Pfarrer Samuel Schelle

Moralisch überlegen… Im Radio höre ich die Nachricht, dass zwei Personen der „letzten Generation“ zu einem Gerichtstermin nicht erscheinen konnten, weil sie auf Bali Urlaub machen. Ich merke, wie sich mein Gesicht zu einem hämischen Grinsen verzieht. Dumm gelaufen, denke ich, damit haben die zwei sich ethisch-moralisch ins Abseits geschossen. Diese Entscheidung macht ihr Handeln als Klimaschützer für mich unglaubwürdig.

Mein Grinsen schnell wieder vorbei

Eine willkommene Gelegenheit, mich ihnen moralisch überlegen zu fühlen. Gerade diese jungen Menschen, die mit teilweise diskutablen Methoden auf die Klimakrise aufmerksam machen, gerade sie sollten doch ein anderes Transportmittel wählen. Und ich komme beinahe unbemerkt ins Nachdenken darüber, was ich in meinem Leben vermeintlich besser gemacht habe als sie. Warum erzähle ich Ihnen das? Mein Grinsen war schnell wieder vorbei. Und doch habe ich weiter darüber nachgedacht, wieso mich diese Nachricht überhaupt beschäftigt. Die beiden sind ihren eigenen Forderungen an die Gesellschaft nicht nachgekommen und wurden dabei erwischt. Vielleicht spricht das bei mir die Angst an, durch einen unbedachten Fehler meine eigene Glaubwürdigkeit zu schädigen. Vielleicht geht es aber auch um die grundsätzliche Frage, welchen moralischen Werten ich mich verpflichtet fühle – und was diese meine Werte ins Wanken bringen könnte.

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Moralvorstellungen von vielen beeinflußt

Meine Moralvorstellungen sind mir selbst nicht immer voll bewusst. Das kommt daher, dass wir Menschen im Laufe unseres Lebens so manches unbewusst von anderen übernehmen. Eltern und Familie prägen unser Bewusstsein für „Richtig und Falsch“ schon früh und kraftvoll. Auch Lehrer und Lehrerinnen und Gleichaltrige, sowie Religion und Glaube spielen dabei eine Rolle. Sie alle tragen etwas zu dem bei, was mir später eigen ist – bewusst oder nicht. Die Nachrichten im Radio lassen mich nun auf Spurensuche gehen: Was wäre für mich so verlockend, dass ich gegen meine Werte verstoßen würde?

Jesus ließ sich nicht beirren

Die Bibel erzählt davon, dass Jesus in der Wüste vom Teufel in Versuchung gebracht wurde. Dieser wollte ihn dazu bewegen, Steine in Brot zu verwandeln, um seinen Hunger zu stillen. Ebenso redete er ihm ein, sich von einem Turm zu stürzen, um sich zu beweisen und Gottes Hilfe herauszufordern. Und zuletzt bot er ihm die Weltherrschaft an. (Matthäus, Kapitel 4, Verse 1-11). Jesus ließ sich nicht beirren. Er war sich seiner Werte sicher. Mit drei Zitaten aus der Thora (die fünf Bücher Mose), benennt Jesus das, was ihn in seinen Entscheidungen leitet. Kurz gefasst sagt er: „Der Mensch lebt nicht nur vom Brot, sondern von Gottes Wort; du sollst Gott nicht auf die Probe stellen; du sollst Gott allein verehren.“ Jesus orientiert sich an Gottes Worten, die seinem Volk als Wegweiser dienen.

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Weder Macht noch Ansehen, ja nicht einmal etwas gegen den Hunger bringen Jesus in Versuchung. Und mich? Was und wo kaufe ich ein? Wann steige ich ins Auto – wann nehme ich den Bus oder das Fahrrad? Wie engagiere ich mich im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Ukraine? Wie begegne ich fremden Menschen auf der Straße? Wie denen, die mich um etwas bitten? Und welche guten Worte Gottes leiten mich bei meinen Entscheidungen? Vielleicht dieser Satz Jesu: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!“ (Matthäus, Kap. 7, V 12). Dann aber sollte ich es lassen, mich über zwei engagierte Klimaschützer und ihren Fehler zu erheben…