Brechreiz ist auf den ersten Eindruck wirklich nichts Angenehmes, doch wenn er sich in den Reiz wandelt, mit Gewohntem zu brechen und neue Herausforderungen zu wagen, wird er plötzlich zur wertvollen Initialzündung. Dies zeigt die Theatergruppe „Rolle vorwärts“ mit ihrem allerneuesten Stück „Brechreiz“ unter der Regie von Lilo Braun. Momentan laufen die letzten Proben vor der Premiere am 4. Mai im Schlosskeller. Wer die Gruppe kennt, weiß, dass sie das Talent hat, ernste und tiefgehende Themen mit einer guten Portion Humor zu verbinden.
Gemeinsame Themenfindung
„Eigentlich wollten wir uns kein spezielles Frauenthema mehr vornehmen“, erklärt Theaterpädagogin Lilo Braun, die vor etwa 15 Jahren die „Rolle vorwärts“ ins Leben rief. Anlass, sich nochmals mit dem Weiblichen auseinanderzusetzen, bildete der Kulturschwerpunkt „Frauen“ des Landkreises Sigmaringen. Zuerst überlegte die Theatergruppe, berühmte Frauen aus dem Landkreis darzustellen. „Doch dann haben wir gespürt: Wir Frauen reichen“, erzählt Regieassistentin Diane Kopp von der Themenfindung. So haben sich die kreativen Frauen zusammengesetzt und gesammelt, was es Typisches gibt. Und wieder fiel ihnen einiges ein, um ihr Publikum bestens zu unterhalten.
Jüngere Frauen haben andere Probleme
„Bei der Entwicklung des Stücks spürten wir schnell, dass für die Jüngeren von uns andere Aspekte wichtig sind als für die Älteren“, erzählt Diane Kopp. In vielen Bereichen seien sie emanzipierter und können so manche Probleme der Älteren nicht nachvollziehen. „Ja, die Jungen sind streng mit uns“, lachen die Frauen. Während es in der Mitte des Lebens darum gehe, noch einmal auszubrechen, alles Gewohnte abzustreifen und sich mutig neuen Herausforderungen zu stellen, sehe sich eine junge Erwachsene mit der Frage konfrontiert, was kommt, wenn Schule, Bachelor und Master geschafft sind. Wo ist das Leben geblieben?
Proben im Schlosskeller
Die Theater-Frauen haben vorab Charaktere entwickelt, aus denen Lilo Braun ein Stück kreierte. Der Theaterpädagogin ist es wichtig, dass es keine Hauptrollen, sondern nur gleichberechtigte Spielerinnen gibt. Danach konnte jede aussuchen, in welcher Rolle sie sich am besten wiederfand. Nach der langen Corona-Pause habe es länger gedauert, sich vollkommen mit der Rolle zu identifizieren und Sätze zu sagen, die sie in ihrem Alltag nie sagen würden. Doch endlich auf der Probebühne zu stehen, mache ungeheuer viel aus für die Schauspielerei. Da der Schlosskeller noch knackig kalt ist, werden die Kostüme nur kurz angezogen, um danach schnell wieder in warme Strümpfe, Hosen und Jacken zu schlüpfen. Doch das Bühnenerlebnis sei es wert, die Kälte in Kauf zu nehmen.
Kurze Vorbereitungszeit
„Das muss schnattriger sein“, ruft Lilo Braun. Immer wieder springt sie auf, unterbricht die Szene und lässt wiederholen. Und alle spüren: jetzt ist es besser. „Es ist schrecklich, ich ändere bis fünf Minuten vor dem Auftritt“, klagt die Theaterpädagogin. Dieses Jahr sei es etwas extremer, da die Gruppe nur ein halbes Jahr Zeit zum Proben hatte. „Du brauchst Stöckleschuh“, ruft sie einer Mitspielerin zu. Das passe besser zu ihrer Rolle. Diane Kopp tippt alle Veränderungen sogleich in den Laptop, damit alle mit der neuesten Version versorgt werden können. „Ihr seht die Veränderungen im Drehbuch in Rot“, ruft die Regieassistentin den Frauen auf der Bühne zu. „Diane ist unser Goldstück“, lobt Andrea Leicht, denn sie habe die Organisation immer im Griff.

Brechen auf verschiedene Art
Die Frauen mussten nicht lange überlegen, um auf gemeinsame „Breschge“ (Beschwerden) zu kommen, sei es der Brechreiz als Prämenstruelles Syndrom oder in der Schwangerschaft, das Hadern mit dem Älterwerden oder mit dem Abnehmen der Attraktivität im Alter. Das Publikum darf gespannt sein, wie die Schauspielerinnen den Brechreiz in doppeltem Wortsinn umsetzen.