Endlich Luft! Am Sonntagmorgen weht eine angenehme Brise über das Festivalgelände und macht die Hitze etwas erträglicher.

Um kurz vor 12 Uhr liegt die Temperatur bereits wieder über 30 Grad. Seit der offiziellen Eröffnung des Southside-Festivals in Neuhausen ob Eck ist sie beständig gestiegen. Mit jedem Tag brennt die Sonne noch heftiger auf die Köpfe der rund 65.000 Festivalbesucher.

Ein Teil des Southside-Geländes aus der Luft fotografiert: Bis zu 65.000 Menschen tummelten sich am Wochenende auf dem Festival bei ...
Ein Teil des Southside-Geländes aus der Luft fotografiert: Bis zu 65.000 Menschen tummelten sich am Wochenende auf dem Festival bei Neuhausen ob Eck. | Bild: Gerhard Plessing

Aber davon lassen sich die Festivalgänger die Stimmung nicht vermiesen. Nach zwei Jahren Corona-Zwangspause ist die Feierfreude größer denn je, die Euphorie von Zuschauern und Musikern das ganze Wochenende über, vom 17. bis 19. Juni, greifbar.

„Es ist wieder dasselbe wie davor“

Etwa bei Tobias Berger, der zum zwölften Mal auf dem Southside dabei ist. Er läuft gerade über den großen Zeltplatz, als der SÜDKURIER ihn am Freitag trifft.

Timo Gieringer und Tobias Berger (von links) sind aus Oberkirch im Ortenaukreis angereist.
Timo Gieringer und Tobias Berger (von links) sind aus Oberkirch im Ortenaukreis angereist. | Bild: Nico Talenta

„Vor der Pandemie hatte ich nie ein Jahr ausgesetzt. Die zwei Jahre Durststrecke waren furchtbar, dieses Feeling hat gefehlt. Aber es ist wieder eins zu eins dasselbe wie davor“, sagt Berger, der mit seinem Kumpel Timo Gieringer aus Oberkirch im Ortenaukreis nach Neuhausen ob Eck gereist ist.

Bei allen, mit denen der SÜDKURIER während des Southside-Wochenendes spricht, ist der Tenor gleich: super Stimmung, super Leute, super Musik. Auch Julia R. aus Regensburg freut sich. Sie hat es sich mit Freundinnen am Samstagvormittag unter einem Pavillon bei ihren Zelten gemütlich gemacht.

Feiern „das Wochenende unseres Lebens“, wie sie sagen (von links): Julia R. und Mona Thum aus Regensburg.
Feiern „das Wochenende unseres Lebens“, wie sie sagen (von links): Julia R. und Mona Thum aus Regensburg. | Bild: Nico Talenta

Sie feiern den 26. Geburtstag von Patricia Thum, mit selbst gebackenem Schokokuchen, Wassermelone und Knäckebrot. „Ich bin das erste Mal hier, es ist sehr heiß, aber cool. Das ist das Wochenende unseres Lebens! Man merkt auch, dass die Leute richtig Bock haben“, sagt Julia.

Was ist mit Corona?

Doch was ist mit Corona? Spielt das Virus gar keine Rolle mehr, auch jetzt nicht, wo die Infektionszahlen wieder steigen und sich eine Sommerwelle anbahnt?

Da geht es auf dem Festival vielen wie Michael Englmeier, der vor seinem Zelt gerade eine Runde Bierpong mit Freunden spielt. „Ich blende das aus. Für mich privat ist das in den Hintergrund geraten. Es ist wieder der alte Alltag“, sagt der Straubinger.

Michael Englmeier aus Straubing (rechts) mit Kumpel Sebastian Kapfelsperger beim Bierpong-Spielen.
Michael Englmeier aus Straubing (rechts) mit Kumpel Sebastian Kapfelsperger beim Bierpong-Spielen. | Bild: Nico Talenta

Die Rückkehr zur Vor-Corona-Normalität feiern auf dem Southside nicht nur die Besucher. Guillaume Gerard gehört zu den Budenbetreibern, die auf dem Southside von Piercings und Tattoos über Klamotten bis zu allerlei Ess- und Trinkbarem alles anbieten, was das Festivalherz begehrt. Der Franzose verkauft an seinem Stand farbige Hawaiihemden.

