Bitte, nicht schon wieder – denke ich derzeit bei den abendlichen Nachrichtensendungen. Und für diesen Beitrag hatte ich mir fest vorgenommen, nicht auch noch über Covid-19 zu reden. Aber je mehr ich nachdenke, desto klarer wird mir, dass das nicht gelingt. Zu sehr nimmt dieses kleine Biest von Virus mein und unser Denken in Besitz. Corona-Regeln werden verschärft, immerhin über die Weihnachtstage gelockert, damit Familien zusammenkommen können. „Corona-Pandemie“ wird zum Wort des Jahres gekürt. Es scheint, unsere ganze Gesellschaft ist an diesem Virus erkrankt. Wir reagieren gereizt und empfindlich, wir werden ungeduldig, unser Nervenkostüm schwächelt. Wir alle warten sehnlichst auf ein Ende der Misere. So wird der gegenwärtige Zustand ungewollt zum Parade-Beispiel für das, was Advent meint. Wir müssen wieder lernen, zu warten, uns zu gedulden und zu hoffen.

Pfarrer i.R. Hermann Billmann erinnert in der Kolumne Mutmacher an die Geschichte von Jonas.
Pfarrer i.R. Hermann Billmann erinnert in der Kolumne Mutmacher an die Geschichte von Jonas. | Bild: Fahlbusch, Karlheinz

Unsere Kirche hat zum 2. Advent ein Thema und Hilfsmittel parat, das genau hierhin passt: Wenn diese Dinge zu geschehen beginnen, richtet euch auf und fasst Mut, denn dann ist eure Erlösung nahe (Lukas 21.28). „Fasst Mut! Bald kommt Hilfe!“ Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen, was wir dieser Tage vor allem brauchen. Aber wie kommen wir an diese Arznei, was hilft? Wo ist die nahe Erlösung?

Spaltung und Radikalisierung der Gesellschaft

Dann fallen Namen wie: BNT162b2, der Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer. Andere Impfstoffentwickler heißen Curevac, Moderna oder AstraZeneca. Sie versprechen baldige Rettung und Erlösung, zumindest zu 90 oder 94 %. Aber für wen und wann? Und was heißt Erlösung? Natürlich hoffen wir, dass Impfstoffe unsere Lage entspannen. Aber wir wissen zugleich, dass wir nicht nur am Virus kranken. Besorgniserregender ist, wie sich unsere Gesellschaft angesichts der Gefahr spaltet und radikalisiert. Man hört sich nicht mehr zu, Fakten werden missachtet, Hass und Misstrauen machen sich breit. Und über andere existentielle Krisen, wie Klima oder Fluchtursachen, wird schon nicht mehr gesprochen. Was hilft?

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„Vertrauen befähigt zur Geduld“

Die Botschaft der Bibel ist grundsätzlich: Rettung für uns liegt darin, dass Gott zu uns kommt, so die Weihnachtsbotschaft. Er kommt dorthin, wo wir ihn am nötigsten brauchen, mitten hinein in unsere Ratlosigkeit, Angst und Begrenztheit. Sein Rezept ist kein Geheimrezept, es ist ein altbekanntes, leider so oft missachtetes: Liebe – Gottes und Nächstenliebe. Es gibt in der Bibel mehrfach ein eindrückliches Bild, beispielsweise beim Propheten Hesekiel: „Da sagte er zu mir: Nimm diese Schriftrolle, Mensch, und iss sie auf! … Ich aß die Rolle. Sie schmeckte süß wie Honig.“ Die Bibel als Lebensmittel, ihre Botschaft als Heilserum. Zu uns nehmen, dass wir von Gott Geliebte sind – auch und gerade in schwierigen Zeiten, getragen und geborgen, das ist süße und hilfreiche Arznei. Nicht zufällig wird Dietrich Bonhoeffers Lied „Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag“ geschätzt. Dieses Vertrauen befähigt zur Geduld, stärkt unsere Herzen und lässt hoffen. Es ist eine Arznei, die auch heilend in die Gesellschaft hineinwirkt: Wer seinen Nächsten als von Gott geliebt begreift, wird wir es sich gut überlegen, wie er mit ihm umgeht, ihm antut oder verweigert. Es ist uns also nicht nur behördlich erlaubt, sondern zur Stärkung unseres Immunsystems dringlich empfohlen, Weihnachten zu feiern, das Kommen Gottes zu zelebrieren. Hoffentlich nicht nur zwischen dem 23. und 27. Dezember! So können wir gesunden und Mut fassen.