit dem SÜDKURIER.
Den gemeinsamen Beginn am Morgen, wenn sich die Mitarbeiter in der kleinen Kirche treffen, erlebe sie als für alle sehr wohltuend. Es begeistert sie, wie alle auch bei Wind und Wetter auf dem Campus Galli im Einsatz sind. Zum Start in den Tag wird eine der überlieferten Ordensregeln vorgetragen, bevor es ans Tagwerk geht. Genauso würden das gemeinsame Essen wie auch die Pausen die Gemeinschaft prägen. Den Schreiner Michael Straub, der bereits von Anfang an auf der Mittelalterbaustelle arbeitet, begeistert es beispielsweise, zu sehen, wie aus einem Baum, den er selber geschlagen hat, ein Balken für ein Gebäude wird.
Zur Vorsitzenden sei sie wohl auch gewählt worden, weil sie Projekte erfolgreich umsetzen könne, sagte Uta Mahler-Kraus im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Für die Meßkircher Museumsgesellschaft hatte sie Handwerker gesucht, als es einst darum ging, den Schlosskeller als Veranstaltungsraum um- und auszubauen.
Die neue Vorsitzende des Trägervereins führt im Schnitt drei- bis viermal pro Woche Gruppen über die Mittelalterbaustelle. Den Gästen, egal ob klein oder groß, will sie unmittelbar vermitteln, wie sich einstmals das Leben auf und um so eine Baustelle angefühlt hat. Für Grundschüler hat sie einen besonderen Kniff entwickelt. Diese sollen über im Weg eingelassene Steine, die an Sponsoren erinnern, nach dem Eingang zum Campus ins Mittelalter zurück hüpfen – beim Verlassen des Campus hüpfen sie dann wieder in die Gegenwart.

Leinsamen kennen die meisten Kinder heute als Beigabe zum Müsli, auch so schafft Uta Mahler-Kraus einen direkten Bezug zum Leben im Mittelalter, als nicht nur die Samen der Pflanze verwendet wurden. Die pensionierte Lehrerin, die gemeinsam mit Lehrkräften an Schulen auch am Thema Unterrichtsentwicklung arbeitete, setzt bei ihren Führungen auf das unmittelbare Begreifen – Leinsamen verteilt sie als kleine Kostprobe. Und, wo möglich, sollen die Teilnehmenden auch direkt anpacken. Bei ihren Führungen erlebe sie jeden Tag andere Menschen und ganz unterschiedliche Charaktere, beschreibt Uta Mahler-Kraus.
Den Spielplatz für Kinder im Eingangsbereich des Campus Galli, den es seit vergangenem Jahr gibt, findet sie super. Hier könne gut mit den Führungen gestartet werden. Ein gemeinsamer Rundgang mit dem SÜDKURIER führt am Abtnebengebäude vorbei, das als erstes Steinhaus gerade entsteht. In unmittelbarer Nähe werden zurzeit Latrinen gebaut. Kinder hätten sie immer wieder gefragt, ob es im Mittelalter auch Toiletten gegeben habe. Die Antwort darauf lässt sich künftig leichter beantworten, wenn die Latrinen stehen.
Völlig überrascht hat eine vierte Klasse aus Frankfurt am Main Uta Mahler-Kraus. Denn die Grundschüler hatten alle einen St. Galler Klosterplan mit dabei, der quasi der Bauplan für den Meßkircher Campus Galli ist. Und wie kamen diese weit angereisten Grundschüler daran? Sie hatten eine Vorlesung der dortigen Kinder-Uni besucht. Auch Uta Mahler-Kraus gestaltet ihre Führungen so, dass jeder die Inhalte sofort verstehen kann. Und auch das Thema Nachhaltigkeit schneidet sie dabei an – denn im Mittelalter wurde kaum etwas weggeworfen. Sie selber sagt, dass sie auf dem Campus Galli immer wieder etwas dazulerne. Seit 2018 gibt es ein schulisches Projekt mit der Meßkircher Goldöschschule. Einmal pro Woche arbeiten Schülerinnen und Schüler der Förderschule auf dem Campus Galli mit.
Uta Mahler-Kraus ist fest davon überzeugt, dass das Konzept des Campus Galli weiter aufgehen wird. Nach wie vor locke diese touristische Attraktion Menschen in die Region. Der Campus habe auch positive Auswirkungen auf die regionalen gastronomischen Betriebe wie auch auf Beherbergungsunternehmen. Eltern von jungen Leuten, die ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) auf dem Campus absolvierten, würden beispielsweise oftmals in der Gegend übernachten. Die Nachfrage nach den drei FSJ-Stellen, die es auf dem Campus Galli gibt, sei sehr hoch. Die besten Kandidatinnen und Kandidaten könnten aus den zahlreichen Bewerbungen ausgesucht werden. Die Handwerker wie auch die anderen Mitarbeitenden des Campus würden sich engagiert um die FSJler kümmern. Auch hier sei der Gemeinschaftsgeist zu spüren.
Sehr gefreut hat sich die neue Vorsitzende des Trägervereins, dass bereits am Ostersonntag, dem zweiten Öffnungstag in dieser Saison, mehr als 1000 Besucherinnen und Besucher auf den Campus kamen. Neuerungen gab es zum Auftakt im Eingangsbereich: Ein- und Ausgangsbereich sind nun getrennt. Der Zutritt über die neuen stählernen Drehkreuze funktioniert elektronisch mittels QR-Code, der Ausgang über ein breites, auch für Rollstühle geeignetes Drehkreuz.
Basis für die Arbeiten auf dem Campus Galli ist der St. Galler-Klosterplan aus dem neunten Jahrhundert. Dieser liefert aber nur ungefähre Angaben. Heutzutage müssen auch Sicherheitsaspekte wie eine geprüfte Statik bedacht werden. Für jedes Bauwerk auf der Mittelalterbaustelle muss ein Bauantrag eingereicht werden, der vom Sigmaringer Landratsamt genehmigt werden muss. Die Handwerker müssen, wenn der Rote Punkt vorliegt, oft erproben, ob etwa der Mörtel für die Steinmauern funktioniert.