Keine 60 Stunden nachdem bei den Grabungsarbeiten am „Schützenbühl“ für den Bau des neuen Blockheizkraftwerks überraschend eine Mauer entdeckt wurde, war der Fund schon wieder zugeschüttet. Kurze Zeit später dann teilweise wieder ausgebuddelt, sodass aktuell ein etwa zehn Meter langer und 1,70 Meter hoher Mauerrest zu sehen ist.

Einblick in aufwendige Baumaßnahme an der Stadtmauer

Auf Anfrage des SÜDKURIER gibt es vom Regierungspräsidium Stuttgart beziehungsweise Pressesprecherin Andrea Panitz eine Stellungnahme zur Situation beim „Schützenbühl“. Beim Aushub der bis zu acht Metern tiefen Baugrube habe sich gezeigt, dass der mittelalterliche Stadtgraben überwiegend erst im Laufe des 20. Jahrhunderts verfüllt wurde. Aber in rund fünf Metern Tiefe habe man gut erhaltene Reste einer wohl im 16. Jahrhundert errichteten Futtermauer entdeckt, die den nördlichen Stadtgraben an der Außenseite gegen ein Nachrutschen des Erdreichs sicherte.

Die fast zugeschüttete Mauer wurde teilweise wieder sichtbar gemacht.
Die fast zugeschüttete Mauer wurde teilweise wieder sichtbar gemacht. | Bild: Volk, Siegfried

„Die Mauer ist im aufgedeckten Abschnitt noch rund drei Meter hoch erhalten und gibt einen eindrucksvollen Einblick in die aufwendigen Baumaßnahmen, die die Pfullendorfer Bürger zum Ausbau ihrer Stadtbefestigung am Übergang vom Spätmittelalter zur Neuzeit vornahmen.“ Zugleich gibt die Mauer nach Angaben des Landesdenkmalamts einen indirekten Hinweis darauf, dass die Stadt schon zuvor durch einen Stadtgraben gesichert war, der nachträglich verbreitert und ausgebaut wurde.

Wichtiger Befund für Geschichte

Diese für spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Stadtbefestigungen typischen Ausbauphasen haben nach Angaben der Behördenexperten ihre Ursache in der sich wandelnden Waffen- und Belagerungstechnik am Übergang vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit. „Derzeit werden Möglichkeiten geprüft, ob und wenn ja wie der für die Geschichte der Stadtbefestigung Pfullendorfs wichtige Befund trotz der Baumaßnahme erhalten werden kann“, ergänzt Pressesprecherin Panitz.

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Bei der Stadtbefestigung handelt es sich gemäß Paragraf 2 des Denkmalschutzgesetzes um ein archäologisches Kulturdenkmal und deshalb wird diese Baumaßnahme durch das Landesamt für Denkmalpflege und eine archäologische Fachfirma begleitet.

Heimatforscher Peter Klink verweist auf kaiserlichen Auftrag

Der Denkinger Kunstschmied Peter Klink beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Stadtgeschichte und blickt staunend auf den Mauerfund, wie er im SÜDKURIER-Gespräch erklärt. Die Überreste geben nach seiner Überzeugung einen „leisen Hinweis“, wie mächtig die Stadtbefestigung von Pfullendorf einst war. Er weist darauf hin, dass dieses Bauvorhaben im Auftrag von Kaiser Friedrich II. umgesetzt worden sei. Denn aus der noch erhaltenen Stadtgründungsurkunde wisse man, dass die Stadt mit Toren und Türen und Mauern ab 1220 befestigt werden sollte.

Art der Vermauerung Hinweis auf wasserführenden Graben?

Peter Klink weist darauf hin, dass die alle Steine der Mauer lückenlos mit feinstem weißen Kalkmörtel vermauert sind. Dies deute auf eine Abdichtung, ähnlich wie bei Aquädukten hin. „Es könnte sich tatsächlich um eine einst wasserführende Grabenanlage gehandelt haben“, mutmaßt der Heimatkenner, da aus rein statischen Gründen diese kunstvolle Vermauerung tief unter der Erde sonst kein Sinn gemacht hätte. Es könnte sich aber auch um eine zweite vorgelagerte parallel zur Stadtmauer schützende Befestigung gehandelt haben. Die Stützpfeiler stützen nach Nord-Osten zum Schützenbühl. Eine Plattform für Schützen, die den anrückenden Feind schon vor der eigentlichen Mauer aufhalten konnten.

Kritik an der überhasteten Grabungsaktion

Unterhalb des „Alten Hauses“ wurde der Hang mit Beton befestigt, wobei das Gebäude auf einem Felsen steht.
Unterhalb des „Alten Hauses“ wurde der Hang mit Beton befestigt, wobei das Gebäude auf einem Felsen steht. | Bild: Volk, Siegfried

Nun habe man bei einer überhasteten Grabungsaktion schon wertvolle Zeugnisse abgetragen und sei dabei, die alte Stadtmauer für Heizungsrohre zu durchbrechen. Dabei wäre nach Angaben von Peter Klink das „Alte Haus“ fast zum Abrutschen gekommen, verweist er auf die erfolgte Hangsicherung mit Beton und Armierungsnadeln. „Man kann nur bitten und hoffen, die weiteren Baufortschritte sensibel zu begehen und die Maßnahmen für das Blockkraftheizwerk in Einklang mit der Denkmalbehörde zu begehen“, erklärt Peter Klink. Man habe einen Schatz freigelegt, von dem man seit dem 17. Jahrhundert nichts mehr wusste: „Es wäre viel schöner, diese freigelegten Mauern in das Stadtensemble zu integrieren und Pfullendorf und seine kulturellen Werte der Nachwelt zu erhalten.“

Bedeutung des „Alten Hauses“ für Pfullendorf

Das „Alte Haus“.
Das „Alte Haus“. | Bild: Volk, Siegfried

Heimatforscher Peter Klink weist auf die eingemeißelten Jahreszahl über dem Türkranz das „Alten Hauses“ in arabischen Zahlen – weder in arabischen noch in lateinischen Zahlen gab es in Holz und schon gar nicht in Stein ein solches weiteres Indiz. Vermutlich wurde um 1317 ein Wohnturm an die bereits vorhandene Stadtmauer angebaut, der Bauherr ließ die Jahreszahl der Erbauung in den Steinbogen über der Eingangstüre einmeißeln. Diese bewusste Handlung war für die damalige Zeit eher untypisch. „Der Auftraggeber musste ein recht fortschrittlicher Bauherr gewesen sein“, ist Klink überzeugt. Einerseits, weil er diese Datierung vornahm und andererseits, weil er die damals in der Gegend fast unbekannten arabischen Zahlen verwendete.