Hoch geht es her am Schmotzige auf dem Marktplatz zur Abendstunde. Mit leichter Verspätung quillt der Hemdglonkerumzug mit dem Narrenvolk herein. Aus dem mitgeführten Schinderkarren, in dem der Delinquent von der Hänsele-Bewachung auf dem Umzugsweg tüchtig durchgeschüttelt wurde, qualmt es fürchterlich. Gestank macht sich über der Altstadt breit, der Kessel brennt lichterloh.
Wo steckt nur der Angeklagte?
Wo steckt nur der Angeklagte Hans-Jürgen Rupp, der Ex-Hauptamtsleiter von Pfullendorf, den alle als den Tede kennen? Das hochwohllöbliche Streckgericht unter dem gestrengen Richter Andreas Narr befiehlt dessen abermalige sofortige Festsetzung.

Er kommt freiwillig über den Hintereingang
Doch Tede tritt ganz freiwillig über den Hintereingang vor die närrische Gerichtsbarkeit. Vor seiner Verurteilung könne er nur warnen, droht er: „Meine Hexenbrut wird euch des Nachts heimsuchen und ihr werdet euch fühlen wie Eunuchen!“
Vorwurf: Er strebt nach dem Thron der Stadtverwaltung
Trotz der Einschüchterung einer Kastration des Tribunals durch Pfullendorfer Hexen, mit denen Tede in zweiter Ehe eng verbandelt ist, steht für Ankläger Oliver Ritter fest, dass es sich bei diesem kumpelhaften Typen um einen gerissenen Schurken handelt. Der es „so bunt treibt, dass es zum Himmel stinkt!“ So habe sich der Angeklagte noch vor der städtischen 800-Jahr-Feier aus dem Staub gemacht. Um zuvor die Strukturen des Rathauses zu zersetzen, indem er lang gediente Kräfte in die Abtrünnigkeit trieb, in der Absicht, diesen Kahlschlag an Kompetenz durch ein ihm höriges Junggemüse zu ersetzen. Sein Hintergedanke sei, sich danach selbst wieder auf den Thron der Stadtverwaltung zu setzen. Drei Bürgermeister habe er mit seinem schändlichen Tun bereits verschlissen und auch dem Vierten „geht‘s be...“, brüllt das empörte Narrenvolk – „jetzt wieder besser“, korrigiert der Ankläger.

Der kontert: „Ich war schon immer der Herrscher dieser Stadt“
Tedes Auftreten ist provokant und keck, er stellt sämtliche Vorwürfe in Abrede und lässt frivol die Katze aus dem Sack: „Ich war schon immer der Herrscher dieser Stadt. Zu was braucht man Bürgermeister, wenn man so eine Rakete hat!“ Und überhaupt sei ihm längst klar, zur 800-Jahr-Feier sei er der einzig richtige Jubilar.
Närrisches Volk ist zwiegespalten: Freiheit oder Streckbank?
Das närrische Volk auf dem Marktplatz ist zwiegespalten. Einige wohl vom Hexengestank Benebelte fordern die „Freiheit für Tede„. Die vom Hemdglonker-Joe angestachelte Meute folgt seiner wüsten Schimpfkanonade gegen den verruchten Delinquenten. Selbst die beiden Hexen, die ihn wegschleifen, kriegen die Szenerie nicht in den Griff: Schwupp-di-wupp ist der Joe wieder da, um noch vehementer loszulegen.

Rathauskollegen lästern hinter vorgehaltener Hand
Ein gerütteltes Maß an Schlitzohrigkeit ist dem Tede nicht abzusprechen. Das ergibt die SÜDKURIER-Recherche im Rathaus. Nicht alle trauern ihm nach. „Wenn er weg ist, ist er weg“, sagt ein Ratskollege im Karnevalskostüm. Nicht nur als Erholungsheim habe ihm das Rathaus gedient, so der Vorwurf des Narrengerichts. Es sei auch die Zufluchtsstätte vor häuslichen Pflichten und Arbeiten an vielen Samstagen gewesen, verrät sein oberster Dienstherr, Thomas der Große. Das führe möglicherweise zu funktionalen Störungen im Privaten, einer gewissen Tollpatschigkeit. Daher wagt der Dienstherr eine Prognose für das Rentnerdasein des Delinquenten: „Der Tede kriegt nicht mal eine Dose Ravioli auf!“
Viele Frauen machen ihm schöne Augen
Sein jugendliches Aussehen führt der angeklagte Schönling und Mittsechziger auf seine spezielle Art des Durstlöschens zurück – ein „Strahlemann der Hefekultur“, wie ihn Richter Narr klassifiziert. „Der Tede ist eine Festsau obenauf“, bringt es der „Weise Jürgen„, Medizinmann der Freien Wähler im Stadtrat, auf den Punkt. Wenn er in Form gekommen sei, wolle er nur noch „Küsschen“ mit der Damenwelt austauschen. Auch auf dem Marktplatz machen ihm viele Frauen schöne Augen.

Verurteilung wegen zelebrierter Selbstverherrlichung
Das hohe Narrengericht findet Tede Rupps zelebrierte Selbstverherrlichung jedoch unerhört. Richter Andreas spricht mit scharfer Zunge: „Selbst eine ruhige Kugel schieben, alle Bürgermeister zu verbrauchen, dafür sollst du aus der Dachrinne saufen!“ Seine ganze Schönheit, die er so prahlerisch darstellt, wäre unwiderruflich dahin. Zunächst darf aber Henker Markus Gabele seines Amtes walten. Er kriegt die Order, dem Schurken die Hammelbeine so lang zu ziehen, dass die Bürger ihn künftig nur noch „Hallo Langer“ nennen.
Tede jammert unter der Folter: „I zahl alles – die Brennsupp‘ und auch die Getränke„
Die Folter auf der Streckbank setzt dem gepiesackten Tede ordentlich zu, er befürchtet, gar jämmerlich zu verrecken: „Die Schmerzen, i halt‘s nimme aus, i zahl alles – die Brennsupp‘ und auch die Getränke!“ Das Narrengericht ist ob solcher Aussichten sichtlich erleichtert und nimmt ihn gern, mit den närrischen Insignien versehen, in die illustre Schar der Gestreckten auf. So geht mit einem vergnügt schunkelnden Narrenvolk unter den Klängen der Stadtmusik ein sehr kurzweiliges, vom gereimten Sprachwitz getragenes Schauspiel der Pfullendorfer Stegstreckerzunft zu Ende.