Die vergangenen zwei Jahre seien hart gewesen, sagt Gerard, der seine Hemden vor allem auf Festivals in Frankreich feilbietet und zum ersten Mal auf dem Southside ist. „Zwei Jahre hatten wir keine Arbeit, jetzt sind wir endlich zurück“, sagt Gerard.

Guillaume Gerard verkauft auf dem Southside Hawaiihemden.
Guillaume Gerard verkauft auf dem Southside Hawaiihemden. | Bild: Marcel Jud

Wer an diesem Wochenende auf dem Southside unterwegs ist, käme nicht auf die Idee, dass all das, was er hier sieht und erlebt, vor nicht allzu langer Zeit noch unmöglich war: all die Menschen, die sich in Massen über das Festivalgelände bewegen und vor den Konzertbühnen abfeiern, die sich Freude taumelnd in den Armen liegen oder sich abknutschen.

Fans beim Konzert von Sängerin LP
Fans beim Konzert von Sängerin LP | Bild: Hanser, Oliver

Schlangen vor den Wasserstellen

Corona jedenfalls ist ganz weit weg. Nur Desinfektionsmittelspender bei den Sanitäranlagen erinnern daran, dass mal was war mit Hygieneregeln, Abstand halten, Maske tragen. Doch beachtet werden die Spender von den Festivalbesuchern kaum.

Auf dem Southside drängen die Festivalgänger in Massen zu den Wasserstellen.
Auf dem Southside drängen die Festivalgänger in Massen zu den Wasserstellen. | Bild: Nico Talenta

Viel attraktiver sind da die Wasserstellen in der Nähe: Das ganze Wochenende bilden sich vor ihnen lange Schlangen hitzegeplagter Festivalgänger.

Genauso begehrt sind die wenigen Schattenplätze im Schutz von Zelten oder unter großen Sonnenschirmen.

Heiß begehrt auf dem Southside: Schattenplätze.
Heiß begehrt auf dem Southside: Schattenplätze. | Bild: Nico Talenta

Die hohen Temperaturen und die unbarmherzigen Sonnenstrahlen wirken sich auf die Arbeit der Johanniter aus, die auf dem Southside mehrere Sanitätsstellen betreiben.

Wie erwartet, hätten sie doppelt so viel zu tun wie sonst üblich, erklärt Einsatzleiter Daniel Ganther dem SÜDKURIER bereits am Samstag, als er eine kurze Zwischenbilanz zieht.

Stand Samstagnachmittag seien die Johanniter auf dem Southside „rund 1400-mal bereit gestanden“. Beim Großteil der Fälle habe es sich um Kleinstversorgungen gehandelt, wie die Ausgabe von Pflastern beispielsweise. 400-mal war eine medizinische Versorgung nötig.

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Darunter klassische Festival-Unfälle wie ein umgeknickter Fuß, aber auch viele Fälle, die Folge der Hitze sind. Dabei handelte es sich vor allem um Kreislaufprobleme, meist weil Besucher zu wenig Wasser getrunken hatten, aber auch starke Sonnenbrände zählten dazu.

Die starken Sonnenstrahlen hinterlassen auf so manchem Festivalgänger-Rücken ihre Spuren.
Die starken Sonnenstrahlen hinterlassen auf so manchem Festivalgänger-Rücken ihre Spuren. | Bild: Marcel Jud

Mit der Hitze zu kämpfen hat auch Daria Olszewska. Die junge Studentin ist aus Polen ans Southside gereist, um hier bei der festivaleigenen Müllabfuhr mitzuarbeiten.

„Damit finanziere ich mein Studium in Polen mit“, erklärt Olszewska auf Englisch, nachdem sie ihren Arbeitskollegen auf Polnisch gesagt hat, dass sie gleich nachkommt, sobald sie mir der Zeitung gesprochen hat.

Daria Olszewska. Die Studentin aus Polen arbeitet während des Festivals bei der Southside-Müllabfuhr mit, um sich ihr Studium zu ...
Daria Olszewska. Die Studentin aus Polen arbeitet während des Festivals bei der Southside-Müllabfuhr mit, um sich ihr Studium zu finanzieren, wie sie sagt. | Bild: Nico Talenta

Arbeit, sprich Müll, gebe es auf dem Festival genug, sagt sie dann und lacht. Sie habe jedoch auch Zeit, das Festival und die Musik zu genießen. „Es ist aber auch komisch irgendwie, die Menschenmassen, und dass man nirgendwo mehr eine Gesichtsmaske zum Schutz vor Corona tragen muss.“