„Wir haben geweint vor Freude“, erzählen die Syrerin Hajar Khador und der Syrer Mohammad Alahmad, die mit ihren Familien in Meßkirch leben. Die Nacht, in der Baschar al-Assad gestürzt wurde und nach Russland floh, war auch für die in Meßkirch lebenden Syrerinnen und Syrer eine Befreiung und gibt ihnen Grund für Hoffnung und Freude. Der Wunsch, die Heimat zu besuchen oder dorthin zurückzukehren, besteht. Doch gelte es zunächst einmal, die unsicheren Zeiten abzuwarten und den Kindern den Abschluss ihrer Schulausbildung und Berufsausbildung zu gewährleisten. Viele sind im Kindesalter nach Deutschland gekommen und sprechen besser Deutsch als Arabisch.

Über 50 Jahre Tyrannei

„Nach 54 Jahren Diktatur braucht das Land Zeit, um sich zu erholen“, meint Mohamad Iemad Zen Aldden, der Ehemann von Hajar Khador. Das Land sei von einer Mafia-Familie tyrannisiert worden, die viel Leid über die Bevölkerung gebracht habe. „Ich habe zu viele Bekannte und Freunde verloren“, erzählt er mit ernstem Blick.

Das Leid der Frauen und Kinder

Mit der Öffnung der Gefängnisse sei für viele die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit dem inhaftierten Bruder, Mann, Vater oder Onkel gestorben. Auch Frauen seien in die Gefängnisse verschleppt worden und mussten teilweise ihre Kinder dort zur Welt bringen. „Manche Kinder haben bis zur Öffnung der Gefängnisse noch kein Tageslicht gesehen“, erzählt Mohammad Alahmad bewegt. „Wir wünschen uns, das al-Assad und seine Anhänger vor Gericht gestellt und verurteilt werden“, beschreibt er sein wichtigstes Anliegen.

Der diktatorische Präsident habe 144 Tonnen Gold sowie weitere finanzielle Mittel für sich und seine Familie auf die Seite geschafft, die dem Land nun fehlen. „Die Technik ist überall veraltet. Syrien war ein Land im Stillstand“, beschreibt Mohammad die desaströse Situation. Man könne dies bereits am Flughafen erkennen, der mit alter Technik und alten Computern funktionieren muss.

Hier stand das Haus von Mohammad Alahmads Schwester. Die Zerstörungen im ganzen Land sind enorm.
Hier stand das Haus von Mohammad Alahmads Schwester. Die Zerstörungen im ganzen Land sind enorm. | Bild: Familie Alahmad

Aufbau braucht Zeit

Die ältere Generation habe das Bedürfnis, zurückzukehren, doch es sei so vieles zerstört, so Mohammad. Nicht einmal die Menschen, die in Syrien wohnen, haben ein Dach über dem Kopf. Viele hätten ihre Häuser aufgrund der Zerstörung nicht mehr gefunden. Ein Mann habe sein Haus nur anhand der Fliesen identifizieren können, die er in den Trümmern fand. Daraufhin sei er wieder in das Zeltlager zurückgekehrt. Die Notfall-Regierung brauche Zeit, um das Land Schritt für Schritt wieder aufzubauen.

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Mohammad, der im Heilig-Geist-Spital arbeitet, hat mit seiner Frau Amani Alayada fünf Kinder. Die älteren, die noch zur Schule gehen, möchten ihre Ausbildung beenden, können sich aber vorstellen, in ein paar Jahren in die Heimat zurückzukehren. Auch der Vater plant, nach Syrien zu fliegen, um nach den Häusern zu schauen. Ebenso geht es Hajar Khador mit ihrer Familie. Die Syrerin macht gerade eine Ausbildung zur Fachkraft für Geriatrie. Nebenher arbeitet die umtriebige Frau noch. „Meine Mutter ist eine starke Frau“, sagt Tochter Jana voller Stolz.

