In der Innenstadt wurden Fasnetsbändel aufgehängt, am Platz neben der Stadthalle hielten Demonstranten ihre Plakate hoch. Rund 2200 Personen zählten die Ordner auf dem Platz. Im Laufe des Marschs zum Karlsplatz dürften noch einige dazugekommen sein und auch dort warteten Menschen, um gegen die Gefahr von Rechts und insbesondere der AfD lautstark zu protestieren. Das Bündnis von über 40 Organisationen aus dem Landkreis hatte eingeladen und deutlich mehr Menschen mobilisiert, als die 500 angemeldeten.

Geschichte in die Gegenwart gerückt

Auf den Tag genau 79 Jahre nach der Befreiung der gequälten Menschen im Konzentrationslager Auschwitz durch die rote Armee und 80 Jahre nach dem Ende der Blockade von Leningrad durch die deutsche Wehrmacht, wo geschätzt etwa 1,1 Millionen zivile Bewohner der Stadt ihre Leben verloren, strömten Menschen aller Altersklassen in Richtung Stadthalle, wo der Demonstrationszug beginnen sollte. Von Gegenprotesten war, bis auf ganz wenige Ausnahmen, nichts zu sehen. Am Kaufland-Parkplatz machte ein deutlich erkennbarer Trump-Fan seine Meinung kund, indem er „Hitler war links“ aus dem Auto brüllte und dann schnell wieder verschwunden war. Mit der Polizei vorneweg ging es auf der Antonstraße in Richtung Karlsplatz. Prominentester Teilnehmer der Demonstration war Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der rein privat gekommen war und ein Schild „Gegen braune Waschlappen“ mit sich trug. Sänger und Songwriter Tobias Conzelmann überbrückte bis zum Beginn der Kundgebung musikalisch, denn der Zustrom wollte kein Ende nehmen.

Wertprinzipien nicht verhandelbar

Bürgermeister Marcus Ehm machte deutlich, dass Freiheit und die demokratische Grundordnung eine Selbstverständlichkeit gewesen sei. Heute zeige man, dass „uns unsere Freiheit und unsere Demokratie etwas Wert ist“. Heute gehe es um nicht verhandelbare Wertprinzipien und da müsse auch die Politik ihre Aufgaben erfüllen. Ehm: „Wir wollen niemals dorthin zurück, wo wir vor 80 Jahren begonnen haben und wir wollen nicht auf unsere Demokratie und Freiheit verzichten.“ Das bedeute aber auch eine pluralistische Gesellschaft.

„Nie wieder ist jetzt“

Dorothee Sauer, Maritta Lieb und Matthias Stöhle (von rechts) bezogen für die beiden großen Kirchen Stellung.
Dorothee Sauer, Maritta Lieb und Matthias Stöhle (von rechts) bezogen für die beiden großen Kirchen Stellung. | Bild: Fahlbusch, Karlheinz

Die evangelische Pfarrerin Dorothee Sauer machte deutlich: „Nie wieder ist jetzt“. An diesem Holocaust-Gedenktag gelte es, gemeinsam für Menschenfreundlichkeit, Demokratie und Respekt einzustehen. „In den Jahren 1933 bis 1949 haben unsere Kirchen große Schuld auf sich geladen“, bekannte Pfarrer Matthias Ströhle. Christinnen und Christen hätten geschwiegen, wo sie hätten reden sollen. Man habe geschwiegen und weggeschaut. Vielerorts habe man auch die nationalsozialistische, menschenverachtende Ideologie mitgetragen. Ströhle: „So etwas darf nie wieder passieren.“ Aus dem verhohlenen „das darf doch auch mal wieder gesagt werden“, sei heutzutage vielerorts offener Hass geworden. Der Pfarrer wünscht sich eine Welt, in der alle Menschen leben können, ungeachtet ihrer Religion, ihres Geschlechtes und ihrer Hautfarbe.

Gemeindereferentin Maritta Lieb von der katholischen Kirchengemeinde forderte, dass wer sich auf Jesus Christus berufe, sich auch an ihm ausrichten müsse. Lieb: „Es ist unsere Pflicht, sich für Menschen in Not, für Menschen am Rand der Gesellschaft einzusetzen.“

Politiker Schulter an Schulter

„Der AfD geht es nicht um Fakten. Der AfD geht es nur um Hass.“Robin Mesarosch, Bundestagsabgeordneter
„Der AfD geht es nicht um Fakten. Der AfD geht es nur um Hass.“Robin Mesarosch, Bundestagsabgeordneter | Bild: Fahlbusch, Karlheinz

Für den SPD-Bundestagsabgeordneten Robin Mesarosch ist es keine Frage, dass Parteien sich der Probleme annehmen müssen, die es in der Gesellschaft gibt und diese auch benennen. Man müsse dabei, im Gegensatz zur AfD, auch die Fakten anerkennen. Man müsse versuchen, die guten Fakten zu bewahren und die schlechten besser zu machen. Doch der AfD sei das alles egal. Sie blase die negativen Dinge auf, habe aber keine Lösung anzubieten. „Eine rechtsextreme Partei zu gründen oder zu wählen, das ist immer eine richtige Scheißidee, mit der man sich selbst und Millionen anderen Leuten ins Fleisch schneidet“, stellte der 31-Jährige in seiner frei gehaltenen Ansprache fest. Und er gab ein Versprechen ab: „Solange wir hier atmen wird niemand deportiert und die können sich ihre Pläne sonstwo hinstecken.“

Äffchenstrategie fehl am Platz

Lothar Riebsamen, ehemaliger CDU-Bundestagsabgeordneter im Bodenseekreis, will keine Äffchenstrategie (Augen zu, Ohren zu, Mund zu). Man müsse sich zu Wort melden. Man dürfe nicht zusehen, wenn rechtsextremistisches Gedankengut immer mehr Raum gewinne. Man lehne aber ebenso Antisemitismus, Islamismus und Linksextremismus ab. „Wir wollen nicht länger zusehen, wenn gespalten wird, wenn gehetzt wird, wenn Verschwörungstheorien unters Volk gebracht werden“, machte der CDU-Mann deutlich. Zum Thema Remigration erinnert er daran, dass kein Krankenhaus, kein Pflegeheim, kein Industriebetrieb ohne die Menschen mit Migrationshintergrund funktionieren würde.

„Rechtsextremismus darf in Deutschland nie wieder Platz finden.“Ashgar Khoshnavaz, Friedensarbeiter
„Rechtsextremismus darf in Deutschland nie wieder Platz finden.“Ashgar Khoshnavaz, Friedensarbeiter | Bild: Fahlbusch, Karlheinz
„Ich bin total glücklich. Mit so vielen Menschen habe ich nie gerechnet. Das macht Mut.“Ina Schultz, Versammlungsleiterin
„Ich bin total glücklich. Mit so vielen Menschen habe ich nie gerechnet. Das macht Mut.“Ina Schultz, Versammlungsleiterin | Bild: Fahlbusch, Karlheinz