Pfarrerin Anja Kunkel

Wer hat meinen eigenen Glauben geprägt und beeinflusst? Diese Frage beschäftigt mich seit einigen Wochen. Genauer, seit ich den Weltgebetstag 2023 vorbereite. Jedes Jahr am ersten Freitag im März wird derselbe Gottesdienst in über hundert Ländern weltweit gehalten. Frauen verschiedener Konfessionen bereiten einen ökumenischen Gottesdienst vor, der dann übersetzt und gefeiert wird. Für dieses Jahre waren Frauen aus Taiwan verantwortlich.

Der Weltgebetstag bietet somit einen Blick auf Sorgen und Freude eines oft wenig bekannten Landes. Taiwan liegt vor dem chinesischen Festland und besteht aus einer Hauptinsel und über 100 weiteren Inseln mit rund 23 Millionen Menschen. Die riesige Volksrepublik China mit einer Bevölkerung von 1,4 Milliarden beansprucht die Inseln für sich. 1971 erklärten die Vereinten Nationen die Volksrepublik China zur einzigen legitimen Vertretung Chinas. Deshalb haben heute die meisten Staaten keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan. Mit etwa fünf Prozent ist das Christentum auf Taiwan schwach vertreten. Unter den indigenen gehören 60 Prozent einer christlichen Kirche an.

Frauen wird für ihr Vorbild im Glauben gedankt

Die Frauen aus Taiwan haben ihrem Gottesdienst den Titel „Glaube bewegt“ gegeben. Als zentralen Bibeltext haben sie einen Abschnitt aus dem Brief an die Gemeinde in Ephesus ausgewählt. Hier dankt der Schreiber für den Glauben der Menschen in Ephesus. Anschließend werden fünf Briefe verlesen, in denen einzelnen Frauen für ihr Vorbild im Glauben gedankt wird. Dabei geht es um Bewahrung der Schöpfung, die Unterstützung und Bewahrung der indigenen Kultur, die Gleichberechtigung von Jungen und Mädchen, den Einsatz im Krankenhaus in der Corona-Pandemie und den Umgang mit sexuellem Missbrauch. Menschen sind durch das Leben ihres Glaubens für andere zum Vorbild geworden. Einem Vorbild, dem man nachfolgen kann oder das einen auf eigene Ideen bringt.

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Begegnungen mit Menschen mit Ecken und Kanten

So bin ich zu meiner Eingangsfrage gekommen: Wer hat meinen Glauben geprägt? Die Frage ist für mich nicht einfach zu beantworten. Ich habe kein Vorbild, das mir spontan einfällt. Es sind eher einzelne Begegnungen mit Menschen mit Ecken und Kanten. Ich denke etwa an meine Großmutter. Sie hat jeden Tag in der Bibel gelesen und gebetet. Ihr Gebet vor dem Essen kann ich heute noch auswendig. Das hat mich geprägt. Ich erinnere mich aber auch daran, dass sie ihren Mann und ihre Schwiegertochter oft ungerecht behandelt hat. Ich denke an einen Pfarrer, der mich zum theologischen Nachdenken geführt hat. Er hat mich angeregt in der Bibel zu lesen und mich auch mit kritischen Philosophen auseinander zu setzen. Ich denke an eine Ordensschwester, die vorurteilsfrei auf Menschen zugehen konnte und so viel Liebe ausgestrahlt hat. Ich danke für den Glauben dieser Menschen, die mich geprägt haben. Sie waren sicher keine Heiligen und doch Vorbilder für mich. Wer hat Ihren Glauben geprägt?

Weltgebetstag zeigt viel vom Glauben unterschiedlicher Menschen

„Glaube bewegt“ ist die Überschrift über den diesjährigen Weltgebetstag. Glaube bringt in Bewegung, ist kein starrer Besitz, sondern will gelebt werden und die Welt zum Guten verändern. Die Gottesdienste zum Weltgebetstag zeigen viel vom Glauben ganz unterschiedlicher Menschen. An zahlreichen Orten können Sie diese Gottesdienste besuchen. Feiern Sie am 3. März mit!