Deutschland ist zweite Heimat

Sie alle beobachten die Entwicklung in Syrien nach dem Sturz von al-Assad aufmerksam und sind überzeugt, dass das Land einen positiven Weg einschlagen wird. „Wir haben kein Religionsproblem, al-Assad hat den Krieg gemacht“, ist Hajar Khador überzeugt. Für die Familie, die aus Homs stammt, ist Deutschland zur zweiten Heimat geworden. „Als wir Schutz gebraucht haben, sind wir aufgenommen worden“, erzählt sie glücklich. Das Land habe ihnen Sicherheit und eine Perspektive gegeben. Erst in Deutschland habe sie angefangen, zu arbeiten. „Wir möchten gerne etwas aus Dankbarkeit zurückgeben“, beschreibt sie ihr Gefühl und ihr Engagement für ihre eigene Ausbildung und die ihrer Kinder. Sie ist so glücklich, dass ihre Kinder in Sicherheit leben und ihre Zukunft aufbauen können. „Wir möchten gerne weiterhin ein Teil der deutschen Gesellschaft sein“, wünscht sich die Syrerin für sich und ihre Familie.

Hajar Khador und ihr Mann Mohamad Iemad Zen Aldden sind glücklich darüber, in Deutschland zu leben, zu arbeiten und Sicherheit und ...
Hajar Khador und ihr Mann Mohamad Iemad Zen Aldden sind glücklich darüber, in Deutschland zu leben, zu arbeiten und Sicherheit und Schutz für sich und ihre Kinder gefunden zu haben. | Bild: Michelberger, Isabell

Kinder fühlen sich hier wohl

„Ich spreche viel mehr Deutsch als Arabisch“, erzählt Jana. Am Anfang sei es schwer gewesen, doch sie hatte die Chance, Deutsch zu lernen, bevor sie in die erste Klasse eingeschult wurde. Die Kinder von Mohammad Alahmad fühlen sich ebenfalls wohl in Deutschland. Tochter Tuqa geht in die achte Klasse und Sohn Jasem in die sechste Klasse. Die Bilder aus Syrien mit der Zerstörung und den geöffneten Gefängnissen haben sie sehr verstört und geschockt, beschreibt Tuqa. Jasem möchte auf alle Fälle zuerst die Schule beenden und dann vielleicht eine Arbeit in Syrien suchen. „Die Heimat braucht alle, weil dort so viel kaputt ist“, beschreibt er seine Beweggründe. In Syrien gebe es nicht mehr viel Verwandtschaft, nur einige, die aus der Türkei zurückgekehrt seien. Diese seien zufrieden, da nun Frieden herrsche. Jasem möchte unter Umständen erst einen kleinen Urlaub in Syrien machen, bevor er sich entscheidet, eventuell dort zu leben. „Wir haben alle viel Hoffnung und einen guten Kontakt mit vielen Helfern“, erzählt Vater Mohammad. Doch Veränderungen gehen nicht von heute auf morgen, wie ihm bewusst ist. Kehre er heute zurück, habe er keinen Job und könne seine Familie nicht ernähren. Dass die Kinder Syrien besuchen wollen, versteht der Vater gut, „denn sie kennen ihre Heimat gar nicht“.

Kein Verzeihen

Schlimm findet es Mohammad, dass die Präsidentenfamilie das Land systematisch kaputt gemacht hat. „Al-Assad war ein Drogendealer, der Tabletten produzieren ließ und sie in die ganze Welt verschickte“, ist sich der Syrer sicher. „Al-Assad möchte, dass das Land weiterhin leidet“, so seine Meinung, denn er habe alle Ressourcen nur für sich herausgezogen. In der Bevölkerung gebe es in jeder Familie ein getötetes Mitglied. „Das werden wir ihm nie verzeihen“, betont Mohammad Alahmad. Er ist sehr dankbar, dass Deutschland ihm und seiner Familie Schutz und Sicherheit gewährt hat. Und er ist stolz darauf, eine Arbeit zu haben, die seine Familie ernährt, möchte aber auch mithelfen, wenn sein Heimatland Hilfe benötigt.